16.07.2021

Aus der Rechtsprechung

Rechtsprechungsüberblick

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

Juliheft 2021

 

Eröffnungsverfahren

InsbürO 2021, 289: Berechtigte Gründe für Anordnung vorl. Verwaltung

LG Berlin, Beschl. v. 17.03.2021 – 84 T 45/21, ZInsO 2021, 738

Aus der Begründung:

Grds. hat jeder Gläubiger, der eine Forderung und einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann, ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (…). … Das berechtigte Interesse entfällt nur dann, wenn der Gläubiger mit dem Antrag ausschließlich insolvenzfremde Zwecke verfolgt. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Gläubiger mit dem Antrag einen Konkurrenten vom Markt verdrängen will oder wenn er kein gemeinschaftliches Befriedigungsverfahren, sondern nur die bevorzugte Befriedigung seiner eigenen Forderung anstrebt und den Antrag dafür als Druckmittel einsetzen will (vgl. BGH … Beschl. v. 24.09.2020 – IX ZB 71/19 …). … Den Ausnahmefall des insolvenzzweckwidrigen Verhaltens hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.06.2006 – IX ZB 245/05 ...). … Ebenso wenig deutet es zwingend auf eine Schädigungsabsicht der Antragsteller hin, dass sie versuchten, einen Ausgleich ihrer Forderungen durch die Schuldnerin zu verhindern. Es ist einem Gläubiger schon nicht vorzuwerfen, wenn er von einem insolvenzreifen Schuldner keine Zahlungen entgegennehmen will, mit deren Anfechtung er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechnen muss. … Im Insolvenzeröffnungsverfahren lässt sich nicht abschließend entscheiden, ob der Beteiligte zu 3 das Argument möglicherweise nur vorgeschoben und tatsächlich eine Schädigung der Schuldnerin durch ein ungerechtfertigtes Insolvenzverfahren beabsichtigt hat. Darauf kommt es aber auch nicht an, weil diese Möglichkeit jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich und damit gem. § 4 InsO, § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht worden ist. Die nach § 21 Abs. 2 InsO getroffenen Sicherungsmaßnahmen sind erforderlich und verhältnismäßig.

 

Restschuldbefreiungsverfahren

InsbürO 2021, 284 ff.: Voraussetzungen für Versagung der Restschuldbefreiung

AG Ludwigshafen am Rhein, Beschl. v. 26.04.2021 – 3 a IK 67/14 Sp, ZInsO 2021, 1090

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Die Prüfung einer Unangemessenheit i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist einer objektiven Betrachtung entzogen. Es bedarf einer subjektiven Beurteilung aus Sicht des Schuldners. wobei dessen individueller Lebenszuschnitt zu berücksichtigen ist.

2. Die Rechtskraftwirkung der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle steht einem Versagungsantrag gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO wegen Zweifel an einer Forderung gegen den Schuldner entgegen.
 

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Auch wenn die Entscheidung ein vor dem 01.07.2014 eröffnetes Verfahren betrifft, ist sie aktuell. Die einzige Änderung besteht darin, dass die Jahresfrist in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO nunmehr drei Jahre beträgt. Es handelt sich um eine der seltenen Entscheidungen zur Anwendung dieser Vorschrift. Berücksichtigt man neben der Darlehensaufnahme bei der A-Bank Anfang 2013 und bei der D- Bank im März 2013 den kreditfinanzierten Kauf eines neuen Sofas am 25.03.2013 für 2.860,34 € und die mit Hilfe eines Darlehensvertrages vorgenommene Anschaffung eines neuen Fernsehers vom 15.02.2013, können sich durchaus Zweifel an der Angemessenheit ergeben. Fraglich bleibt aber eine dadurch eingetretene erforderliche Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Erforderlich ist dazu eine konkret messbare Beeinträchtigung der Befriedigung im Zeitpunkt des Schlusstermins nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Verlangt wird eine verringerte Quote der Insolvenzgläubiger. (Ahrens in: Frankfurter Kommentar zur InsO = FK–InsO, 9. Aufl., § 290 Rn. 110). Ob dies der Fall ist, kann nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht endgültig beurteilt werden, erscheint aber zweifelhaft.

Von besonderem Interesse sind auch die Ausführungen im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zum tatsächlichen Bestehen eines Rückzahlungsanspruches des Vaters des Schuldners. Ob ein solcher Anspruch tat-sächlich besteht, hat das Gericht dahingestellt gelassen, da der Anspruch rechtskräftig zur Tabelle festgestellt und daher nicht erneut überprüfbar ist. Es wurde sofortige Beschwerde beim LG Frankenthal eingelegt.

 

Unternehmensinsolvenzen

InsbürO 2021, 290: Anwaltshaftung für fehlende Belehrung zur Insolvenzreife

OLG Hamm, Urt. v. 18.03.2021 – I-28 U 279/19, ZInsO 2021, 962

Zum Sachverhalt:

Der Insolvenzverwalter einer GmbH macht abgetretene Schadensersatzansprüche gegen einen Anwalt geltend, die aus einer fehlenden Beratung resultieren, welche dazu führte, dass der Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen Haftungsanspruch nach § 64 GmbHG zu erfüllen hat.
 

Aus der Begründung:

Der Kläger (= Insolvenzverwalter) hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten (= Anwalt) i.H.v. 25.961,14 € aus § 280 Abs. 1 (ggf. i.V.m. § 128 HGB analog) i.V.m. § 398 BGB. … Zwischen dem Beklagten (bzw. der Rechtsanwaltskanzlei R) und dem Zeugen W (= Gesellschafter und Geschäftsführer) ist … ein konkludenter Auskunftsvertrag zustande gekommen. Der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrags ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen machen will, sofern der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist oder er hierbei eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt (BGH, ZInsO 2009, 327; …). … Die Auskünfte des Beklagten betrafen … maßgebliche Pflichten des Zeugen W wie etwa die Pflicht zur Insolvenzantragstellung gem. § 15a Abs. 1 InsO und zur Unterlassung verbotener Zahlungen aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin (vgl. § 64 GmbHG). … Der Zeuge W ist mit der Beratungsleistung des Beklagten bestimmungsgemäß in Berührung gekommen. …
 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen würden. Es handelte sich um eine Einzelfallentscheidung, die der Senat auf der Grundlage anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen habe.

 

InsbürO 2021, 290: Erweiterte Gewerbeuntersagung wg. Insolvenzverschleppung

VGH Bayern, Beschl. v. 03.03.2021 – 22 ZB 20.1576, ZInsO 2021, 969

Rn. 1: Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung. … Rn. 2: … untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung seines … angezeigten Gewerbes, u.a. die Tätigkeit als Generalunternehmer für Bauvorhaben. Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt. Der Kläger sei mit Strafbefehl des AG München v. 20.12.2017 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gem. § 15a Abs. 1 und Abs. 4 InsO zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt worden. … Rn. 12: … Der Kläger hat seine aus § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO folgenden insolvenzrechtlichen Pflichten verletzt; für diese Pflichtverletzung ist es nicht relevant, ob durch die verspätete Insolvenzanmeldung ein Schaden für die Gläubiger eingetreten ist oder nicht. Deshalb ist nicht ersichtlich, dass es sich zugunsten des Betroffenen auf die Prognose der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit auswirken würde, wenn in einem solchen Fall ein Schaden für die Gläubiger infolge der verspäteten Meldung nicht eingetreten wäre oder nicht nachgewiesen werden könnte.

 

Haftung

InsbürO 2021, 283 f.: Grundsätze der Geschäftsführerhaftung

OVG NRW, Beschl. v. 12.04.2021 – 14 B 2019/20, ZInsO 2021, 1174 (unanfechtbar)

Leitsätze des Gerichts:

1. Bei unzureichenden Zahlungsmitteln ist der gesetzliche Vertreter des Steuerschuldners nur verpflichtet, die fälligen Steuern in etwa gleicher Höhe zu tilgen wie die fälligen Forderungen anderer Gläubiger(Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Beschl. v. 20.02.2001 - VII B 111/00 … Rn. 15 u. Urt. v. 26.04.1984 - V R 128/79 …).

2. Werden während eines längeren Zeitraums mit mehreren Fälligkeitszeitpunkten die Steuern nicht oder nicht vollständig entrichtet, so ist für die Feststellung, ob und inwieweit der gesetzliche Vertreter des Steuerschuldners seine Verpflichtung zur in etwa gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger gegenüber dem Finanzamt verletzt hat, auf die Summen der fälligen Steuern, der fälligen Verbindlichkeiten und der hierauf erfolgten Zahlungen im gesamten Haftungszeitraum abzustellen. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Urt. v. 14.07.1987 - VII R 188/82 … u. v. 12.06.1986 - VII R 192/83 …).         

3. Dasselbe gilt, wenn zu Beginn des Haftungszeitraums bereits fällige Steuerschulden bestehen und während des Haftungszeitraums weitere Steuerschulden fällig werden.

4. Die Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters für die Entrichtung der fälligen Steuern des Steuerschuldners endet nicht mit der Stellung eines Insolvenzantrags, sondern erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, es sei denn, das Insolvenzgericht erlässt zuvor ein allgemeines Verfügungsverbot gegen den Steuerschuldner. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Urt. v. 26.09.2017 - VII R 40/16 … Rn. 15 f. u. v. 16.05.2017 - VII R 25/16 … Rn. 8 u. Beschl. v. 30.12.2004 - VII B 145/04 … Rn. 10).               

5. Der gesetzliche Vertreter des Steuerschuldners verletzt seine Pflicht, die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln des Steuerschuldners zu entrichten, auch dann, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung oder auf andere Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig außerstande setzt, eine bereits fällige Steuerforderung (zumindest anteilig) zu tilgen. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BVerwG, Urt. v. 09.12.1988 - 8 C 13/87 …; BFH, Urt. v. 21.06.1994 - VII R 34/92 …; v. 26.04.1984 - V R 128/79 …; v. 06.10.2009 - I R 25/09 … Rn. 15).                       

6. Ein neu ins Amt kommender Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist verpflichtet, sich unverzüglich über die finanzielle Situation der Gesellschaft und damit auch über deren fällige Verbindlichkeiten zu informieren. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Urt. v. 26.09.2017 - VII R 40/16 … Rn. 15 f. u. v. 16.05.2017 - VII R 25/16 … Rn. 8 u. Beschl. v. 30.12.2004 - VII B 145/04 … Rn. 10).               

7. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids ist der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung. Daher sind spätere Zahlungen auf die Steuerschuld für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids ohne Bedeutung. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Beschl. v. 27.10.2014 - VII B 192/13 … Rn. 8 u. Urt. v. 17.10.1980 - VI R 136/77 …).               

8. Die hypothetischen Kausalverläufe nach (unterstellter) rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags durch den gesetzlichen Vertreter des Steuerschuldners oder der etwaigen Anfechtung von Zahlungen des Steuerschuldners an den Steuergläubiger durch den Insolvenzverwalter können die vom gesetzlichen Vertreter des Steuerschuldners gesetzten realen Ursachen für einen beim Steuergläubiger eingetretenen Steuerschaden nicht beseitigen und sind daher unbeachtlich. (Ergänzung aus der Begründung: vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2019 - VII R 30/18 … Rn. 35 u. v. 26.01.2016 - VII R 3/15 … Rn. 13 ff.)
               

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Diese ausführlichen Leitsätze stellen geradezu einen Leitfaden für Geschäftsführer dar, was von ihnen frühzeitig in einer finanziell angespannten Lage zu beachten ist. Es geht um die Haftung nach § 69 Satz 1 AO, die mit einem Haftungsbescheid nach § 191 AO geltend gemacht werden kann. Der Geschäftsführer hatte den Antrag auf aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Haftungsbescheid gestellt, der mit vorliegender Entscheidung vom OVG abgelehnt wurde. Für die Insolvenzbüros kann dieser Leitfaden als Prüfungsschema genutzt werden, um die Versäumnisse und die Fehlverhalten von Geschäftsführern zu recherchieren und dokumentieren. Solche Informationen können auch bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach § 15b InsO (früher § 64 GmbHG) von Bedeutung sein, so bspw. wenn Zahlungen an Dritte geleistet wurden – wie es vorliegend der Fall war -, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren sind, weil die Insolvenzmasse geschmälert wird. Sollten aber bspw. Steuerforderungen tlw. getilgt worden sein, andere offene Gläubigerforderungen aber nicht (Leitsatz 1), so können diese Informationen als erste Indizien für einen Anfechtungstatbestand greifen.

 

InsbürO 2021, 295: Keine Bindung des Versicherer an festgestellter Forderung eines Geschädigten zur Insolvenztabelle

BGH, Urt. v. 10.03.2021 – IV ZR 309/19, ZInsO 2021, 844

(IV. Senat = u.a. zuständig für Versicherungsvertragsrecht)

Zum Sachverhalt:

Der Kläger nimmt den beklagten Versicherer auf Leistungen aus einer von einer GmbH (= Versicherungsnehmerin) gehaltenen Verkehrshaftungsversicherung in Anspruch. Versichert war das Risiko der gesetzlichen Haftpflicht der Versicherungsnehmerin als Umzugsunternehmen mit Lagerhaltung.

Aus der Begründung:

Rn. 9: Der Kläger … hat einen Schaden von max. 11.750 € erlitten und hierfür von der Beklagten sowie in der Schlussverteilung insgesamt 20.307,07 € erhalten. Entgegen der Auffassung der Revision kann der Kläger einen darüberhinausgehenden Anspruch gegen die Beklagte nicht auf die Feststellung einer höheren Forderung (33.530,15 € nebst 3.078,65 € Zinsen) zur Tabelle stützen. … Rn. 10: § 110 VVG räumt dem Geschädigten bei Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an dessen Freistellungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer ein, so dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen kann (…). Voraussetzung … ist aber – wie beim Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers - weiter, dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 106 Satz 1 VVG festgestellt worden ist, weil dieser durch § 110 VVG keine weitergehende Rechtsstellung als der Versicherungsnehmer erlangt (…). Eine solche Feststellung kann nach dem Gesetz auch durch ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs erfolgen, sei es durch den (nicht insolventen) Versicherungsnehmer, sei es durch den Insolvenzverwalter (…). … Rn. 12: Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Versicherer im Deckungsverhältnis gebunden ist. … Verspricht der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr, als diesem zusteht, geht der Mehrbetrag zu Lasten des Versicherungsnehmers (…). Nach dem Regelungsplan des neuen Rechts muss der Versicherer die Möglichkeit haben, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen (…). … Rn. 15: Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). … Diese Vorschriften sehen … keine Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf Dritte vor (…). Sie bewirken deshalb keine Bindung i.S.d. § 106 Satz 1 VVG zulasten des Haftpflichtversicherers des Schuldners. …

 

Masseunzulänglichkeit

InsbürO 2021, 290 f.: Aufrechnungslage zur Zeit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit

OLG Brandenburg, Urt. v. 25.11.2020 – 7 U 77/19 (rkr.)

Aus der Begründung:

Die Unzulässigkeit der Aufrechnung ist nur für Insolvenzgläubiger geregelt (§§ 94 ff. InsO), nicht für Massegläubiger, und ein Aufrechnungsverbot gehört nicht zu den geregelten Rechtsfolgen angezeigter Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff. InsO). Nach ganz allgemeiner, unangefochtener Auffassung ist das Vertrauen in Aufrechnungslagen geschützt, die zur Zeit der Unzulänglichkeitsanzeige schon bestanden haben (… BFH v. 04.03.2008 - VII R 10/06; …). Dagegen verfängt es nicht, wenn der Kläger auf die "absolute Priorität" der Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters verweist und auf ihren "ersten Rang der Befriedigung", den § 209 I Nr. 1 InsO vorsehe, dessen "zwingende Befriedigungsreihenfolge" durch eine Zulassung der Aufrechnung aufgehoben werde (…). Zum einen ist einzuwenden, dass die Befriedigungsreihenfolge des § 209 InsO erst Bedeutung erlangt, wenn die Masseunzulänglichkeit angezeigt ist; … Zu diesem Zweck sind schon bestehende gesicherte Rechtspositionen der Gläubiger - etwa die Aufrechnungslage - nicht zu entziehen (…). Der Insolvenzverwalter ist nicht übermäßig belastet, wenn ihm das Risiko zugewiesen wird, die drohende Masseunzulänglichkeit frühzeitig zu erkennen, um sie sodann rechtzeitig anzuzeigen und dem Vertrauen in die ungeschmälerte Durchsetzung von Masseforderungen im Wege der Aufrechnung dadurch die Grundlage zu entziehen. … Die Vergütungsforderungen des aufrechnenden Beklagten waren fällig. Sie stammen aus zu entgeltenden Leistungen, die er bis März 2017 erbrachte (…). Der Rückgewähranspruch (§ 143 I 1 InsO) entsteht (…) mit der Insolvenzeröffnung, der die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hier nachfolgte. Während der Zeitspanne zwischen Eröffnung und Anzeige bestand die Aufrechnungslage.
              

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Das Gericht führt aus, dass kein Anlass bestand, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung beruhe auf einer völlig unangefochten vertretenen Auffassung, so dass es einer erneuten revisionsgerichtlichen Befassung nicht bedürfe.

               

Anfechtungsrecht

InsbürO 2021, 291: Ausgleichskasse als Anfechtungsgegner für Winterbeschäftigungsumlage

BGH, Urt. v. 10.12.2020 – IX ZR 80/20, ZInsO 2021, 400

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Leitsatz des Gerichts:

Ist der Arbeitgeber zur Abführung der Winterbeschäftigungsumlage über die gemeinsame Einrichtung seines Wirtschaftszweigs oder über eine Ausgleichskasse verpflichtet, so ist in der Insolvenz des Arbeitgebers die gemeinsame Einrichtung oder Ausgleichskasse zur Rückgewähr einer in anfechtbarer Weise erlangten Zahlung der Umlage verpflichtet.
 

Aus der Begründung:

Rn. 19: In der zweiten Fallgruppe - bei der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Steuern - ist die Einzugsstelle … insoweit Anfechtungsgegnerin, als die Mittel von ihr im Innenverhältnis an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind. … Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen. … Rn. 21: … Die umlagefinanzierten Leistungen nach § 102 SGB III ergänzen das beitragsfinanzierte (…) Saison-Kurzarbeitergeld. … Die gemeinsame Einrichtung oder Ausgleichskasse führt die eingezogene Umlage an die Bundesagentur für Arbeit ab. Hierzu kann ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren vereinbart werden (§ 356 Abs. 1 Satz 4 SGB III). … Rn. 22: Daraus folgt, dass ein Arbeitgeber … die Winterbeschäftigungsumlage mit befreiender Wirkung nur an die Beklagte (= Lohnausgleichskasse) abführen kann (…). Dies beruht nicht auf einer Verfügung und damit einer freien Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit als der eigentlich Berechtigten, sondern auf gesetzlicher Anordnung. … Im Wege der Vollstreckung durch das von der Bundesagentur beauftragte Hauptzollamt beigetriebene Beträge sind ebenso an die Beklagte abzuführen. Dies rechtfertigt es, die Beklagte als Anfechtungsgegnerin anzusehen.

 

InsbürO 2021, 291: Zur Frist für die Anfechtung einer Sicherungsübereignung

OLG München, Beschl. v. 09.02.2021 – 5 U 6404/20, ZInsO 2021, 662

Zum Sachverhalt:

Zur Sicherung von Steuerrückständen des Schuldners i.H.v. 2.132.739,60 € schloss … mit dem Schuldner am … einen Sicherungsübereignungsvertrag, in dem der Schuldner sein Eigentum an einem Pferd namens Q. sowie an mehrere Uhren … übertrug. In der Folge erlangte … aus der Verwertung des Pferdes Q. am 29.04.2013 einen Betrag von 60.000 € sowie weitere 25.000 € aus der Verwertung der Uhren am 03.06.2013. Der Kläger (= Insolvenzverwalter) war … der Auffassung, ihm stehe hinsichtlich der aus der Verwertung des Pferdes Quentin sowie der Uhren durch den Beklagten erlangten Beträge ein Anspruch aus §§ 129, 133, 143 InsO zu. Dabei komme es für die Frist des § 133 Abs. 1 InsO nicht auf den Abschluss des Sicherungsvertrages, sondern auf die Zeitpunkte der Erlösauskehrung an.
 

Aus der Begründung:

2. Wie hingewiesen ist … die Rechtshandlung des Schuldners (Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags …) außerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 InsO von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am … erfolgt. Auch kommt es entscheidend auf diesen an, da die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen unmittelbar durch die Sicherungsübereignung des Pferdes "Q." und der Uhren an diesem Tag eingetreten sind und so das Schuldnervermögen bereits durch den Vertragsschluss verkürzt wurde, ohne dass noch ein weiterer Umstand hinzutreten musste (…). 3. Auf die spätere Verwertung der Gegenstände durch den Beklagten kommt es … nicht mehr an. Denn das Eigentum des Schuldners an den betreffenden Gegenständen ist bereits mit dem Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags und der damit einhergehenden Eigentumsübertragung auf den Beklagten übergegangen und damit seinem Vermögen verloren gegangen. … Denn verwertet ein Gläubiger ein eigenes, - ggf. wegen der nicht rechtzeitigen Ausübung des Anfechtungsrechts - insolvenzbeständiges Sicherungsrecht, so benachteiligt das die Insolvenzgläubiger nicht. Denn es handelt sich um einen wirtschaftlich neutralen Vorgang, da der Gläubiger nur das erhält, was ihm aufgrund des insolvenzbeständigen Sicherungsrechts zusteht (…).


Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt. Das Verfahren wird dort zum Zeitpunkt der Druckfreigabe unter dem AZ: IX ZR 30/21 geführt.

 

InsbürO 2021, 291 f.: Keine Anfechtung einer Zahlung durch Rechtsschutzversicherung

LG Frankfurt/M., Urt. v. 03.03.2021 – 2-28 O 17/20, ZInsO 2021, 926

Zum Sachverhalt:

Der Insolvenzschuldner nahm für einen Strafprozess gegen ihn eine Rechtschutzversicherung in Anspruch, um die Gebühren der Strafverteidiger zu zahlen. Der Insolvenzverwalter fordert Rückzahlung. Er ist der Ansicht, dass die Zahlungen direkt zur Abkürzung des Leistungsweges erfolgt seien; rechtlich hätten die Zahlungen aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners gestammt.
 

Aus der Begründung:

In den Zahlungen der Rechtsschutzversicherung kann keine Rechtshandlung des Schuldners gesehen werden. Es handelt sich um Handlungen des Rechtsschutzversicherers zwecks Erfüllung des Freistellungsanspruchs des Insolvenzschuldners. Dass der Insolvenzschuldner diese Art der Erfüllung ermöglicht hat, stellt keine Rechtshandlung dar. Denn grds. bleibt es dem Verpflichteten – also hier der Rechtsschutzversicherung – überlassen, auf welche Weise er/sie die geschuldete Befreiung von der Verbindlichkeit bewirken will, solange das geschuldete Ergebnis eintritt (… BGH, Urt. v. 16.07.2014 – IV ZR 88/13 Rn. 27 …).

 

Steuerrecht

InsbürO 2021, 292: Keine Ablaufhemmung für Festsetzung von Steuerguthaben im Insolvenzverfahren

BFH, Beschl. v. 09.12.2020 – XI B 10/20, WKRS 2020, 60337

(XI. Senat = u.a. zuständig für Umsatzsteuer)

Leitsatz des Gerichts:

Eine analoge Anwendung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO in Fällen einer Festsetzung von zu erstattender Steuern kommt während des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht in Betracht.
 

Aus der Begründung:

Rn. 1: … Das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH wurde mit dem Beschluss des Amtsgerichts X vom XX.12.1994 (Az. ...) eröffnet und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. … 2015 reichte der Kläger (= Konkursverwalter) beim FinA U eine Umsatzsteuererklärung für 1994 ein, mit der er einen Erstattungsanspruch i.H.v. ... DM (entspricht ... €) geltend machte. Das Finanzamt U lehnte eine entsprechende Festsetzung … u.a. unter Verweis auf den Eintritt einer Festsetzungsverjährung ab. … Rn. 8: Die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage (…), ob die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 13 AO a.F. sinngemäß auch für Steuererstattungsansprüche des Konkurs– bzw. Insolvenzverwalters gilt bzw. eine Unterbrechung der Festsetzungsverjährung gem. § 240 ZPO in diesen Fällen erfolgt, ist nicht klärungsbedürftig. Denn eine analoge Anwendung des § 240 Satz 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Der BFH hat dies bereits entschieden. Ebenso scheitert eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 13 AO a.F. … Rn. 11: Im Übrigen hat sich das FG maßgeblich zu Recht darauf bezogen, dass eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 240 ZPO bereits daran scheitere, dass eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz nicht vorliege (…). Die Rechte der Gläubiger, deren gemeinschaftliche Befriedigung das Insolvenzverfahren bezweckt (§ 1 InsO), sollen nicht beeinträchtigt werden (…). Ein Erstattungsbescheid über ein Umsatzsteuerguthaben verändert aber nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft, die Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind (…), so dass eine analoge Anwendung des § 240 ZPO ausscheidet. Rn. 12: Soweit in einem Revisionsverfahren die Rechtsfrage geklärt werden soll, ob eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 13 AO a.F. bei Erstattungsansprüchen des Konkursverwalters in Betracht komme, kann auch insoweit diese Frage als geklärt angesehen werden, da auch keine planwidrige Regelungslücke erkennbar ist.

 

InsbürO 2021, 292: Weiterhin keine Steuerbefreiung bei Sanierungsgewinnen

FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.03.2021 – 5 K 1689/20, ZInsO 2021, 1131 (rkr.)

Leitsatz des Gerichts:

Sanierungsgewinne können auch nach der gesetzlichen Neuregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (§ 3a EStG) nicht nach § 227 AO erlassen werden.
 

Aus der Begründung:

Mit Beschluss vom 28.11.2016 hat der Große Senat des BFH entschieden (GrS 1/15 …), dass der sog. Sanierungserlass, auf den die Kläger ihren Erlassantrag stützen, gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und keine geeignete Grundlage für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen darstellt. … Auch der zu dem vorgenannten Urteil des BFH vom 23.08.2017 (I R 52/14, …) am 29.03.2018 ergangene Nichtanwendungserlass (BStBl. I 2018, 588 …) verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, da es der Finanzverwaltung nicht zusteht, die bisherige Verwaltungspraxis unter Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Billigkeitsweg fortzusetzen. … Inzwischen hat der Gesetzgeber zwar eine Übergangsregelung geschaffen. Denn durch … (BGBl I 2018, 2338) wurde § 52 Abs. 4a Satz 1 und 2 EStG um einen Satz 3 ergänzt, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen § 3a EStG auch in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Schulden vor dem 09.02.2017 erlassen wurden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Regelungen des sog. Sanierungserlasses und des § 3a EStG sowohl in systematischer als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht deutlich unterscheiden (…). § 3a EStG ist eine Steuerbefreiungsvorschrift. Über ihre Anwendung ist bereits im Veranlagungsverfahren zu entscheiden. Soweit sie greift, entsteht die Einkommensteuer erst gar nicht. Dagegen wird über die im sog. Sanierungserlass vorgesehenen Maßnahmen in einem eigenständigen Billigkeitsverfahren entschieden, das - wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind - mit einem Erlass der Steuer nach § 227 AO seinen Abschluss findet (…). Daher kann in dem vorliegenden Billigkeitsverfahren nach § 227 AO kein Antrag auf Anwendung des § 3a EStG gestellt werden (…).

 

Insolvenztabelle

InsbürO 2021, 286 f.: Zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes durch öffentlich-rechtliche Gläubiger

LG Hamburg, Beschl. v. 11.03.2021 – 330 T 42/20, ZInsO 2021, 739

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Ein zulässiger Insolvenzantrag liegt vor, wenn einerseits die zugrunde liegenden Forderungen, andererseits der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Von diesen Anforderungen sind auch öffentlich-rechtliche Gläubiger nicht befreit.

2. Eine länger andauernde Nichtzahlung von Beiträgen kann lediglich als Indiz angesehen werden. Durch andere Umstände, wie z.B. geringe Gesamtforderung und geringe vorrangige Pfändungen, kann das Indiz entkräftet werden.
 

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Auch geringfügige Forderungen berechtigen zur Stellung eines Insolvenzantrages, es fehlt nicht das rechtliche Interesse gem. § 14 InsO (Schmerbach in: Frankfurter Kommentar zur InsO (kurz: FK-InsO), 9. Aufl., § 14 Rn. 120 f.). Bei Schuldnern, die relativ geringfügige Beträge nicht begleichen, spricht eine Vermutung für eine Zahlungseinstellung und damit Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 Abs. 2 InsO. Dies gilt insbesondere bei Sozialversicherungsbeiträgen, deren Nichtabführung gem. § 266a StGB strafbewährt ist (BGH, Beschl. v. 11.04.2013 - IX ZB 256/11 Rn. 10, ZInsO 2013, 1087). Damit setzt sich die vorliegende Entscheidung nicht auseinander. Problematisch ist vor diesem Hintergrund weiter die Bejahung einer Zahlungsunwilligkeit. Eine entsprechende Erklärung hat der Schuldner nicht abgegeben. Zahlungsunwilligkeit liegt vor, wenn ein zahlungsfähiger Schuldner sich böswillig weigert, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Der Schuldner hat den Nachweis zu führen, dass er über die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung seiner fälligen Verbindlichkeiten verfügt. Der Nachweis wird in der Praxis regelmäßig nicht geführt (Schmerbach in: FK-InsO, 9. Aufl., § 17 Rn. 44). Die Entscheidung ist daher abzulehnen.

 

Immobilienvermögen

InsbürO 2021, 292 f.: Ausbau-Beitragsbescheide als Masseverbindlichkeit trotz Bauabschluss vor Insolvenzeröffnung

VG Weimar, Urt. v. 25.02.2021 – 6 K 899/19 We, ZInsO 2021, 792

Zum Sachverhalt:

Ende 2015 fand eine Baumaßnahme mit dem Anschluss an eine Kläranlage ihren Abschluss. Am 01.09.2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 30.09.2016 erließ die Beklagte drei Beitragsbescheide. Es besteht Streit darüber, ob die festgesetzten Beträge als Insolvenzforderungen oder als Masseverbindlichkeit einzuordnen sind.


u.a. Argument der Beklagten:

Beitragsforderungen seien erst dann "begründet", wenn neben der sachlichen auch die persönliche Beitragspflicht entstanden sei. Die sachliche Beitragspflicht sei mit der Bauabnahme am 12.11.2015 entstanden, … § 4 Abs. 1 BGS-EWS sehe vor, dass die persönliche Beitragspflicht erst mit der Bekanntgabe an den Rechtsinhaber entstehe.
 

u.a. Argument des Klägers:

Wäre das "Begründetsein" der Beitragsforderung von der Entstehung der persönlichen Beitragspflicht abhängig, hätte es der Beklagte willkürlich in der Hand, durch Zuwarten mit der Bekanntgabe eine Aufwertung der Forderung zur Masseverbindlichkeit zu erreichen.
 

Aus der Begründung:

Die Teilbeitragsbescheide des Beklagten v. … betreffen keine Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO, denn sie waren zzt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet (§ 38 InsO). Eine Forderung aus dem Ausbaubeitragsrecht kann erst dann begründet sein, wenn auch die Beitragspflicht entstanden ist. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers (= Insolvenzverwalter) nicht schon mit Entstehen der sachlichen Beitragspflicht der Fall, sondern erst mit Entstehen der persönlichen Beitragspflicht (OVG Thüringen, Beschl. v. 27.09.2006 – 4 EO 1283/04, S. 6 f.; …). Durch das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht konkretisiert sich das Beitragsschuldverhältnis lediglich auf ein bestimmtes Grundstück, nicht hingegen auf eine bestimmte Person (…). … Den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu bestimmen, liegt im Rahmen der dem Abgabegläubiger zustehenden rechtlichen Gestaltungsmacht. Für die vom Kläger unterstellte Willkür bestehen hier keine Anhaltspunkte.
                     

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Entscheidung betrifft Insolvenzrecht und Verwaltungsrecht und macht insoweit die Problematik zwischen beiden Rechtsgebieten deutlich. Das Urteil basiert auf der Tatsache, dass erst mit dem Erlass der Bescheide die Forderung begründet sei. Die beim Lesen des Urteils auftretenden Fragen, ob Bescheide überhaupt noch erlassen werden durften (s. Analogie zum Steuerrecht, s. u.a. BFH, Urt. v. 05.04.2017 - II R 30/15 Rn. 13 m. Verweis auf § 251 Abs. 2 S. 1 AO) oder ob für die Entstehung der Masseverbindlichkeit nicht ein Handeln des Insolvenzverwalters in Form der Inbesitznahme des Grundstückes erforderlich gewesen wäre bzw. überhaupt geprüft wurde, bleiben offen. Die Berufung wurde nicht zugelassen, aber es ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Thüringer OVG unter dem Az.: 4 ZKO 213/21 anhängig. Wer eine ausführliche Stellungnahme zu dieser Entscheidung lesen möchte, kann diese von RAin Schweda in der ZInsO-Ausgabe 16/2021, S. 792 am Ende der Entscheidung finden.

 

Vollstreckungsrecht

InsbürO 2021, 288 f.: Zeitpunkt der Begründung des Anspruches auf Wertersatz

BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – IX ZB 6/20, ZInsO 2021, 847

Leitsatz des Bearbeiters:

Der Anspruch auf Einziehung von Wertersatz wird i.S.d. § 38 InsO bereits begründet, wenn der Schuldner den Vermögensgegenstand erlangt.
 

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:

Die Anordnungen der Einziehung von Wertersatz nehmen in Strafverfahren seit der Gesetzesänderung 2017 beständig zu. Gerade im Verhältnis zu laufenden Insolvenzverfahren ergeben sich hierbei einige interessante Fragen, von denen der 9. Zivilsenat des BGH hier die Frage der Begründung des Anspruchs i.S.d. § 38 InsO überzeugend klärt. Der Anspruch wird nicht erst mit der Anordnung durch das Strafgericht begründet, genauso wie die Steuerforderung nicht erst mit Erlass des entsprechenden Bescheids oder die Rückforderung einer Sozialleistung nicht durch den Rückforderungsbescheid begründet wird. Zur Frage, ob der durch die Einziehung festgesetzte Geldbetrag der Restschuldbefreiung unterliegt, hat der BGH bereits entschieden, dass dies nicht der Fall ist (BGH, Urt. v. 11.05.2010 - IX ZR 138/09, InsbürO 2010, 316 = ZInsO 2010, 1138). Der verurteilte Straftäter hat aber zur angeordneten Einziehung des Wertersatzes die Möglichkeit, nach § 459g StPO zu beantragen, dass die Vollstreckung zu unterbleiben hat, wenn der Wert in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden ist. Dies ist bei Insolvenzantragstellung regelmäßig der Fall. Die Zwangsvollstreckung darf nur dann wiederaufgenommen werden, wenn aus der Straftat erlangtes Vermögen wiederauftaucht, nicht aber, wenn der Verurteilte nach der Restschuldbefreiung wieder zu Vermögen kommt.

 

InsbürO 2021, 293: Vollstreckungsmöglichkeiten für Bußgelder im Insolvenzverfahren

LG Potsdam, Beschl. v. 22.02.2021 – 24 Qs 71/20, ZInsO 2021, 865 (rkr.)

Leitsätze des Gerichts:

1. Die insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbote gem. § 89 InsO und § 294 InsO erfassen auch Bußgelder, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind. Dies steht auch der Anordnung von Erzwingungshaft zur Durchsetzung solcher Bußgelder entgegen. Hingegen können Bußgeldforderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind, vollstreckt werden.

2. Für die Dauer eines gesetzlichen Vollstreckungsverbotes ruht die Verjährung der Bußgeldforderung.


Aus der Begründung:

Ob die insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbote gem. § 89 Abs. 1 InsO und § 294 Abs. 1 InsO die Beitreibung von Bußgeldforderungen erfassen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, ist umstritten. … Die Kammer schließt sich nunmehr in Abkehr von ihrer bisherigen Rechtsprechung der zuletzt dargestellten - mittlerweile wohl überwiegenden - Auffassung an. … Die Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften ist auch nicht durch § 96 OWiG als eine sie etwa verdrängende Sondervorschrift ausgeschlossen (…). … Nur vorsorglich ist zu ergänzen, dass damit dem Schuldner kein Freibrief zur Begehung von Ordnungswidrigkeiten erteilt wird, da die Vollstreckung von nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Bußgeldforderungen von den Regelungen der §§ 89, 294 InsO nicht berührt wird (…).
 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Zuletzt hatten wir zu dieser Thematik die Entscheidung des LG Stuttgart (Beschl. v. 10.06.2020 – 9 Qs 29/20, InsbürO 2020, 379 = ZInsO 2020, 1592) veröffentlicht. Henning hatte dazu eine Auflistung erstellt, welche anderen Gerichte die Anordnung von Erzwingungshaft ebenfalls für unzulässig erachten (so bspw. LG Duisburg, Beschl. v. 05.07.2017 – 69 Qs 22/17, InsbürO 2017, 429 = WKRS 2017, 17237) und welche diese für zulässig erklärt haben (so bspw. LG Deggendorf, Beschl. v. 28.03.2012 – 1 Qs (b) 62/12, ZInsO 2012, 2206).                   

 

InsbürO 2021, 293 f.: Zur Voraussetzung für die Einholung von Auskünften Dritter

BGH, Beschl. v. 14.01.2021 – I ZB 53/20, ZInsO 2021, 849

  1. I.Senat = zuständig für u.a. Urheberrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Speditions-, Lager- und Frachtrecht)


Leitsatz des Gerichts:

Ein Gläubiger, der gem. § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO den Gerichtsvollzieher beauftragt, Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners i.S.d. § 802l ZPO einzuholen, muss nicht selbst gem. § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben oder stellen, eine Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO einzuholen (Fortführung von BGH, Beschl. v. 20.09.2018 – I ZB 120/17, … Rn. 15; … v. 16.05.2019 – I ZB 79/18, … Rn. 8).

 

Vergütungsrecht

InsbürO 2021, 294: Vergütungsfestsetzung mit etlichen Zuschlägen

AG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2021 – 254 IN 39/15, ZInsO 2021, 634 (rkr.)

Aus der Begründung:

Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Geschäftsführung im vorliegenden Verfahren ist die Festsetzung einer Erhöhung des Regelsatzes auf 263,73 % und damit auf den Betrag von 91.886,85 EUR gerechtfertigt.
 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Der Insolvenzverwalter hatte mehrere Zuschläge beantragt, die in der Entscheidung aufgeführt werden. Tlw. werden sie abgelehnt, tlw. bewilligt:

  • Zuschlag Betriebsfortführung für einen Monat und 30 Mitarbeiter: grds. 30 %, allerdings in Folge Kürzung wg. erhöhter Regelvergütung durch erzielten Überschuss
  • Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion: Ablehnung, weil Tätigkeiten im Zuschlag für Betriebsfortführung bereits enthalten
  • Umfangreiche und schwierige Verwertungshandlungen (z.B. 1263 einzelne Forderungen gegen 300 Debitoren, 60 Genossen): 60 %
  • besondere hohe Gläubigeranzahl (47 Stck.): 20 %
  • Aus- und Absonderungsrechte: für Fahrzeuge u. Immobilie: abgelehnt, weil Regelaufgabe, für Eigentumsvorbehalt Lieferanten und Raumsicherungsvertrag: 50 %
  • Befassung mit Beteiligungen: 40 %
  • Minderung wg. Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter: 20 %.
     

Auf der einen Seite benennt das Insolvenzgericht verwaltertypische Regelaufgaben und lehnt die beantragten Zuschläge insoweit ab oder kürzt sie. Das ist zunächst einmal gut, um der häufig genannten Annahme entgegenzuwirken, Insolvenzgerichte würde die Vergütungsanträge „durchwinken“. Die bewilligten Zuschläge bleiben aber dennoch tlw. überraschend. So stellen 47 Gläubiger den Normalfall dar, der keinen Zuschlag von 20 % rechtfertigt. Als Faustregel gilt, dass ein Zuschlag ab 100 Gläubiger in Betracht kommt (BGH, Beschl. v. 11.05.2006 - IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642), wobei es nicht zwingend auf die Anzahl an sich ankommt, sondern auf die Bearbeitungsintensität (BGH, Beschl. v. 22.06.2017 – IX ZB 65/15, InsbürO 2017, 474 = ZInsO 2017, 1694). Damit wird die vorstehend Entscheidung aber nicht begründet. Auch die Höhe der Zuschläge für die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte sowie für die Befassung der Beteiligungen erscheinen zumindest hoch gegriffen, wobei detaillierte Informationen zum Hintergrund fehlen, aber genau das irritiert, denn die Höhe der anderen Zuschläge wird näher begründet. Insoweit kann der Entscheidung auch nicht entnommen werden, ob eine Gesamtwürdigung aller Zuschläge i.S.d. BGH-Rechtsprechung (Beschl. v. 11.05.2006 - IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642) stattgefunden hat. Es besteht jedenfalls keine Bindung an irgendwelche Faustregeltabellen, sondern die Bemessung hat im Einzelfall unter Würdigung der Gesamtumstände zu erfolgen (BGH, Beschl. v. 22.03.2007 - IX ZB 201/05, ZInsO 2007, 370).

           

Europäisches / internationales Recht

InsbürO 2021, 294 f.: Zuständigkeit für angefochtene Zahlung

EuGH, Urt. v. 22.04.2021 – C-73/20, ZInsO 2021, 1068

Aus der Begründung:

Rn. 27: Da im vorliegenden Fall das im Ausgangsverfahren fragliche Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet wurde, gilt nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 für dieses Verfahren und seine Wirkungen das deutsche Recht. … Rn. 29: Da diese Zahlung jedoch erfolgte, um eine vertragliche Verpflichtung von T aus dem mit E geschlossenen Vertrag zu erfüllen und dieser Vertrag niederländischem Recht unterliegt, stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob für die Zwecke der Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 diese Zahlung ebenfalls niederländischem Recht unterliegt. … Rn. 31: I.Ü. ist im Einklang mit den mit Art. 13 dieser Verordnung verfolgten Zielen … festzustellen, dass eine Partei eines Vertrags, die in Erfüllung dieses Vertrags eine Zahlung erhalten hat, davon ausgehen können muss, dass das auf diesen Vertrag anwendbare Recht auch für diese Zahlung gilt, und zwar auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Rn. 32: Dies gilt auch für den Fall, dass die Zahlung nicht durch den Vertragspartner dieser Partei, sondern durch einen Dritten erfolgt, da für diese Partei offensichtlich ist, dass dieser Dritte mit der betreffenden Zahlung beabsichtigt, die dem Vertragspartner obliegende vertragliche Zahlungsverpflichtung zu erfüllen. In diesem Fall muss die betreffende Partei daher auch erwarten können, dass für die fragliche Zahlung auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weiterhin das Recht gilt, dem der Vertrag unterliegt, der ihre Rechtsgrundlage bildet. Rn. 33: Eine Vertragspartei, die von ihrem Vertragspartner oder von einem Dritten in Erfüllung des Vertrags eine Zahlung erhalten hat, kann nämlich vernünftigerweise nicht verpflichtet sein, vorherzusehen, dass gegen diesen Vertragspartner oder den Dritten evtl. ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und in welchem Mitgliedstaat dies ggf. erfolgen wird. … Rn. 40: Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 und Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 593/2008 dahin auszulegen sind, dass das nach der letztgenannten Verordnung auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch für die Zahlung maßgeblich ist, die ein Dritter zur Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtung einer Vertragspartei leistet, wenn diese Zahlung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als Handlung, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt, angefochten wird.                 

 

Allgemeines

InsbürO 2021, 295 f.: Nachlasszeugnis für Nachlassinsolvenzverwalter als Legitimationspapier

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 09.02.2021 – 21 W 151/20, ZInsO 2021, 789 (rkr.)

Leitsätze des Gerichts:

1. Art. 76 EuErbVO steht der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses für einen Nachlassinsolvenzverwalter nicht entgegen.

2. Der Nachlassinsolvenzverwalter ist Antragsberechtigter i.S.d. Art. 63 EuErbVO.
 

Aus der Begründung:

Eine Auskunft über Bankkonten des Erblassers bei einer kroatischen Bank hat diese für den Fall des Nachweises der Befugnis in Aussicht gestellt. … Am … beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das seine Stellung als vorläufiger Nachlassinsolvenzverwalter bescheinigt. … Das Europäische Nachlasszeugnis sei als Legitimationsnachweis gegenüber der kroatischen Bank erforderlich, welche die Auskunft von einem entsprechenden Nachweis abhängig gemacht habe. … Das Nachlassgericht hat … den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein europäisches Nachlasszeugnis mit dem beantragten Inhalt sei in der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) nicht vorgesehen. Die Nachlassinsolvenz falle in den Regelungsbereich der EuInsVO und nicht unter die Regelungen der EuErbVO. … Da mit dem Europäischen Nachlasszeugnis eine – einfache – Nachweismöglichkeit der Befugnisse im internationalen Rechtsverkehr besteht, ist es sachgerecht, dem Nachlassinsolvenzverwalter die Führung eines Nachweises über seine Befugnisse, den die EuInsVO selbst nicht vorsieht, zu ermöglichen. Hierfür streitet auch der Erwägungsgrund Nr. 67 EuErbVO, nach dem die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses dem Zweck dient, eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union zu ermöglichen.
                 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Das Gericht hat die Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG zugelassen. Die Frage, ob dem Nachlassinsolvenzverwalter ein Europäisches Nachlasszeugnis ausgestellt werden könne, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. In der Literatur werde bislang vorwiegend eine a.A. vertreten. Die Rechtsbeschwerde wurde aber nicht eingelegt.

 

InsbürO 2021, 296: PKH-Bewilligung auch für Berufung nach Gewährung für I. Instanz

BGH, Beschl. v. 04.03.2021 - IX ZB 17/20, WKRS 2021, 14108

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Aus der Begründung:

Rn. 11: Wurde der Partei, die Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren beantragt, bereits für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, kann sie bei im Wesentlichen unveränderten Vermögensverhältnissen im Grundsatz darauf vertrauen, dass auch das Gericht des zweiten Rechtszugs ihre Bedürftigkeit annimmt (…). Die Partei braucht regelmäßig nicht damit zu rechnen, dass im zweiten Rechtszug strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit gestellt werden (…). In einem solchen Fall kann es ausreichen, auf die im ersten Rechtszug gemachten Angaben Bezug zu nehmen, wenn zugleich unmissverständlich mitgeteilt wird, dass seitdem keine Änderungen eingetreten sind (…).