Fragen und Antworten

Hier finden Sie alle Antworten zu häufig gestellten Fragen rund um die Themen Sanierung & Restrukturierung und Insolvenz.


Absonderung

Abgesonderte Befriedigung kann beanspruchen, wer Inhaber eines Sicherungsrechts an einem Gegenstand oder an einem Recht des Schuldners ist (§§ 49 ff. InsO). Absonderungsrechte begründen: Grundschuld und Hypothek, vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht (z.B. Vermieter- oder Werkunternehmerpfandrecht), Sicherungsübereignung von beweglichen Sachen, Sicherungsabtretung von Forderungen, die abgetretene Forderung beim verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt. Bei der Absonderung gehört der Gegenstand oder das Recht, auf das sich das Sicherungsrecht bezieht, zur Insolvenzmasse und unterliegt daher regelmäßig dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 166 InsO). Der Absonderungsgläubiger wird aber aus dem Erlös des Sicherungsguts vorab befriedigt, maximal bis zur Höhe seiner Forderung. 4% des Bruttoerlöses stehen als Verfahrenskostenbeiträge der Insolvenzmasse stets zu und weitere 5% des Bruttoerlöses, wenn die Verwertung/Einziehung des Sicherungsguts durch den Insolvenzverwalter erfolgt; zusätzlich ist der Umsatzsteueranteil dem Erlös vorab zu entnehmen, wenn die Insolvenzmasse Umsatzsteuer abzuführen hat (§ 171 InsO). Eine entsprechende Abrechnung erteilt der Insolvenzverwalter, sobald der Gegenstand verwertet ist.

Die Geltendmachung des Absonderungsrechts soll möglichst umgehend nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter unter Vorlage der entsprechenden Nachweise erfolgen (§ 28 Abs. 2 InsO). Dies kann auch zusammen mit der Forderungsanmeldung zur Tabelle geschehen (im Formular der Forderungsanmeldung bitte anzukreuzen). Eine eigenmächtige Wegnahme oder Abholung des Sicherungsguts ist unzulässig.

Abwehr von Haftungs- und Anfechtungsansprüchen

Geschäftsführerhaftung

  • Bei finanziellen Krisen entstehen für Geschäftsführer sehr hohe zivil- und strafrechtliche Gefahren. Oft versucht der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu retten, ohne dass er hierbei seine persönliche Haftung im Blick hat. Im Gegensatz dazu haben der Gesetzgeber und die Rechtsprechung besondere Pflichten formuliert. Sie sollen gewährleisten, dass der Geschäftsführer sein Unternehmen frühzeitig in ein Insolvenzverfahren führt, um die vorhandenen Vermögenswerte zu erhalten.
  • In diesem Spannungsfeld ist es nahezu unmöglich, ein Unternehmen in der Krise zu führen, ohne Pflichtverletzungen zu begehen, welche eine persönliche Haftung auslösen können. Insbesondere bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs ergeben sich oft unvorhergesehene Risiken. So haftet ein Geschäftsführer - bis auf wenige Ausnahmen - für alle Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Vielen Geschäftsführern ist dabei nicht bewusst, dass das unter bestimmten Voraussetzungen auch für eingehende Zahlungen auf einem debitorisch geführten Kontokorrentkonto gelten kann. Erfahrungsgemäß kann in sehr kurzer Zeit ein ganz erhebliches Haftungsvolumen entstehen.
  • Weitere Risiken bestehen u.a. bei der Verletzung der Insolvenzantragspflicht, bei nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern (Haftungsbescheid) sowie im Falle des nicht vollständig eingezahlten Stammkapitals.
  • Ein Geschäftsführer ist gut beraten, wenn er seine Haftungsrisiken sorgfältig minimiert. Als Insolvenzverwalter setzen wir seit vielen Jahren Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung außergerichtlich und gerichtlich erfolgreich durch. Die daraus gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse setzen wir ein, um Sie bei der Minimierung von Haftungsrisiken zu beraten und geltend gemachte Haftungsansprüche abzuwehren.

Anfechtungsansprüche

  • Als Unternehmer ist es nicht ungewöhnlich, mit der Krise eines seiner Vertragspartner konfrontiert zu werden.
  • Gelingt es trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kunden, von ihm noch Zahlungen bzw. Sicherungen zu erhalten, sieht er sich häufig Rückforderungsansprüchen des späteren Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Kunden ausgesetzt. Dieser kann Vermögensverschiebungen, insbesondere Zahlungen, in den letzten Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechten und somit rückgängig machen.
  • Infolge ihrer Spezialisierung verfügen die Insolvenzverwalter über einen enormen Wissensvorsprung. Diesen gleichen wir für unsere Mandanten aus. Als aktive Insolvenzverwalter kennen wir die Schwachstellen einer Inanspruchnahme. So ist der Insolvenzverwalter häufig nicht in der Lage, die subjektiven Voraussetzungen (z.B. die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners) der entsprechenden Anfechtungsnorm nachzuweisen.
  • Auch die von den Insolvenzverwaltern herangezogenen Beweisanzeichen müssen nicht hingenommen werden, sondern sind angreifbar.
  • Oftmals bestehen auch Besonderheiten in der Geschäftsbeziehung mit dem Vertragspartner, welche eine erfolgreiche Anfechtung durch den Insolvenzverwalter vereiteln.
  • In allen Fällen ist es jedoch entscheidend, sich eines Spezialisten zu bedienen, um so “Waffengleichheit“ herzustellen. Zuerst prüfen wir, ob die geltend gemachten Anfechtungsansprüche berechtigt sind. Dazu analysieren wir jedes Tatbestandsmerkmal unter Berücksichtigung der gelebten Geschäftsbeziehung. Unberechtigte Ansprüche wehren wir ab. Bei nicht eindeutigen Ansprüchen führt unsere Analyse regelmäßig dazu, das Prozessrisiko für den Insolvenzverwalter erheblich zu erhöhen. Das kann das Absehen von der Weiterverfolgung der Ansprüche oder auch das Einschlagen des Verhandlungsweges zur Folge haben.

Fallbeispiele

  • Haftungsansprüche gegenüber der Geschäftsführung oder Dritten und Anfechtungsansprüche sind in diversen Gesetzen geregelt. Man findet sie sowohl in der Insolvenzordnung, als auch im BGB, dem HGB, dem GmbHG oder der Abgabenordnung.
  • Beispielhaft und nicht abschließend seien nachfolgend einige Fallkonstellationen dargestellt:
    • Ein Gesellschafter stellt seiner Gesellschaft ein Darlehen zur Verfügung und erhält es ganz oder teilweise binnen eines Jahres vor dem Insolvenzantrag zurück.
    • Ein Bürge kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb eines Jahres vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die der Bürgschaft zugrunde liegende Schuld ganz oder teilweise getilgt worden ist.
    • Auch schon vor Eintragung einer GmbH im Handelsregister haftet der Handelnde für die begründeten Verbindlichkeiten, wenn es zum Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH in Gründung kommt.
    • Geschäftsführer, aber auch unter bestimmten Voraussetzungen die Gesellschafter haften für Insolvenzverschleppung.
    • Die Geschäftsführerhaftung besteht bei Verstößen gegen die Kapitalerhaltungspflicht.
    • In gleicher Weise kann eine Haftung bestehen, wenn die Stammeinlage nicht vollständig erbracht worden ist.
    • Auch ein faktischer Geschäftsführer, der maßgebliche Entscheidungen trifft, aber nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, kann insoweit entsprechend den Grundsätzen der Geschäftsführerhaftung haften.
    • Bei Gesellschaftern besteht im Falle von Existenzvernichtung ebenfalls ein Haftungsanspruch gegen diese.
    • Gläubiger, die in Zeiträumen von 1 bis 3 Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Sicherungen oder Zahlungen erhalten haben, auf die sie in der gewährten Form keinen Anspruch hatten (inkongruente Deckung), können auf Rückzahlung verklagt werden.
    • Auch wenn ein Anspruch auf Sicherung oder Zahlung bestanden hatte, kann die entsprechende Zahlung an den Gläubiger anfechtbar und damit zurückzuführen sein, wenn in den letzten 3 Monaten vor Eröffnung des Insolvenzerfahrens geleistet wurde und Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis hiervon bestanden hat bzw. wenn Zahlungen nach dem Eröffnungsantrag geleistet wurden (kongruente Deckung).
    • Die Aufrechnung mit Gegenforderungen kann anfechtbar sein.
    • Anfechtbar können Druckzahlungen sein.
  • Die vorstehende Aufzählung ist unvollständig und es sind zahlreiche weitere Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme zu prüfen, wie Gläubigerbenachteiligung, Kenntnis usw.

Aussonderung

Gegenstände oder Rechte, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, können ausgesondert werden (§ 47 InsO). Dies geschieht i.d.R. durch Herausgabe. Aussonderung können verlangen: Eigentümer (aber nicht bei bloßem Sicherungseigentum), Eigentumsvorbehaltsverkäufer; Erwerber einer abgetretenen Forderung (aber nicht bei bloßer Sicherungsabtretung), Vermieter und Leasinggeber nach Beendigung des Miet- oder Leasingvertrages. Solche Aussonderungsansprüche sind gegenüber dem Insolvenzverwalter unter Vorlage der entsprechenden Nachweise geltend zu machen; die betroffenen Gegenstände dürfen nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters abgeholt werden (Holschuld).

Forderungsanmeldung

Insolvenzforderungen sind beim Insolvenzverwalter – nicht beim Insolvenzgericht – anzumelden. Bitte beachten Sie dabei das dem Aufforderungsschreiben beigefügte Merkblatt, insb. dass die Anmeldung in zweifacher Ausfertigung einzureichen ist. Erfolgt die Forderungsanmeldung durch einen Bevollmächtigten, ist diese nur wirksam, wenn ihr eine besondere Vollmacht für das Insolvenzverfahren beigefügt wird.

Gem. § 174 Abs. 2 InsO muss die Forderungsanmeldung enthalten:

  • genaue Bezeichnung des Rechtsgrunds der Forderung (z.B. Darlehensvertrag vom …., Mietzins für den Monat …. betreffend das Objekt …., Lieferung gem. Rechnung vom …. etc.)

  • Bezifferung der Forderung mit einem bestimmten Betrag in Euro. Unbezifferte Anmeldungen sind unzulässig und werden nicht zur Tabelle aufgenommen. Falls die genaue Höhe des Anspruchs noch nicht feststeht, ist diese mit dem Schätzbetrag anzugeben. Forderungen in ausländischer Währung sind vom Gläubiger zum Kurswert am Tag der Insolvenzeröffnung umzurechnen.

  • Will der Gläubiger in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person geltend machen, dass sein Anspruch (ganz oder teilweise) auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruht, so ist darauf bei der Forderungsanmeldung hinzuweisen; außerdem hat der Gläubiger die Tatsachen anzugeben, woraus sich nach seiner Meinung die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners ergibt. Ansonsten nimmt die Forderung an der Restschuldbefreiung teil. 

Urkunden (wie Urteile, Vollstreckungsbescheide, Schecks) sollen der Anmeldung möglichst im Original beigefügt werden, da der Auszug aus der Insolvenztabelle einen Titel darstellt und vermieden werden muss, dass ggf. später zwei Titel für dieselbe Forderung existieren. Die Originalurkunden erhält der Gläubiger nach dem gerichtlichen Prüfungstermin, versehen mit dem entsprechenden Prüfungsvermerk, zurück.

Zinsen sind gesondert und ebenfalls beziffert anzumelden, und zwar unter Angabe des Zinssatzes und des Zeitraumes, für den Zinsen beansprucht werden, längstens jedoch bis zum Stichtag vor Insolvenzeröffnung. Zinsen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können nur angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht hierzu besonders auffordert (nachrangige Insolvenzforderung). Kosten, die dem Gläubiger vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, können ebenfalls nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden und sind gesondert nachzuweisen.

Kosten, die dem Gläubiger durch die Teilnahme am Insolvenzverfahren erst nach der Insolvenzeröffnung entstehen (insb. Rechtsanwaltsgebühren für die Forderungsanmeldung) sind ebenfalls nachrangige Insolvenzforderungen und können nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht dazu gesondert auffordert.

Forderungsprüfung, Feststellung und Bestreiten von Forderungen

Die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen werden im Prüfungstermin (oder auf Anordnung des Gerichts im schriftlichen Verfahren) geprüft. Eine Forderung gilt als festgestellt, wenn ihr weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger widersprochen haben (§ 178 Abs. 1 InsO); die Feststellung zur Tabelle hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (§ 178 Abs. 3 InsO) und berechtigt zur Teilnahme an der Verteilung (§§ 187 ff. InsO). Der Widerspruch des Schuldners ist für die Forderungsfeststellung unbeachtlich (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO) und hat nur Bedeutung für eine etwaige Vollstreckung des Anspruchs nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Nur bei Eigenverwaltung verhindert auch der Widerspruch des Schuldners die Feststellung der Forderung (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO). Forderungen können ganz oder teilweise, nach ihrem Betrag oder ihrem Rang bestritten werden.

Für bestrittene Forderungen gilt:

  • Bei nicht titulierten Forderungen obliegt es dem Gläubiger, den Widerspruch zu beseitigen. Dies geschieht i.d.R. durch Feststellungsklage gegen den Bestreitenden im ordentlichen Rechtsweg vor den allgemeinen Zivilgerichten (§ 179 Abs. 1 InsO).

  • Liegt für die Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vor (Urteil, notarielles Anerkenntnis, Steuerbescheid etc.), so ist es Sache des Bestreitenden, den Widerspruch mit den allgemeinen zulässigen Rechtsmitteln weiter zu verfolgen (§ 179 Abs. 2 InsO).

Gesellschaften in der Krise

Wer ist betroffen?

Juristische Personen und sonstige Gesellschaften: AG, GmbH, GmbH & Co. KG, KG, OHG, GbR, Genossenschaft, Vereine – im Folgenden: „Gesellschaften".

Was ist eine Krise?

  • Die bestehenden Verbindlichkeiten können mit den laufenden oder in kürzerer Zeit zu erwartenden Einnahmen nicht mehr ausgeglichen werden.
  • Es werden derzeit unterschieden:
    • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): keine Möglichkeit, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen; ebenso bei Zahlungseinstellung
    • drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): bestehende Zahlungspflichten können im Zeitpunkt der Fälligkeit voraussichtlich nicht erfüllt werden
    • Überschuldung (§ 19 InsO): liegt vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Achtung: Vereine, Genossenschaften, KG, GbR

Beratung zu allg. Pflichten im Krisenfall

Es bestehen diverse Möglichkeiten der Sanierung und Restrukturierung bzw. Hilfe im klassischen Insolvenzverfahren, bei denen wir Sie beraten und unterstützen.

Schutzschirm für Unternehmen (Gesellschaften)

  • Schutzschirm

Eigenverwaltung für Unternehmen (Gesellschaften)

  • Eigenverwaltung

Insolvenz anmelden für Unternehmen (Gesellschaften)

  • Insolvenz anmelden

Insolvenzplan für Unternehmen (Gesellschaften)

  • Insolvenzplan

Begrenzung der Haftung der Organe

  • Abwehr von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen

Insolvenz und Europarecht für Unternehmen (Gesellschaften)

  • Insolvenz und Europarecht für Unternehmen (Gesellschaften)

Sanierung von Unternehmen (Gesellschaften) ohne Insolvenzverfahren

  • Sanierung ohne Insolvenzverfahren

Die Regelungen des StaRUG

Neues zur Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens und innerhalb eines Verfahrens durch das am 01.01.2021 in Kraft getretene SanInsFoG (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz) - Chancen und Risiken der neuen Rechtsvorschriften)


I. Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie – das StaRUG
Mit der beschlossenen EU-Richtlinie (EU 2019/1023) verpflichteten sich die Mitgliedstaaten der EU schon im Jahr 2019, Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement sowie eine Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen bei drohender Zahlungsunfähigkeit gesetzlich zu regeln. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber im SanInsFoG den Restrukturierungsrahmen als wesentliches (neues) Instrument kodifiziert: Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)

2. Zielgruppe des StaRUG:
restrukturierungsfähige Person, § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG
Juristische Personen und natürliche Personen (Die Richtlinie (EU) 2019/1023, Rn. 24, erzwingt keine Öffnung für natürliche Personen)

Dazu regelt der Gesetzgeber nun im nationalen Recht:

„§ 30 StaRUG - Restrukturierungsfähigkeit
(1) Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können vorbehaltlich des Absatzes 2 von jedem insolvenzfähigen Schuldner in Anspruch genommen werden. Für natürliche Personen gilt dies nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind.
(2) Die Bestimmungen dieses Kapitels sind auf Unternehmen der Finanzbranche im Sinne des § 1 Absatz 19 des Kreditwesengesetzes nicht anzuwenden.“

Die Insolvenzfähigkeit nach Abs. (1) ist in den §§ 11, 12 InsO geregelt. 

2. Ziele des StaRuG
Das Gesetz enthält hierzu - anders als § 1 InsO für das Insolvenzverfahren - keine Vorgaben. Solche lassen sich aber aus dem Regierungsentwurf des Gesetzes entnehmen, so in Ziff. A.II.1:
„Ein wesentliches Ziel des Entwurfs besteht in der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung frühzeitig eingeleiteter und gut vorbereiteter Sanierungen.“
„Erforderlich ist daher ein Rechtsrahmen, der es den Beteiligten eines Sanierungsvorhabens ermöglicht, das Vorhaben gegen den Widerstand einzelner umzusetzen. Ein solcher Rahmen soll in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie geschaffen werden.“

➔    Gewollt ist also eine Sanierung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens auch gegen den Widerstand einzelner Betroffener.

3. Instrumente des StaRuG:
3.1. Normierung einer Krisen-Früherkennung und eines Krisenmanagements
Hierzu wurde im Gesetz eine Überwachungspflicht der Organe festgelegt, und zugleich Handlungsvorgaben für Geschäftsleiter bei gefährlichen Entwicklungen eingeführt:

„§ 1 StaRUG - Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern
(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht.“

Eine solche geeignete Gegenmaßnahme ist auch und vor allem ein Restrukturierungsplan nach §§ 2 ff StaRUG, der der Entschuldung des Unternehmens dienen soll. Aber: eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung nach Abs. (1) führt nicht zu einer Haftung gegenüber den Gläubigern, sondern nur gegenüber dem Unternehmensträger, denn die Haftung gegenüber den Gläubigern ist in § 43 Abs. 1 StaRUG, wo nur die nicht gewissenhafte Betreibung des Restrukturierungsplanes sanktioniert wird, abschließend geregelt:

„§ 43 StaRUG - Haftung
(1) 1Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 15a Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 der Insolvenzordnung, wirken dessen Geschäftsleiter darauf hin, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Für die Verletzung dieser Pflicht haften sie dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schaden, es sei denn sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten.“

   ➔    Nach dem StaRUG gibt es keine Haftung des Geschäftsleiters bei Fehlhandlungen im Rahmen der Krisenfrüherkennung gem. § 1 Abs. (1) StaRUG.

3.2. Installation eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens
Mit dem StaRUG wurde ein Restrukturierungsplan als Instrument zur finanzwirtschaftlichen Restrukturierung von Unternehmen geschaffen. Eine Definition eines Restrukturierungsplans fehlt indessen.

Der Restrukturierungsplan dient gemäß § 2 StaRUG der Neugestaltung von Rechtsverhältnissen wie

  • die Forderungen gegen den Schuldner,
  • der an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden,
  • vertragliche Nebenbestimmungen,
  • der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen,
  • die Rechte gegenüber bürgenden Tochterunternehmen und Mitschuldnern und
  • die bedingten oder noch nicht fälligen Forderungen, § 3 StaRUG

Dabei gibt es aber auch Rechtsverhältnisse, in die durch den Plan nicht eingegriffen werden kann. Restrukturierungsplanfest sind gem. § 4 StaRUG insbesondere:

  • Forderungen von Arbeitnehmern inkl. Renten,
  • Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen,
  • Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Geldstrafen, Geldbußen, etc.),
  • bei natürlichen Personen: Forderungen und Absonderungsanwartschaften, die mit der unternehmerischen Tätigkeit in keinem Zusammenhang stehen.

Zum notwendigen Inhalt eines Restrukturierungsplans gehören (wie beim Insolvenzplan):

  • Darstellender Teil, § 6 StaRUG,
  • Gestaltender Teil, § 7 StaRUG,
  • Erklärung zur Bestandsfähigkeit, § 14 Abs. 1 StaRUG,
  • Vermögensübersicht, § 14 Abs. 2 StaRUG,
  • Ergebnis- und Finanzplan, § 14 Abs. 2 StaRUG,
  • evtl. Erklärung zur Fortführungsbereitschaft, § 15 Abs. 1 StaRUG,
  • ggf. Zustimmung zur Übernahme von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, § 15 Abs. 2 StaRUG,
  • ggf. Verpflichtungserklärung Dritter, § 15 Abs. 3 StaRUG,
  • ggf. Zustimmung von Tochterunternehmen, § 15 Abs. 4 StaRUG.

Formale Anforderungen an einen Restrukturierungsplan mit notwendigen Angaben gemäß Anhang zu § 5 Satz 2 StaRUG:

  • Firma oder Namen und Vornamen,
  • Geburtsdatum,
  • Registergericht und Registernummer,
  • Geschäftszweig oder Beschäftigung,
  • Gewerbliche Niederlassung oder Wohnung des Schuldners,
  • Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans,
  • Bewertung der Vermögenswerte,
  • Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und der Position der Arbeitnehmer,
  • Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der Schwierigkeiten des Schuldners,
  • die Planbetroffenen, die entweder namentlich zu benennen oder unter hinreichend konkreter Bezeichnung der Forderungen oder Rechte zu beschreiben sind,
  • die Gruppen, in welche die Planbetroffenen für die Zwecke der Annahme des Restrukturierungsplans unterteilt wurden, und die auf deren Forderungen und Rechte entfallenden Stimmrechte,
  • die Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden, zusammen mit einer Erläuterung der Gründe für die unterbliebene Einbeziehung,
  • Name und Anschrift des Restrukturierungsbeauftragten, sofern ein solcher bestellt ist,
  • Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse sowie Entlassungen und Kurzarbeiterregelungen und die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung,
  • sofern der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung (§ 14 StaRuG) vorsieht, die Gründe für die Erforderlichkeit dieser Finanzierung.

Der darstellende Teil enthält (teilweise über Anforderungen an einen Insolvenzplan nach § 220 InsO hinausgehend) gem. § 6 StaRUG:

  • Beschreibung der Grundlagen und der Auswirkungen des Restrukturierungsplan,
  • alle Angaben, die für die Entscheidung der Planbetroffenen über die Zustimmung und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind,
  • Hervorhebung der Restrukturierungsmaßnahmen, die nicht über den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden können oder sollen,
  • Vergleichsrechnung, in der die Auswirkungen des Plans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen dargestellt werden,
  • bei Eingriffen in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten: Darstellung auch der Verhältnisse des die Sicherheit gewährenden Tochterunternehmens und der Auswirkungen des Plans auf dieses Unternehmen.

Der gestaltende Teil enthält (teilweise über Anforderungen an einen Insolvenzplan nach § 221 InsO hinausgehend) gem. § 7 StaRUG:

  • Festlegung, wie in die Rechtstellung der Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (Planbetroffenen) durch den Plan eingegriffen werden und diese geändert werden sollen,
  • bei Gestaltung von Restrukturierungsforderungen: Absonderungsanwartschaften, Bestimmung, um welchen Bruchteil diese gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert und welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen,
  • bei Gestaltung vertraglicher Nebenbestimmungen und Vereinbarungen nach § 2 Abs 2 StaRUG, Festlegung, wie die Nebenbestimmungen und Vereinbarungen abgeändert werden sollen,
  • ggf. Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner,
  • ggf. Festlegung von Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen, Leistung von Sacheinlagen, Ausschluss von Bezugsrechten, Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber, Barabfindungen,
  • sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommen werden, § 13 StaRUG,
  • ist im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit, § 11 S. 1 StaRUG,
  • Restschuldbefreiung muss nicht zwingend im Restrukturierungsplan geregelt werden! Die Restschuldbefreiung kann auch für unbeschränkt haftende Gesellschafter geregelt werden (§ 11 S. 2 StaRUG).

Formale Anforderungen an einen Restrukturierungsplan:

  • Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen gem. § 9 StaRUG mit unterschiedlicher Rechtsstellung,
  • Unterscheidung zwischen
  1. Inhaber von Absonderungsanwartschaften;
  2. Inhaber von Forderungen, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als einfache, nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären, zuzüglich darauf entfallender Zinsen und Säumniszuschläge (einfache Restrukturierungsgläubiger);
  3. Inhaber von Forderungen, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 1 Nrn. 4, 5 oder Abs. 2 InsO nur als nachrangige Insolvenzforderungen anzumelden wären (nachrangige Restrukturierungsgläubiger), wobei für jede Rangklasse eine Gruppe zu bilden ist;
  4. Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten;
  5. Kleingläubiger sind gemäß § 9 Abs. 2 StaRUG zu eigenständigen Gruppen zusammenzufassen.
  • Sieht der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans Eingriffe in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vor, bilden die davon betroffenen Gläubiger eine eigenständige Gruppe;
  • ggf. weitere Unterteilungen möglich.

Auswahl der Planbetroffenen gem. § 8 StaRUG

  • Die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen;
  • die Kriterien sind im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern;
  • eine Auswahl gilt dabei als sachgerecht, wenn
  1. nicht einbezogene Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden,
  2. die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint,
  3. insbesondere ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden,
  4. Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben,
  5. sämtliche Forderungen einbezogen werden, mit Ausnahme der nach § 4 StaRUG restrukturierungsfesten Forderungen.

Die Planbetroffenen sind nach § 10 StaRUG nach den folgenden Kriterien gleich zu behandeln:

  • Innerhalb jeder Gruppe sind allen Planbetroffenen gleiche Rechte anzubieten;
  • Eine unterschiedliche Behandlung der Planbetroffenen in einer Gruppe ist nur mit Zustimmung aller Planbetroffenen, zu deren Lasten die unterschiedliche Behandlung geht, zulässig;
  • Abkommen des Schuldners oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, sind nichtig;
  • Der Restrukturierungsplan wird durch den Schuldner (und seinen Beratern) erstellt und von ihm den Planbetroffenen zur Prüfung und Entscheidung über die Annahme des Restrukturierungsplan übermittelt; dabei ist Art und Weise der Übermittlung des Planangebots nicht geregelt;
  • Das Planangebot unterliegt grundsätzlich der Schriftform nach §§ 126ff. BGB.
  • Aus dem Planangebot muss hervorgehen,
  1. mit welchen Forderungen oder Rechten der jeweilige Planbetroffene in den Restrukturierungsplan einbezogen ist,
  2. welchen Gruppen der Planbetroffene zugeordnet ist und
  3. welche Stimmrechte die ihm zustehenden Forderungen und Rechte gewähren, (§ 17 Abs. 2 StaRUG).
  • Die Annahmefrist muss gem. § 19 StaRUG mindestens 14 Tage betragen.
  • Der Schuldner kann nach § 20 StaRUG die Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan im Rahmen einer Versammlung abstimmen lassen.
  • Wenn der Schuldner vor Abgabe des Planangebots nicht allen vom Plan betroffenen Gläubigern Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzepts gegeben hat, das durch den Plan umgesetzt werden soll, muss im Planangebot gem. § 17 Abs. 3 StaRUG darauf hingewiesen werden, dass ein oder mehrere Planbetroffene verlangen können, eine Versammlung der Planbetroffenen zwecks Erörterung des Plans abzuhalten.
  • Für eine solche Einberufung einer Planbetroffenenversammlung gilt:
  1. Sie muss schriftlich erfolgen (§ 20 Abs. 1 S. 2 StaRUG);
  2. Die Ladungsfrist beträgt 14 Tage, § 20 Abs. 1 S. 3 StaRUG (7 Tage bei Möglichkeit elektronischer Teilnahme);
  3. der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen ist der Einberufung beizufügen;
  4. die Versammlung erfolgt unter Vorsitz des Schuldners;
  5. die Abstimmung in der Versammlung erfolgt durch jede Gruppe gesondert;
  6. der Schuldner hat die Abstimmungsergebnisse zu dokumentieren;
  7. die Stimmrechte bestimmen sich nach § 24 StaRUG;
  8. der Plan ist gem. § 25 StaRUG angenommen, wenn mindestens ¾ der Gläubiger in jeder Gruppe dem Plan zustimmen;
  9. sollte in einer Gruppe die nach § 25 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht werden, wird die Zustimmung dieser Gruppe als erteilt fingiert, wenn  

                 – die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht
                     schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden;
                 – die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden,
                    der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert);
                 – die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen
                    Mehrheiten zugestimmt hat;

        10. wurden lediglich zwei Gruppen gebildet, genügt die Zustimmung der anderen Gruppe;

        11. auch ohne ein gerichtliches Verfahren kann der Restrukturierungsplan als privatauto-
              nome Gestaltung der Planbetroffenen umgesetzt werden;

       12. im Zweifel ist anzunehmen, dass das Planangebot unter der Bedingung steht, dass
              sämtliche Planbetroffenen zustimmen (§ 18 StaRUG) oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird;

       13. daraus folgt: Jedenfalls bei einer Zustimmung aller Planbetroffener bedarf es eines
             gerichtlichen Verfahrens nicht; ➔durch den Restrukturierungsplan und der ausdrücklichen
             § 45 StaRUG - Erörterungs- und Abstimmungstermin

Dazu § 45 StaRUG:
„(1) Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Restrukturierungsgericht einen Termin, in dem der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird. Die Ladungsfrist beträgt mindestens 14 Tage.
(2) Dem Antrag ist der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen.
(3) Die Planbetroffenen sind zu dem Termin zu laden. Die Ladung enthält den Hinweis darauf, dass der Termin und die Abstimmung auch dann durchgeführt werden können, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen. Das Gericht kann den Schuldner mit der Zustellung der Ladungen beauftragen.
(4) Auf das Verfahren finden die §§ 239 bis 242 der Insolvenzordnung sowie die §§ 24 bis 28 entsprechende Anwendung. Ist streitig, welches Stimmrecht die Forderung, die Absonderungsanwartschaft, die gruppeninterne Drittsicherheit oder das Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht einem Planbetroffenen gewährt und lässt sich darüber keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielen, legt das Gericht das Stimmrecht fest.“

  • Es gibt auch beim Restrukturierungsplan einen Erörterungs- und Abstimmungstermin wie beim Insolvenzplan. Die Anforderungen und die formalen Voraussetzungen für diesen Termin sind stark dem Abstimmungstermin im Regelinsolvenzverfahren über einen Insolvenzplan nachempfunden.
  • Aber in § 46 StaRUG ist als Neuerung noch ein Vorprüfungstermin vorgelagert:

„(1) Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Gericht einen gesonderten Termin zur Vorprüfung des Restrukturierungsplans vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin. Gegenstand dieser Vorprüfung kann jede Frage sein, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich ist, insbesondere

  1.  ob die Auswahl der Planbetroffenen und die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen den Anforderungen der §§ 8 bis 9 entspricht,
  2. welches Stimmrecht eine Restrukturierungsforderung, eine Absonderungsanwartschaft oder ein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht gewährt, oder
  3. ob dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht.§ 45 Absatz 3 gilt entsprechend. Die Ladungsfrist beträgt mindestens sieben Tage.
    (2) Das Ergebnis der Vorprüfung fasst das Gericht in einem Hinweis zusammen.
    (3) Das Gericht kann einen Vorprüfungstermin auch von Amts wegen bestimmen, wenn dies zweckmäßig ist.“
  • Die Prüfung erfolgt vollumfänglich. Die Frist für die Bestimmung dieses Vorprüfungstermins umfasst mindestens sieben Tage. Die Norm ist dem § 231 InsO nachempfunden und erfolgt aber nur auf Antrag des Schuldners. Ziel: Frühzeitige Behebung von Mängeln im Plan.
  • Die im ursprünglichen Regierungsentwurf in Anlehnung an § 103 InsO vorgesehene Regelung, auch in gegenseitig noch nicht erfüllte Verträge eingreifen zu können und diese durch den Plan vorzeitig zu beenden oder abzuändern, wurde im Rahmen der letzten Lesung komplett gestrichen, was die Gestaltungsspielräume in diesem neuen Verfahren erheblich einschränken dürfte.

4. Neue Beteiligte und neue Funktionen
Um das gerichtliche Verfahren, in dem der Restrukturierungsplan – auch gegen den Widerspruch einzelner opponierender Gläubiger - bestätigt werden soll, transparent und durchführbar zu gestalten, hat der Gesetzgeber hier zwischen dem Gericht, dem Schuldner und den Gläubigern neue Beteiligte installiert und ihnen besondere Aufgaben zugewiesen. Denn eine solche Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens scheiterte bei betroffenen Unternehmen in der Vergangenheit (unter der bis 1999 geltenden Vergleichsordnung) in den letzten Jahrzehnten immer an der Opposition einzelner Gläubiger, die die ihnen angebotene quotale Befriedigung nicht akzeptieren wollten. Der jetzt neu geschaffene Restrukturierungsrahmen ermöglicht eine Sanierung des Unternehmens auch nur mit Mehrheiten der Gläubiger, und um diese zu erreichen und zu vermitteln, bedarf es daher entsprechender „Mittler“ zwischen den Parteien.

So sieht das Restrukturierungsverfahren nach StaRUG zum Schutze der beteiligten Gläubiger einen Restrukturierungsbeauftragten vor. Dessen Bestellung ist für das Sanierungsgericht, bei dem der Antrag auf Durchführung des Sanierungsverfahrens gestellt wird, teilweise verpflichtend (§ 73 StaRUG), teilweise aber auch fakultativ (§ 77 StaRUG). Der antragstellende Schuldner kann im letzteren Fall erheblichen Einfluss auf die Person des Restrukturierungsbeauftragten nehmen. Insbesondere wenn die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens die Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten für förderlich hält und einen solchen vorschlägt, ohne dass das Gesetz zwingend die Besetzung einer solchen Funktion vorsieht, wird und soll das Gericht den Vorschlag der Geschäftsleitung positiv aufgreifen.  

Bei einem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nach § 77 StaRUG geht es – anders als im Falle der notwendigen Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 StaRUG – im Ausgangspunkt nicht darum, zum Schutz von Gläubigerinteressen den Schuldner zu überwachen oder die Voraussetzungen für Eingriffe in Gläubigerrechte zu prüfen, sondern im Interesse aller Beteiligten den Restrukturierungsprozess voranzubringen, Informationsasymmetrien auszugleichen und als Mediator oder Vermittler der verschiedenen Interessen zu fungieren, die mit ihrem Know-how in Sanierungsfragen in der Lage ist, zu helfen, diese „unter einen Hut zu bringen“.

Das Gericht kann dem auf Antrag des Schuldners zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 StaRUG jedoch auch noch einen sog. „weiteren Restrukturierungsbeauftragten“ an die Seite stellen und ihm Sonderaufgaben zuweisen, wenn es den vorgeschlagenen Beauftragten ernennt, diesen aber nicht kennt (§ 74 Abs. 3 StaRUG).

Schließlich hat der Gesetzgeber zur Förderung der Sanierung mittels StaRUG noch die Funktion eines Sanierungsmoderators in das Gesetz eingearbeitet (§§ 94 ff. StaRUG). Als Sanierungsmoderator ist eine „geeignete und geschäftskundige“ natürlich Person zu bestellen, die unabhängig von dem schuldnerischen Unternehmen sowie auch unabhängig von den Gläubigern agiert. Ziel der Sanierungsmoderation ist die Vermittlung zwischen schuldnerischem Unternehmen und den Gläubigern, die jedoch innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Monaten abgeschlossen sein soll. Die Sanierungsmoderation soll dabei ein vorgeschaltetes Instrument für die Durchführung eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahrens sein. Die Unterscheidung zum fakultativen Restrukturierungsbeauftragten erschließt sich aus dem Wortlaut jedoch nicht ohne Weiteres:

Im Einzelnen dazu das Gesetz:
§ 73 StaRUG - Bestellung von Amts wegen
(1) Das Restrukturierungsgericht bestellt einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn
1.     im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, insbesondere weil deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen oder die Durchsetzung solcher Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch eine Stabilisierungsanordnung gesperrt werden soll,

2.     der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung beantragt, welche sich mit Ausnahme der nach § 4 ausgenommenen Forderungen gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll,

3.     der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern zustehenden Ansprüche vorsieht (§ 72). Das Gericht kann im Einzelfall von einer Bestellung absehen, wenn die Bestellung zur Wahrung der Rechte der Beteiligten nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig ist.
(2) Eine Bestellung erfolgt auch, wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein unter den Voraussetzungen des § 26 möglich ist. 2Dies gilt nicht, wenn an der Restrukturierung allein Unternehmen des Finanzsektors als Planbetroffene beteiligt sind. Den Unternehmen des Finanzsektors stehen Planbetroffene gleich, die als Rechtsnachfolger in die von Unternehmen des Finanzsektors begründeten Forderungen eingetreten sind oder die mit Forderungen aus geld- oder kapitalmarktgehandelten Instrumenten betroffen werden. Den geld- und kapitalmarktgehandelten Instrumenten stehen nicht verbriefte Instrumente gleich, die zu gleichlautenden Bedingungen ausgegeben wurden.
(3) Das Gericht kann einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, um Prüfungen als Sachverständiger vorzunehmen, insbesondere 1. zu den Bestätigungsvoraussetzungen nach § 63 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und § 64 Absatz 1 oder 2. zur Angemessenheit der Entschädigung bei einem Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten oder einer Beschränkung der Haftung von unbeschränkt haftenden Gesellschaftern.

§ 74 StaRUG - Bestellung
(1) Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist und die aus dem Kreis aller zur Übernahme des Amtes bereiten Personen auszuwählen ist.
(2) 1Das Restrukturierungsgericht berücksichtigt bei der Auswahl eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Absatz 1 und 2 Vorschläge des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen. 2Hat der Schuldner die Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 und 2 erfüllt, kann das Gericht vom Vorschlag des Schuldners nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist; dies ist zu begründen. Wenn Planbetroffene, auf welche in jeder der nach § 9 gebildeten oder zu bildenden Gruppen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften mehr als 25 Prozent des Stimmrechts entfallen oder voraussichtlich entfallen werden, einen gemeinschaftlichen Vorschlag unterbreiten und wenn keine Bindung des Gerichts nach Satz 2 besteht, kann das Gericht vom gemeinsamen Vorschlag der Planbetroffenen nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist; dies ist zu begründen.
(3) Folgt das Restrukturierungsgericht einem Vorschlag des Schuldners nach Absatz 2 Satz 2 oder der Planbetroffenen nach Absatz 2 Satz 3, kann es einen weiteren Restrukturierungsbeauftragten bestellen und diesem dessen Aufgaben übertragen; dies gilt nicht für die Aufgaben nach § 76 Absatz 2 Nummer 1 Halbsatz 1 und 2. Wie bei Sachwaltern und Insolvenzverwaltern soll es nur natürlichen Personen möglich sein, als Restrukturierungsbeauftragter tätig zu sein. Auch insofern handelt es sich um ein höchstpersönliches Amt, das eine grundlegende Personenbindung erfordert. Artikel 2 Absatz 1 Nummer 12 der Richtlinie kann insofern durch den bloß unterlassenen Verweis auf das nationale Recht nicht die Verpflichtung entnommen werden, auch juristische Personen als Restrukturierungsbeauftragte zuzulassen. Ferner soll der Restrukturierungsbeauftragte im Einzelfall durch das Gericht aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen ausgewählt werden, was dazu führen dürfte, dass die Gerichte – wie bei Insolvenzverwaltern und Sachwaltern – allgemeine Vorauswahllisten führen. Eine solches Listensystem ist zwar nicht ohne Nachteile, ermöglicht es aber dem Gericht gerade, im Einzelfall unter dem regelmäßig bestehenden Zeitdruck eine schnelle Bestellungsentscheidung treffen zu können. Ein solches System ist nach Erwägungsgrund 88 („Pool“) mit der Richtlinie vereinbar.

§ 77 StaRUG - Antrag
(1) Auf Antrag des Schuldners bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten zur Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten (fakultativer Restrukturierungsbeauftragter). Gläubigern steht dieses Recht gemeinschaftlich zu, wenn auf sie mehr als 25 Prozent der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen oder voraussichtlich entfallen werden und wenn sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung verpflichten.
(2) Der Antrag kann darauf gerichtet sein, dem Beauftragten zusätzlich eine oder mehrere Aufgaben nach § 76 zuzuweisen.

§ 78 StaRUG - Bestellung und Rechtsstellung
(1) Auf die Bestellung des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten findet § 74 Absatz 1 entsprechende Anwendung.
(2) Wird von Gläubigern, die voraussichtlich zusammen alle in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gruppen repräsentieren, ein Vorschlag zur Person des fakultativen
Restrukturierungs-beauftragten gemacht, kann das Gericht von diesem nur dann abweichen, wenn die Person offensichtlich ungeeignet ist oder, falls der Beauftragte lediglich zum Zwecke der Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bestellt werden soll, der Schuldner dem Vorschlag widerspricht; eine Abweichung ist zu begründen.
(3) Auf die Rechtsstellung des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten findet § 82 entsprechende Anwendung.“

5. Auswirkungen des Restrukturierungsverfahrens auf die (spätere) Insolvenzanfechtung

  • Das Problem: Ein beantragtes und damit bekanntwerdendes Restrukturierungsverfahren könnte als Kenntnis von einem Insolvenzgrund gewertet werden. Im Rahmen eines dann später doch zustande kommenden Insolvenzverfahren könnte eine darauf gestützte Insolvenzanfechtung von Verfügungen des Schuldners in dieser Zeit nachteilig für Gläubiger / Vertragspartner sein.
  • Lösung des Problems durch Klarstellung in §§ 89-91 StaRUG:
  1. Eine Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist anfechtungs- oder haftungsrechtlich nicht nachteilig;
  2. Kein Benachteiligungsvorsatz;
  3. Keine Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung;
  4. Zahlungen bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar.
  • Die Regelungen eines Restrukturierungsplans und dessen Vollzugshandlungen sind nur anfechtbar, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war.
  • Ausgenommen hiervon:
  1. Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens),
  2. Sicherheitsleistungen nach § 135 InsO (Gesellschafterdarlehen),
  3. Die Zeiten der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache werden aus den Fristberechnungen nach §§ 88, 130 bis 136 InsO herausgenommen.
     

II. Änderungen zur Insolvenzantragspflicht durch das SanInsFoG und das CovInsAG

1. Insolvenzantragspflicht

Die in Spezialgesetzen normierten Antragspflichten der Geschäftsleiter wurden schon mit dem Inkrafttreten des MoMiG zum 01.11.2008 rechtsformneutral in der Generalnorm des § 15a InsO zusammengefasst.

1.1. Antragspflicht nach § 15a InsO
Grundsätzlich haben Geschäftsleiter (Geschäftsführer, Vorstände) bei juristischen Personen (AG, GmbHG) sowie bei Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als haftenden Gesellschafter (z.B. GmbH &Co KG) bei Eintritt der Insolvenzreife ohne schuldhaftes Zögern Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO). Durch das SanInsFoG ist in § 15a Abs. 1 S. 2 InsO die Antragsfrist für den Eröffnungsgrund der Überschuldung nach § 19 InsO von drei auf sechs Wochen verlängert worden. Damit will der Gesetzgeber den Geschäftsleitern ermöglichen, laufende Sanierungsbemühungen außergerichtlich noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen oder gegebenenfalls eine Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.
Weiterhin gilt, dass die Antragsfristen nicht ausgeschöpft werden dürfen, wenn feststeht, dass der Eröffnungsgrund nicht beseitigt werden kann.

1.2. Befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Um die dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzumildern, hatte der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht zunächst bis zum 30.09.2020 ausgesetzt (§ 1 Abs. 1 CovInsAG). Im September 2020 verlängerte der Gesetzgeber die Aussetzung der Antragspflicht nur für die Überschuldung bis zum 31.12.2020, so dass die Geschäftsleiter seit dem 01.10.2020 bei Zahlungsunfähigkeit wieder zur Insolvenzantragsstellung verpflichtet waren. Das wurde aber in der Öffentlichkeit nicht ausreichend kommuniziert und weite Kreise des Rechtsverkehrs (und auch der Steuerberater) gingen weiter von einer generellen Aussetzung der Antragsverpflichtung auch bei Zahlungsunfähigkeit aus. Und so blieben Insolvenzanträge weiterhin aus. Der Gesetzgeber ging indessen davon aus, dass wirtschaftlich überlebensfähige Unternehmen seit dem Lockdown vom 16.03.2020 genügend Zeit gehabt hatten, Zahlungsschwierigkeiten mit staatlichen Hilfsmaßnahmen, wie z.B. die KfW-Kredite, zu beseitigen.

Als dann im am 28.10.2020 beschlossenen Lockdown die Auszahlung der staatlichen Hilfen, wie z.B. die November- und Dezemberhilfe, auf sich warten ließ und den antragsberechtigten Unternehmen drohte, allein wegen bürokratischer Verzögerungen in die Insolvenz getrieben zu werden, entschloss sich der Gesetzgeber, mit der Einführung eines § 1 Abs. 3 CovInsAG (durch Art. 10 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 22.12.2020, BGBl. I S. 3256) die Insolvenzantragspflicht für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.01.2021 für die Geschäftsleiter solcher Rechtsträger auszusetzen, die einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben oder berechtigt hätten stellen können (ohne die Geschäftsleiter zahlungsunfähiger Unternehmen rückwirkend zu rehabilitieren, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit eigentlich wieder zur Antragstellung verpflichtet gewesen wären). Auf die Aussetzung der Antragspflicht ab 1.1.2021 kann sich das betroffene Organ dann nicht berufen, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist. Es kam also auch ab dem 01.01.2021 effektiv darauf an, ob mit den Mitteln aus dem staatlichen Hilfsprogramm (in der Regel Überbrückungshilfe sowie November-/Dezemberhilfe) eine Zahlungsunfähigkeit (ohne dass Überschuldung eintritt) oder eine Überschuldung beseitigt werden konnte. Das wurde diesmal zwar besser kommuniziert, blieb aber dennoch großen Kreisen im Rechtsverkehr erneut unbekannt, und Anträge blieben weiterhin aus, obwohl beantragte Hilfen nicht reichen werden, bei Bewilligung bestehende Insolvenzreife wieder zu beseitigen.

Nachdem sich die Umsetzung der staatlichen Hilfsprogramme weiter verzögerte, verlängerte der Gesetzgeber mit Gesetz vom 15.02.2021 (BGBl. I S. 237, Nr. 7) die Aussetzungsfrist bis zum 30.04.2021. Überrascht waren weite Kreise der Beraterbranche, dass diese Frist Ende April nicht nochmals verlängert wurde.

Die Regelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in § 1 CovInsAG waren also kompliziert und bargen auch noch weitere Fallstricke in sich, deren Nichtbeachtung haftungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen für den „stolpernden“ Geschäftsleiter haben können. So galt die Antragspflicht fort, wenn der Eröffnungsgrund nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stand oder aber keine Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestanden. Weiter kann die gesetzliche Vermutung in § 1 Abs. 1 S. 3 CovInsAG, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Rechtsträger am 31.12.2019 nicht zahlunfähig war, in einem späteren Insolvenzverfahren – mit existentiellen Haftungsfolgen für den Geschäftsleiter – widerlegt werden.
Ferner ist wie beschrieben zu konstatieren, dass die Beschränkung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020 allein auf den Eröffnungsgrund der Überschuldung unbeachtet geblieben ist, ebenso wie die erneute Aussetzung der Antragspflicht mit Wirkung ab dem 01.01.2021 Haftungsrisiken für den Geschäftsleiter in sich birgt, wenn denn trotz Beantragung der staatlichen Hilfeleistungen offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung bestand oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend war (§ 1 Abs. 3 S. 3 CovInsAG).

Jeder Geschäftsführer oder Vorstand tut also weiterhin - und nach den diversen gesetzlichen Neuregelungen erst Recht - gut daran, die weit verbreitete Annahme, aufgrund der Vorschrift des § 1 CovInsAG nicht zur Insolvenzantragstellung verpflichtet zu sein, fachkundig überprüfen zu lassen.

1.3. Prognosezeiträume der Eröffnungsgründe
Bei der Feststellung der Eröffnungsgründe der §§ 17 bis 19 InsO sind Prognosen anzustellen, die naturgemäß Unsicherheiten in sich tragen, deren Beseitigung der Gesetzgeber mit dem SanInFoG vom 22.12.2012 versucht hat.

Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 Abs. 2 InsO haben sich keine Änderungen ergeben.

Bei drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO, die nur bei einem Eigenantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen kann, war bisher umstritten, welcher Prognosezeitraum anzusetzen ist. Nunmehr hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 S. 2 InsO normiert, dass in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen ist. Dieses bedeutet, dass im Einzelfall auch ein kürzerer oder längerer Prognosezeitraum herangezogen werden kann, um den Besonderheiten des Rechtsträgers oder der Art seines Geschäftsbetriebes Rechnung zu tragen.

Nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO ist eine zur Insolvenzantragstellung verpflichtende rechtliche Überschuldung gegeben, wenn bei bilanzieller Überschuldung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann. Dies zwingt die Geschäftsleiter zu einer vorausschauenden Planung, Krisenanzeichen frühzeitig entdecken zu können, um im Geschäftsverkehr die Gefährdung der Gläubigerinteressen durch haftungsbeschränkte Rechtsträger zu verringern. Dieser Zweck wird nicht gefährdet und zugleich Rechtssicherheit geschaffen, indem der Gesetzgeber nunmehr den Prognosezeitraum auf 12 Monate festgelegt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass bei einer Gefährdung des Fortbestehens des Unternehmens erst nach Ablauf von 12 Monaten keine Handlungspflichten bestehen. Denn die allgemeine Pflicht zur Wahrung der Interessen der Gläubiger gem. § 1 Abs. 1 StaRUG kann sich zu konkreten Handlungspflichten für die Geschäftsleitung verdichten.

Im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie wird dieser Prognosezeitraum im Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 auf 4 Monate verkürzt, wenn die Überschuldung des Rechtsträgers auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist (§ 4 S. 1 CovInsAG). Dieser kausale Zusammenhang wird nach § 4 S. 2 CovInsAG gesetzlich vermutet, wenn (i.) der Rechtsträger am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, (ii.) der Rechtsträger in dem letzten, vor dem 01.01.2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und (iii.) der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 % eingebrochen ist.

2. Anfechtungsrechtliche Rechtsfolgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Wenn und soweit die Insolvenzantragspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 CovInsAG und nach § 1 Abs. 3 CovInsAG ausgesetzt ist, gelten nach § 2 CovInsAG diverse Erleichterungen für die Haftung der Geschäftsleitung und das insolvenzrechtliche Anfechtungsrisiko für die Gläubiger. Die nachstehenden Erleichterungen bzw. Einschränkungen der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen gelten im Umkehrschluss aber auch nur dann in Bezug auf die Rechtsbeziehungen zu Unternehmen, die zahlungsunfähig und/oder überschuldet sind, wenn die eigentlich nach § 15a InsO zu einer Antragspflicht führenden  Insolvenzgründe durch die Corona-Pandemie und ihre Wirkungen hervorgerufen wurden und das betroffene Unternehmen bis zum 30.04.2021 nach vorstehend beschriebenen Aussetzungsregelungen in berechtigter Weise staatliche finanzielle Hilfeleistungen beantragt hat (oder noch beantragt) und die ihm antragsgemäß zustehenden Gelder aus den Hilfsprogrammen dazu reichen, die eigentlich bestehende  Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung wieder nachhaltig zu beseitigen, so dass dieses Unternehmen bis zum 30.04.2021 keinen Insolvenzantrag stellen musste.
Zu den Einschränkungen im Einzelnen:

  • Gläubigern, die mit solchen hinsichtlich der Antragspflicht vorübergehend privilegierten Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten, können und konnten grundsätzlich unbedenklich und ohne Risiko eine Sicherung oder Befriedigung ihrer Forderungen erhalten, selbst wenn diese in der Art und zu der Zeit nicht fällig ist. Die Tilgung von im Aussetzungszeitraum gewährter neuer Kredite bis zum 30.09.2023 und deren Besicherung im Aussetzungszeitraum gelten als nicht gläubigerbenachteiligend und sind somit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung entzogen. Dies gilt auch für die Tilgung, nicht aber die Besicherung, von Gesellschafterdarlehen.
  • Ebenso wenig ist es für diese Gläubiger in einem künftigen Insolvenzverfahren, also für den Fall, dass das Unternehmen, mithin der Schuldner, es trotz aller Bemühungen und staatlicher Hilfsprogramme „nicht geschafft“ hat, zu befürchten, die im Aussetzungszeitraum erhaltenen Gelder wieder zurückzahlen zu müssen. Eine solche Gefahr besteht auch dann nicht, wenn andere Leistungen als die geschuldeten, etwa an Erfüllung statt oder an Erfüllung halber vom Gläubiger entgegengenommen werden. Auch solche Gelder, die der Gläubiger von einem vorstehend beschriebenen – privilegierten – Schuldner auf dessen Anweisung durch Dritte erhält, können nicht zurückgefordert werden. Selbst ein Austausch von Sicherheiten kann bedenkenlos stattfinden, solange die neue Sicherheit nicht werthaltiger ist, als die bereits früher vereinbarte. Im Aussetzungszeitraum ist die Kongruenzanfechtung von Zahlungen und die Gewährung von Sicherheiten also ausgeschlossen, wenn nicht dem Gläubiger bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
  • Die gesetzliche Vermutung in den Haftungsnormen der § 92 Abs. 2 AktG, § 64 GmbHG (seit dem 01.01.2021: § 15b InsO) wird entschärft, indem Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar gelten. Dies gilt insbesondere für solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.

Dies gilt entsprechend für

  1. Leistungen an Erfüllungsstatt oder erfüllungshalber,
  2. Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners,
  3. die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist oder die Verkürzung von Zahlungszielen. Es gelten die bis zum 31.03.2022 erfolgten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28.02.2021 gewährten Stundungen als nicht gläubigerbenachteiligend, sofern über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren bis zum Ablauf des 18.02.2021 noch nicht eröffnet worden ist.
  • Auch wenn die Zahlungsziele entgegen den ursprünglichen Verabredungen verkürzt wurden und seitens des privilegierten Schuldners Zahlungen hierauf erfolgten, ist dieses in Zukunft nicht anfechtbar. Geschäftspartner, die einem solchen privilegierten Unternehmen bis zum 30.04.2021 einen Kredit gewährt haben und diesen haben besichern lassen, brauchen zudem für einen künftigen Insolvenzfall nicht befürchten, sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, in sittenwidriger Weise einen Beitrag zur Insolvenzverschleppung geleistet zu haben. Haben Dritte einem solchen Unternehmen Kredit gegeben, welcher gesellschafterseits besichert wurde, so gilt solches bis zum 30.04.2021 nicht als gläubigerbenachteiligend. Auch Kreditrückzahlungen, die aufgrund eines derartigen bis zum 30.04.2021 gewährten Darlehens bis zum 30.09.2023 erfolgen, können von einem Insolvenzverwalter nicht als gläubigerbenachteiligend angesehen werden und sind damit nicht anfechtbar. Entsprechendes ist auf Gesellschafterdarlehen zu übertragen.
  • Gesellschafter, die ihre Gesellschaft in der Coronakrise mit Liquidität ausstatten, werden auch dadurch geschützt, dass sie nicht befürchten müssen, ihre bis zum 30.09.2023 zurückerlangten Darlehen oder sonstige Forderungen für den Fall einer Insolvenzantragstellung bis zum 30.09.2024 in einem daraufhin eröffneten Insolvenzverfahren wieder an den Insolvenzverwalter zurückzahlen müssen.
  • Weitere Privilegierungen gibt es für den Fall von Krediten, die seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und ihren Finanzierungspartnern oder in sonstiger Weise im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme aus Anlass der Covit-19-Pandemie gewährt wurden/werden, auch soweit diese Kredite nach dem 30.04.2021 beantragt oder gewährt werden. Künftige Rückzahlungen auf diese Kredite werden nicht anfechtbar sein. Ausnahmen von allem gibt es nur dort, wo dem Gläubiger zum Zeitpunkt der zu beurteilenden Rechtshandlung bekannt war, dass die angedachten und ggfls. eingeleiteten Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des (später im Insolvenzverfahren befindlichen) Schuldners nicht zur Beseitigung der zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet waren, was spiegelbildlich zur Regelung in § 1 Abs. 3 S. 2 CovInsAG in § 2 Abs. 1 Nr. 4 CovInsAG geregelt ist. Danach sind ein solcher, nicht aus der Krise herausgekommener Schuldner und demnach seine Gläubiger nicht privilegiert. Dies sind also alle Unternehmen, die selbst unter Berücksichtigung der Liquiditätszuschüsse aus den staatlichen Hilfsprogrammen den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung nicht beseitigen können.
  • Ansonsten gilt für alle nicht privilegierten Unternehmen, insbesondere solche, die gemäß § 15a InsO zur Insolvenzantragsstellung verpflichtet blieben und entweder keinen berechtigten Antrag auf November-/Dezemberhilfe oder Überbrückungshilfe III gestellt haben oder deren nach dem 31.12.2019 eingetretene Situation der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung sich trotz der an sie zu gewährten Hilfsgelder nicht verbessert hat, unterliegen - wie alle übrigen Unternehmen - weiterhin dem „normalen“ Insolvenzstatut. Gläubiger, die sich in einer Geschäftsbeziehung zu solchen nicht privilegierten Schuldnern begeben haben, müssen also weiterhin damit rechnen, bei Kenntnis von den gläubigerbenachteiligenden Wirkungen einer sie begünstigenden Rechtshandlung und den gläubigerbenachteiligenden Absichten des Schuldners für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung in Anspruch genommen zu werden. Im Rechtsverkehr mit „Zombie-Unternehmen“ oder solchen Schuldnern, die „immer schon schwach auf der Brust“ waren, gebietet sich also weiterhin äußerste Vorsicht!

III. Haftung der Organe bei Verletzung der Antragspflicht, der neue 15b InsO
Die bisher in verschiedenen Gesetzen verankerte Organhaftung bei Insolvenzverschleppung (z.B. § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG) wurde nun mit Wirkung zum 1.1.2021 für alle Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften mit Insolvenzantragsverpflichtung nach § 15a InsO in den neuen § 15b InsO verlagert, wo sie eigentlich auch hingehört.
Danach sind

  • die nach § 15a Abs. 1 S. 1 antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person nicht mehr berechtigt, Zahlungen für die Gesellschaft vorzunehmen. Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.
  • Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten vorbehaltlich des § 15b Abs. 3 InsO als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Im Rahmen des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitraums nach § 15a Abs. 1 S. 1 und 2 InsO gilt dies nur, solange die antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Zahlungen, die im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens geleistet werden, gelten auch dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden.
  • Ist der nach § 15a Abs. 1 S: 1 und 2 InsO für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
  • Werden entgegen diesen Regelungen Zahlungen geleistet, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zu deren Erstattung verpflichtet. Ist der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleich dieses Schadens. Soweit die Erstattung oder der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der juristischen Person erforderlich ist, wird die Pflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses eines Organs der juristischen Person gehandelt haben. Ein Verzicht der juristischen Person auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche oder ein Vergleich der juristischen Person über diese Ansprüche ist unwirksam.
  • Dies gilt nicht, wenn
  1. der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht,
  2. die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird oder
  3. wenn ein Insolvenzverwalter für die juristische Person handelt.
  • Die vorstehenden Regelungen in § 15b Abs. 1 u. 4 InsO gelten auch für Zahlungen an Personen, die an der juristischen Person beteiligt sind, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der normierten und im Gesetz bezeichneten Sorgfalt nichterkennbar.
  • Die Ansprüche aufgrund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. Besteht zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine Börsennotierung verjähren die Ansprüche in zehn Jahren.
  • Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten liegt nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife nach §§ 17, 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a InsO nachkommen. Wird entgegen der Verpflichtung nach § 15a InsO ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, gilt dies nur für die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet und ist dies auf eine Pflichtverletzung der Antragspflichtigen zurückzuführen, gelten diese Privilegien, die eine Ausnahme von der Haftung nach § 69 AO normieren, nicht.
  • § 15b InsO statuiert in der Insolvenzordnung ein Zahlungsverbot der Mitglieder des Vertretungsorgans oder Abwickler der juristischen Person im Stadium der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Änderungen gegenüber dem bis dahin geltenden Recht sind damit nicht oder nur unwesentlich verbunden. Das Normgebot wird für den Rechtsverkehr aber jetzt überschaubarer und übersichtlicher sowie verständlicher. Anders als § 92 Abs. 2 S. 1 AktG, § 130a Abs. 1 S. 1 HGB und § 99 S. 1 GenG enthielt § 64 GmbHG zwar kein explizites Zahlungsverbot, denn normiert war in § 64 GmbHG allein die Ersatzpflicht bei Vornahme einer Zahlung. Von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den schon bisher bestehenden Zahlungsverbotsregelungen wird indessen in zweierlei Hinsichten abgewichen: Zum einen soll für diejenigen Geschäftsleiter, welche die Insolvenzantragspflicht nicht verletzen, weil sie im Rahmen der Höchstzeiträume des § 15a Abs. 1 S. 1 und 2 InsO noch Maßnahmen zur Insolvenzabwendung ergreifen dürfen oder weil sie den erforderlichen Antrag bereits gestellt haben, ein großzügigerer Maßstab gelten als ihn die Rechtsprechung zum geltenden Recht definierte. Zum anderen werden im jetzigen § 15b InsO die Haftungsvorschriften für die Vornahme von verbotswidrigen Zahlungen zusammengefasst. Der bisherige Streit über die Rechtsnatur des Anspruchs und insbesondere darüber, ob es sich um einen Schadensersatzanspruch oder einen Anspruch eigener Art handelt, sollte damit allerdings nicht abschließend entschieden werden.

IV. Neuerungen zur Eigenverwaltung nach §§ 270ff InsO
Auch die durch das ESUG im Jahr 2012 neu kodifizierten Vorschriften zur (vorläufigen) Eigenverwaltung wurden durch das SanInsFoG im Rahmen der bereits damals geplanten Evaluierung nun systematisch neu gefasst und inhaltlich erheblich geändert. Insbesondere wurden der Zugang zur (vorläufigen) Eigenverwaltung deutlich erschwert und umgekehrt die Gründe für die Aufhebung der Eigenverwaltung ausgeweitet.

Im Einzelnen:

  • Das bisher in § 270b InsO a.F. normierte Schutzschirmverfahren findet sich jetzt in § 270d InsO. Die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens zur Vorbereitung einer Sanierung einschließlich des Vollstreckungsschutzes (§ 270d Abs. 3 InsO) bleibt aber erhalten.
  • Nach der bisherigen Rechtslage war die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung schon möglich, wenn der Schuldner die Eigenverwaltung beantragte und keine Nachteile für die Gläubiger drohten (§ 270 Abs. 2 InsO a.F.). Die Zugangsvoraussetzungen wurden nun verschärft. In § 270a Abs. 1 InsO wird jetzt bestimmt, dass der Schuldner seinem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine sog. Eigenverwaltungsplanung beizufügen hat, die kumulativ die fünf nachfolgend dargestellten Unterlagen umfassen muss:
  1. Als Herzstück zukünftiger Anträge auf Anordnung einer Eigenverwaltung dürfte der Finanzplan für einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer Darstellung der Finanzierungsquellen sein, um die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sicherstellen.
  2. Ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, das eine Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise enthält, das Ziel der Eigenverwaltung festlegt und Maßnahmen zur Erreichung des Ziels beschreibt.
  3. Eine Darstellung des Stands der Verhandlungen mit den Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten sowie beabsichtigen Maßnahmen.
  4. Eine Auflistung der Vorkehrungen, die zur Erfüllung der insolvenzrechtlichen Pflichten getroffen wurden.
  5. Die Planung muss eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten enthalten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

V. Insolvenzplanverfahren
Auch das in §§ 217ff. InsO normierte Insolvenzplanverfahren hat im Zuge des SanInsFoG zwei wesentliche Änderungen erfahren. Im Einzelnen:

  • Neu ist die Möglichkeit, gruppeninterne Drittsicherheiten in den Insolvenzplan mit einzubeziehen. Diese Möglichkeit wurde auch für den Restrukturierungsplan nach dem StaRUG geschaffen und erleichtert Sanierungsverfahren innerhalb eines Konzerns. Durch die Regelungen können weitere Gesellschaften innerhalb des Konzerns vor einer Inanspruchnahme aus einer Sicherheit geschont und damit entlastet werden.
  • Im darstellenden Teil des Insolvenzplans ist die Vornahme einer Vergleichsrechnung nunmehr obligatorisch, § 220 Abs. 2 InsO. Diese Vergleichsrechnung hat die Auswirkungen des Plans auf die voraussichtliche Befriedigung der Gläubiger darzustellen. Ist im Plan die Fortführung des Unternehmens vorgesehen, ist Vergleichsmaßstab die Fortführung des Unternehmens im Regelverfahren (§ 220 Abs. 2 S. 3 InsO). Hierdurch sollen in der Vergangenheit rechtsmissbräuchlich runtergerechnete Vergleichsrechnungen vermieden werden.
     

VI. Restschuldbefreiungsverfahren
Das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist am 30.12.2020 rückwirkend zum 01.10.2020 in Kraft getreten. Für Insolvenzverfahren, die nach dem 30.09.2020 beantragt wurden, ergeben sich hierdurch folgende Änderungen:

  • Die Laufzeit der Abtretung und damit die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens wird auf drei Jahre reduziert.
  • In § 295 Nr. 5 InsO wurde eine zusätzliche Obliegenheit eingeführt, wonach während der Wohlverhaltensperiode keine unangemessenen Verbindlichkeiten begründet werden dürfen.
  • Die Prüfung dieser neuen Obliegenheitsverletzung kann von Amts wegen erfolgen, wenn gleichzeitig die Befriedigungsinteressen der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt sind.
  • Gewinne aus einer Lotterie oder aus Gewinnspielen sind in voller Höhe an den Treuhänder herauszugeben.
  • Wer in einem nach dem 01.10.2020 beantragten Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erhalten hat, für den gilt eine 11-jährige Sperrfrist für ein neues Verfahren und eine Abtretungsfrist von 5 Jahren im zweiten Insolvenzverfahren.
  • In zwischen dem 17.12.201 und dem 01.10.2020 beantragten Insolvenzverfahren sind - vorbehaltlich der stufenweisen Verkürzung der Laufzeit der Abtretung - die bis dahin geltenden Vorschriften anwendbar.

    Die Verkürzung der Abtretung (Dauer des Restschuldbefreiungsverfahren) ergibt sich aus folgender Tabelle:

     

 

 

Schutzschirmverfahren für Gesellschaften gem. §§ 270, 270b InsO

  • Beim Schutzschirmverfahren bleibt die Gesellschaft mit Einschränkungen handlungsfähig. Die Geschäftsführung der Gesellschaft bleibt im Amt.
  • Der Gesellschaft wird ein (vorläufiger) Sachwalter zur Seite gestellt.
  • wesentliche Aufgabe für die Geschäftsführung der Gesellschaft:
    Laufende Kosten kritisch hinterfragen und unwichtige, überteuerte oder langfristige Vertragsbindungen, für die es günstigere Angebote gibt, beenden.
    Nach der Insolvenzordnung können mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestimmte Dauerschuldverhältnisse trotz Restlaufzeit beendet werden (z. B.: unrentabler Telefonvertrag mit langer Laufzeit; Arbeits- oder Mietverhältnisse).
  • Der (vorläufige) Sachwalter überwacht, ob gläubigerschädigende Handlungen vorliegen.
    Solche Handlungen liegen nicht in den zuvor genannten Kündigungen von Verträgen. Diese stellen ernsthafte Sanierungsbemühungen dar.
    Schädlich wären z. B.:
    • Zahlung von Altforderungen an Gläubiger
    • Abschluss unsinniger Verträge (Luxusauto oder Segelyacht für den Geschäftsführer)
    • Annahme eines Auftrages, der keine nachvollziehbare Kalkulation enthält oder der offenbar zu keinem Gewinn führen kann
  • Die Gesellschaft darf noch nicht zahlungsunfähig sein. Es dürfen lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen. Dies muss ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt bescheinigen.
  • Insolvenzgeldvorfinanzierung:
    Im Schutzschirmverfahren kann nach Antragstellung und vor Eröffnung für maximal 3 Monate eine finanzielle Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch genommen werden – das Insolvenzgeld. Die Zahlung ist frühestens mit Eröffnung des Verfahrens möglich.
    Das Insolvenzgeld kann aber vorfinanziert werden. Damit können im Zeitraum des vorläufigen Verfahrens für maximal 3 Monate die Nettolöhne an die Arbeitnehmer gezahlt werden 
    (siehe Insolvenzgeldvorfinanzierung).
  • Insolvenzplan
    Beim Schutzschirmverfahren wird den Gläubigern zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens ein Insolvenzplan vorgelegt. Die Gläubiger verzichten damit auf eine Zerschlagung des Unternehmens und müssen ihre Forderungen nicht vollständig abschreiben. Das wäre bei einer Zerschlagung aber wahrscheinlich (siehe Insolvenzplan für Gesellschaften).
  • Neues modifiziertes Schutzschirmverfahren
    • Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 07.11.2011, in Kraft getreten am 01.03.2012, ist nach fünf Jahren einer Überprüfung (Evaluierung) unterzogen worden. Der Bericht wurde am 30.04.2018 erstattet und am 10.10.2018 veröffentlicht. Gleichfalls in Kraft getreten ist die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019. 
    • Die Ergebnisse der Evaluierung des ESUG und die Restrukturierungsrichtlinie (RL) werden gemeinsam umgesetzt. Soweit das Schutzschirmverfahren betroffen ist, wird es zu einer Verschmelzung des eigentlichen Schutzschirmverfahrens gem. § 270b mit dem im Folgenden dargestellten Eigenverwaltungsverfahren für Gesellschaften nach § 270a kommen. Es wird daher bis zur Geltung des neuen bzw. modifizierten Schutzschirmverfahrens bis maximal zum 17.07.2021 beim alten Recht verbleiben und anschließend das neue bzw. modifizierte Schutzschirmverfahren gleichzeitig mit der Umsetzung der Vorschriften der Restrukturierungsrichtlinie (RL) Geltung erhalten (siehe www.neues-schutzschirmverfahren.de).

Eigenverwaltungsverfahren für Gesellschaften gem. §§ 270, 270a InsO

Neben der klassischen Insolvenz gibt es für Unternehmen in der Krise (im Folgenden: Gesellschaften), die ihren Betrieb fortführen wollen, die Möglichkeit, ihr Unternehmen weiter zu betreiben und dennoch von ihren Schulden befreit zu werden.

Es ist wichtig, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft möglichst frühzeitig den Rat eines erfahrenen Sanierungsberaters sucht, wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Je früher eine bestehende oder drohende Schieflage einer Gesellschaft erkannt wird, desto wirksamer können Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Zur Sanierung sind folgende Verfahren vorgesehen:

  • Schutzschirmverfahren
    • Schutzschirmverfahren für Unternehmen
  • Eigenverwaltungsverfahren
    (siehe nachfolgende Ausführungen)
  • (klassisches) Insolvenzverfahren
    • Insolvenz anmelden

Wesentlicher Unterschied des Eigenverwaltungsverfahrens zum klassischen Insolvenzverfahren:

  • Die Gesellschaft betreibt das Gewerbe weiter. Es wird kein Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht, sondern ein Sachwalter, der überwacht, ob die Handlungen der Gesellschaft ggf. gegen Gläubigerinteressen verstoßen.
  • Der Gesellschaft steht ein im Insolvenzrecht erfahrener Sanierungsberater zur Seite, der sie in rechtlichen, insbesondere bei insolvenzrechtlichen Problemstellungen berät.

Wichtigste Voraussetzung:

Fortführungsprognose: Die Gesellschaft muss über hinreichend gesicherte Aufträge oder die Aussicht auf solche und die Kapazitäten verfügen, sie auszuführen.
Beispiele – sehr verkürzt/vereinfacht dargestellt:

  • keine = negative Fortführungsprognose: 
    • (1) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Der Auftrag kann nicht ohne Arbeitnehmer erledigt werden; es sind aber keine Arbeitnehmer mehr vorhanden, die Aufträge auszuführen (= negative Fortführungsprognose). 
    • (2) 15 Arbeitnehmer sind noch vorhanden. Es bestehen keine Aufträge (= negative Fortführungsprognose).
    • (3) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Damit können 10 der 200 bestehenden Arbeitsverhältnisse fortgeführt werden (= negative Fortführungsprognose).
  • positive Fortführungsprognose:
    • (1) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Der Auftrag kann ausgeführt werden (=positive Fortführungsprognose).
    • (2) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Damit können 10 der 15 bestehenden Arbeitsverhältnisse fortgeführt werden (= positive Fortführungsprognose).

Entschließt sich die Gesellschaft, das Unternehmen über den Weg der Eigenverwaltung sanieren zu wollen, kann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt werden. Das Gericht wird zunächst allen Gläubigern verbieten, Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen durchzuführen (Kein Gläubiger darf bei Ihrer Gesellschaft vollstrecken!).

Kann eine Fortführungsprognose bescheinigt werden, wird das Gericht die vorläufige Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung anordnen. Die Zeit der vorläufigen Eigenverwaltung (i. d. R. 3 Monate, weil dies der maximale Zeitraum der Zahlung von Insolvenzgeld und der Insolvenzgeldvorfinanzierung ist) kann insbesondere zur Bildung einer Liquiditätsreserve genutzt werden, weil bestimmte Kostenfaktoren für einen Zeitraum von maximal 3 Monaten (z. B. Personalkosten) oder ggf. generell (z. B. Miete für nicht notwendige Werkstatt) wegfallen.

Insolvenzgeldvorfinanzierung:

  • siehe Insolvenzgeldvorfinanzierung

Ablauf des vorläufigen Verfahrens - § 270a InsO (vorläufige Eigenverwaltung nach ESUG):

  • Bestellung des vorläufigen Sachwalters
  • Die Gesellschaft bleibt weiter tätig. Sie steht nur unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters.
  • regelmäßige, meist wöchentliche Berichterstattung gegenüber dem vorläufigen Sachwalter durch Ihren Sanierungsberater
  • Abstimmung über die Handhabung des Bestell- und Zahlungsverkehrs:
    • Der vorläufige Sachwalter kann bei bestimmten Geschäften, die dem normalen Geschäft entsprechen, widersprechen.
      Beispiel: Es ist erforderlich, Druckerpapier zu kaufen. Der Geschäftsführer kauft üblicherweise 100 Pakete. Jetzt wird ihm eine Ersparnis angeboten, wenn er 200 Pakete kauft. Der vorläufige Sachwalter kann widersprechen. Verhindern kann er die Bestellung nicht, weil die Bestellung immer noch im Rahmen des Üblichen liegt.
    • Bei anderen Geschäften, die nicht dem normalen Geschäft entsprechen, ist seine Zustimmung erforderlich.
      Beispiel: wie oben, aber anstelle von üblichen 100 Paketen will der Geschäftsführer 1000 bestellen. Das dürfte, falls die Preisersparnis nicht gigantisch ist, nicht üblich sein. Der vorläufige Sachwalter muss zustimmen. Tut er dies nicht, darf das Geschäft nicht abgeschlossen werden.
    • Es ist zweckmäßig, mit dem (vorläufigen) Sachwalter frühzeitig den Rahmen der Tätigkeit abzustecken, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten (sog. Tandemverwaltung).
  • Der vorläufige Sachwalter kann das Kassenführungsrecht an sich ziehen.
  • Veranlassung der Aufnahme und Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens durch Ihren Sanierungsberater
  • ggf. zu erteilende (sonstige) Auskünfte gegenüber dem vorläufigen Sachwalter
  • Der vorläufige Sachwalter reicht zum Ablauf des letzten Monats der Vorfinanzierung das Gutachten ein und gibt die Empfehlung, das Verfahren zu eröffnen und entweder die Eigenverwaltung anzuordnen oder diese Anordung abzulehnen. Auch im letzten Fall gibt es Möglichkeiten, eine Entschuldung zu erreichen (Insolvenzplan für Unternehmen).
    Die Eröffnung des Verfahrens wird dabei aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen üblicherweise zum 1. nach dem des letzten Monat der Vorfinanzierung geplant.
    (Beispiel: Der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens wird am 10.07.2018 eingereicht. Der Vorfinanzierungzeitraum könnte theoretisch bis zum 09.10.2018 dauern. Faktisch dauert er nur bis zum 30.09.2018, so dass am 01.10.2018 das Verfahren eröffnet werden kann.)

Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren:

  • Bestellung des Sachwalters
  • Die Gesellschaft bleibt weiter tätig. Sie steht nur unter Aufsicht des Sachwalters.
  • regelmäßige, meist wöchentliche, Berichterstattung gegenüber dem Sachwalter durch Ihren Sanierungsberater
  • Abstimmung über die Handhabung des Bestell- und Zahlungsverkehrs:
    • Der Sachwalter kann bei bestimmten Geschäften, die dem normalen Geschäft entsprechen, widersprechen.
      Beispiel: wie oben
    • Bei anderen Geschäften, die nicht dem normalen Geschäft entsprechen, ist seine Zustimmung erforderlich.
      Beispiel: wie oben
    • Es ist zweckmäßig, mit dem Sachwalter frühzeitig den Rahmen der Tätigkeit abzustecken, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten (sog. Tandemverwaltung).
  • Der Sachwalter kann das Kassenführungsrecht an sich ziehen.
  • Verhandlungen mit Vertragspartnern (Reduzierung von Mietzahlungen, Verbesserung sonstiger Konditionen…)
  • Überprüfung, ob eine Regulierung mittels Insolvenzplan möglich ist (Insolvenzplan für Unternehmen)
  • Woraus sollen die Mittel in welcher Höhe für den Plan erwirtschaftet / beschafft werden?
  • Der Sanierungsberater führt die Verhandlungen mit den Gläubigern.
  • Ist ein Insolvenzplan möglich, bereitet der Sanierungsberater den Plan vor und reicht diesen zunächst zur Vorprüfung bei Gericht und bei Signalisierung fehlender Einwände formell ein. Dabei sind eine Absprache bzw. eine Diskussion der Planregelungen mit dem Gericht üblich.
  • In einem Erörterungs- und Abstimmungstermin können die Gläubiger klärungsbedürftige Fragen erörtern lassen. Im Übrigen wird über den vorgelegten Plan abgestimmt. Die Mehrheit der Gläubiger nach Köpfen und Summen entscheidet.
  • Stimmt die Kopf- und Summenmehrheit für den Plan, bestätigt das Gericht den Plan in der Regel.
  • Das Verfahren wird aufgehoben (= beendet), wenn die Masseverbindlichkeiten beglichen sind bzw. eine nachvollziehbare Planung vorliegt, nach der die Verbindlichkeiten beglichen werden können.
  • Ist keine Mehrheit für den Plan zu beschaffen oder wird sie im Abstimmungstermin nicht erzielt, ist es immer noch möglich, mit dem Sanierungsberatar eine alternative Möglichkeit der Sanierung des Einzelunternehmens zu finden (Übertragende Sanierung).

Neues modifiziertes Schutzschirmverfahren

  • Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 07.11.2011, in Kraft getreten am 01.03.2012, ist nach fünf Jahren einer Überprüfung (Evaluierung) unterzogen worden. Der Bericht wurde am 30.04.2018 erstattet und am 10.10.2018 veröffentlicht. Gleichfalls in Kraft getreten ist die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019.
  • Die Ergebnisse der Evaluierung des ESUG und die Restrukturierungsrichtlinie (RL) werden gemeinsam umgesetzt. Soweit das Schutzschirmverfahren betroffen ist, wird es zu einer Verschmelzung des eigentlichen Schutzschirmverfahrens gem. § 270b mit dem Eigenverwaltungsverfahren für Gesellschaften nach § 270a kommen. Es wird daher bis zur Geltung des neuen bzw. modifizierten Schutzschirmverfahrens bis maximal zum 17.07.2021 beim alten Recht verbleiben und anschließend das neue bzw. modifizierte Schutzschirmverfahren gleichzeitig mit der Umsetzung der Vorschriften der Restrukturierungsrichtlinie (RL) Geltung erhalten (siehe www.neues-schutzschirmverfahren.de).

Insolvenz anmelden

Das Insolvenzverfahren läuft im Wesentlichen wie folgt ab:

  • Einreichung des Insolvenzantrages
  • Eröffnetes Verfahren, weiteres Verfahren bis zum Schlusstermin

Einreichung des Insolvenzantrages

  • Reichen die laufenden Einnahmen nicht zur Begleichung der Verbindlichkeiten, kann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
  • Sind keine ausreichenden Geldmittel für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwaltes vorhanden und können solche Mittel nicht erwirtschaftet werden, wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt.

Eröffnetes Verfahren, Verfahren bis zum Schlusstermin

Im eröffneten Verfahren melden die Gläubiger beim Insolvenzverwalter ihre Forderungen an. Diese werden in einem Prüftermin geprüft. Vermögensgegenstände werden verwertet. Das Insolvenzverfahren endet mit dem Schlusstermin.

Was wird verwertet?

  • Es werden grundsätzlich alle Vermögensgegenstände verwertet.
  • Der Insolvenzverwalter zieht Altforderungen des Unternehmens ein.

Besteht die Möglichkeit, das Unternehmen fortzuführen?

  • Insolvenzplan
  • übertragende Sanierung

Besteht keine Möglichkeit, das Unternehmen fortzuführen?

  • übertragende Sanierung
  • Liquidation

Übertragende Sanierung

  • Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens können Vermögenswerte auch an Dritte (Investoren) veräußert werden. Der Dritte tritt dann in die Rolle des bisherigen Rechtsträgers ein.

Insolvenzplan für Gesellschaften

Gesellschaften können die bestehenden Verbindlichkeiten über einen Insolvenzplan regulieren. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft ein Fortführungspotential hat. Dafür wird den Gläubigern ein Vergleich angeboten, nach dem sie einerseits auf einen Teil der Verbindlichkeiten verzichten und andererseits einen höheren Teil der Schulden bezahlt bekommen, als es bei einer Zerschlagung der Firma oder einer Übertragung der Firmenassets auf eine andere Gesellschaft der Fall wäre.
Diese Besserstellung kann z. B. erreicht werden, indem das Unternehmen einen Teil seiner Gewinne für einen bestimmten Zeitraum an die Gläubiger zahlt.
Das Insolvenzverfahren kann dadurch zügig durchgeführt und beendet werden. Die Gesellschaft kann fortgesetzt werden (was ohne einen Insolvenzplan unmöglich ist).
Insolvenzpläne für Gesellschaften in der Krise bieten sich daher immer an, wenn die Gesellschaft vom Bestand von Lzenzen, Mietverträgen o. ä. abhängig ist, die eine neue Gesellschaft nicht erhält.

Rechtslage nach InsO:

Voraussetzungen:

  • eröffnetes Insolvenzverfahren
  • Gesellschaften können mittels Insolvenzplan saniert werden. Eine Fortsetzung des bestehenden Unternehmens ist möglich.
  • Voraussetzung ist, dass für die Gläubiger ein besseres Ergebnis erzielt wird, als sie es bei Liquidation oder übertragender Sanierung des Unternehmens erzielen würden (höhere Quote).
    Es müssen Szenarien verglichen werden:
    Welches Ergebnis erzielen die Gläubiger,
    • wenn die Gesellschaft liquidiert/zerschlagen wird oder
    • wenn das Anlage- und Umlaufvermögen und / oder die Gesellschaftsanteile verkauft werden oder
    • wenn eine oder mehrere Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft oder eines Dritten an die Gläubiger erfolgen.
  • Geldmittel können aus zukünftigen Einnahmen der Gesellschaft (Cashflow) oder von Dritten (Investor) stammen. Ebenso können neue Gesellschafter eintreten oder Eingriffe in die Rechte der Altgesellschafter vorgenommen, die Gesellschafterstrukturen also verändert werden. Schließlich können ein Teil oder die gesamten Schulden gegenüber einem oder mehreren Gläubigern durch eine Beteiligung an der Gesellschaft ersetzt werden (sog. Debt Equity Swap).
  • Ausschüttungen an die Gläubiger können als Einmalzahlung oder in Teilbeträgen erfolgen (z. B. 36 Teilbeträge monatlich, 3 Teilbeträge alle 6 Monate, 2 Teilbeträge zum 31.12. des laufenden Jahres und 30.06. des Folgejahres …).

Wer erstellt den Plan?

  • Der Plan wird entweder vom Insolvenzverwalter/Sachwalter oder vom Schuldner (d. h. von seinem Sanierungsberater) vorgelegt.

grundlegender Ablauf des Verfahrens:

  • Überprüfung, ob eine Regulierung mittels Insolvenzplan möglich ist: Woraus sollen die Mittel in welcher Höhe für den Plan erwirtschaftet / beschafft werden?
  • Zunächst wird der Entwurf des Plans nach Absprache der grundlegenden Eckdaten durch den Sanierungsberater erstellt (Was kann wann gezahlt werden?)
  • Dafür werden die Gläubiger in Gruppen eingeteilt. Gruppen werden im Wesentlichen gebildet für Gläubiger gleicher Motivations- oder Interessenlagen, soweit es vom Gesetz nicht schon ohnehin vorgeschrieben ist. In separaten Gruppen müssen z. B. Absonderungsberechtigte eingeordnet werden, wenn in ihre Rechte eingegriffen wird. In separaten Gruppen können z. B. Arbeitnehmer, Großgläubiger oder institutionelle Gläubiger eingeordnet werden. Die Gruppenbildung darf nicht willkürlich sein. Hierzu gibt es umfassende Rechtsprechung.
  • Ist ein Insolvenzplan möglich, bereitet der Sanierungsberater den Plan vor und reicht diesen zunächst zur Vorprüfung bei Gericht und bei Signalisierung fehlender Einwände formell ein. Dabei sind eine Absprache bzw. eine Diskussion der Planregelungen mit dem Gericht üblich.
  • Die Gläubiger müssen für den Plan gewonnen werden. Dafür müssen die Geschäftführung der Gesellschaft und der Sanierungsberater auf die Gläubiger zugehen und aktiv für den Plan werben.
  • Sofern das Gericht keine grundsätzlichen Einwände gegen den Plan erhebt, wird der Plan offiziell eingereicht.
  • Das Gericht übersendet den Insolvenzplan an die wesentlichen Verfahrensbeteiligten (Insolvenzverwalter/Sachwalter, Schuldner, Gläubigerausschuss) und beraumt einen Erörterungs- und Abstimmungstermin an.
  • Im ersten Teil des Termins (Erörterungstermin) werden der Planinhalt und seine Regelungen diskutiert, sofern dafür ein Bedürfnis seitens der anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Gläubigern besteht. Ggf. werden i. R. d. Zulässigen Änderungen vorgenommen.
  • Im zweiten Teil des Termins (Abstimmungstermin) wird über den Plan abgestimmt.
    • In jeder Gruppe muss die Mehrheit der Köpfe der Gläubiger und der Summe der Gläubigerforderungen erreicht werden. Stimmen 2 von 3 Gläubigergruppen zu, ist der Plan angenommen.
    • Die Mehrheit der Gläubiger nach Köpfen und Summen entscheidet.
      Beispiel: Gläubiger 1 hat eine Forderung von 5.000 €, Gläubiger 2 hat eine Forderung von 200 €, Gläubiger 3 hat eine Forderung von 800 €
      Es bestehen Forderungen von 3 Gläubigern in Höhe von 6.000 €.
      Stimmen Gläubiger 2 und 3 zu, Gläubiger 1 lehnt die Zustimmung ab, liegt keine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 1.000 € stimmen zu (Minderheit)
      Stimmt Gläubiger 1 zu, die Gläubiger 2 und 3 verweigern die Zustimmung, liegt keine Mehrheit vor: 1 stimmt zu (Minderheit), 5.000 € stimmen zu (Mehrheit)
      Stimmen Gläubiger 1 und 2 zu, der Gläubiger 3 verweigert die Zustimmung, liegt eine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 5.200 € stimmen zu (Mehrheit)
  • Gläubiger, die eine Beschränkung ihrer Rechte befürchten, müssen im Abstimmungstermin ihre Rechte wahrnehmen.
  • Stimmt die Kopf- und Summenmehrheit für den Plan, bestätigt das Gericht den Plan in der Regel.
  • Das Insolvenzverfahren wird durch das Gericht aufgehoben, wenn entweder die Masseverbindlichkeiten beglichen sind oder ihre Bezahlung in den Liquiditätsplänen nachvollziehbar dargestellt und gesichert ist. Mit dem Aufhebungsbeschluss ist das Insolvenzverfahren beendet.
  • Gesellschaften beschließen im Insolvenzplan ihre Fortsetzung. Normalerweise werden Gesellschaften bei Eröffnung des Verfahrens von Gesetzes wegen beendet. Ausnahme ist, dass die Gesellschafter nach Planbestätigung beschließen, die Gesellschaft fortzusetzen. Wird der Plan angenommen, kann die Gesellschaft fortgesetzt werden (z. B. für die GmbH § 60 GmbHG, für die AG § 274 AktG, für den Verein § 42 BGB).
  • Sodann folgt der Vollzug des Plans (dies kann sowohl vor als auch nach der Aufhebung liegen).
  • Ist keine Mehrheit für den Plan zu beschaffen oder wird sie im Abstimmungstermin nicht erzielt, kann dennoch eine Regelung zugunsten der Gesellschaft gefunden werden (Übertragende Sanierung).

Begrenzung der Haftung der Organe

siehe Abwehr von Haftungsansprüchen​​​​​​​

Auslandsinsolvenz und Insolvenz nach Europarecht

Auslandsinsolvenz

Bis zur Änderung der europäischen Insolvenzverwordnung (EuInsVO) zur jetzt gültigen Fassung vom 26.06.2017 war es nicht ungewöhnlich, dass Gesellschaften, die beabsichtigten, ein Insolvenzverfahren durchzuführen oder hierzu gezwungen waren, den Sitz der Gesellschaft in ein anderes europäisches Land verlegt haben, in dem für das Krisenunternehmen günstigere Gesetze galten. Hierfür wurde herkömmlicherweise der Begriff (internationales) Forum Shopping verwandt. Gleichfalls findet der Begriff Forum Shopping Verwendung im Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn dieses z. B. wegen seiner kurzen Dauer in England durchgeführt wurde (auf die Rechtslage für einen Zeitraum nach oder ohne endgültigem Austrittsabkommen soll hier nicht eingegangen werden). Auch der Bereich (innerstaatliches) Forum Shopping, womit gemeint ist, dass man sich nach Einführung des ESUG Gerichte in Deutschland ausgesucht hat, die einer Eigenverwaltung und einem Schutzschirm eher positiv oder negativ gegenüber standen und danach ausgewählt wurden, fällt eigentlich nicht unter das Forum Shopping. Letztlich ist auch Forum Shopping nicht zu verwechseln mit den sogenanten Firmenbestattungen.

Das internationale Forum Shopping ist eingedämmt worden durch die jetzt gültige EuInsVO und zwar im Wesentlichen insoweit, als das center of main interest (COMI) der Gesellschaft für das zuständige Gericht bei der Antragstellung eines Insolvenzverfahrens maßgeblich ist. 

Sanierung und Restrukturierung nach der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019 (RL):

  • Nach der RL besteht die Möglichkeit, ein außerinsolvenzgerichtliches Restrukturierungsverfahren durchführen zu können im Rahmen der dort vorgesehenen präventiven Restrukturierungsrahmen (PRR) mit den Spielräumen, die der europäische Gesetzgeber geschaffen hat, damit die Mitgliedsstaaten eigene Regelungen an entscheidenden Stellen im Rahmen der Umsetzung einbringen können.
  • Das außerinsolvenzgerichtliche Restrukturierungsverfahren kann bei juristischen Personen mit oder ohne Moratorium sowie mit oder ohne einen Restrukturierungsbeauftragten durchgeführt werden. Weitere Kennzeichen der präventiven Restrukturierungsrahmen sind die Eigenverwaltung durch den Schuldner, die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen und Regelungen über Restrukturierungspläne. Präventive Restrukturierungsrahmen (PRR) sind nicht anwendbar auf natürliche Personen, die keine Unternehmer sind. Die Mitgliedsstaaten können die Anwendung der PRR auf juristische Personen (hier: Gesellschaften) beschränken.
  • Neben dem präventiven Restrukturierungsrahmen sieht die Restrukturierungsrichtlinie zusätzlich eine sogenannte Zweite Chance vor. Diese gilt für insolvente (Einzel-) Unternehmen, die keine juristische Person sind, und Verbraucher.

siehe www.Zweite-Chance.de

Sanierung ohne Insolvenzverfahren

Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Entschuldung ohne Insolvenzverfahren:

  • Umschuldung:
    • Umschuldung der gesamten bestehenden Verbindlichkeiten mittels Bankkredit, der sämtliche Forderungen aller Gläubiger und sämtliche Kosten, die bereits entstanden sind, sowie die Zinsen abdeckt und mit dem die Schulden vollständig bezahlt werden.
    • Der Kredit muss dann entsprechend der Ausgestaltung ratenweise getilgt werden.
    • Eine Umschuldung ist aber kaum ohne Sicherheiten möglich (z. B. Bürgschaft eines Dritten, Immobiliarvermögen etc.).
    • Alle Forderungen müssen erfasst sein; wird auch nur eine Forderung übersehen, kann sie die ganzen Bemühungen zum Scheitern bringen, weil bspw. Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, in Folge derer der Umschuldungskredit auch nicht mehr beglichen werden kann.
  • (außergerichtlicher) Vergleich mit den Gläubigern ohne Insolvenz: Dabei müssen sämtliche Gläubiger dem Vergleichsvorschlag des Schuldners oder seines Beraters zustimmen.
  • Umschuldung und außergerichtliche Vergleiche sind nicht denkbar ohne eine Zusammenarbeit mit den Banken. Die Banken wiederum sind an strenge Vorgaben gebunden, wie z.B.
    • die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für das Risikomanagement in deutschen Banken aus dem Jahre 2017.
    • der Leitfaden für Banken zu notleitenden Krediten (NPL-Leitfaden) der europäischen Zentralbank (EZB) vom 20.03.2017,
    • sowie Ergänzungen hierzu aus März 2018 und April 2019
  • Ansparen von Raten bei einem Berater:
    • Dieser Fall ist i. d. R. für Verbraucher gedacht; der Vollständigkeit halber sei er dennoch dargestellt, da er vermeintlich auch für einen Einzelunternehmer attraktiv zu sein scheint (was er aber tatsächlich nicht ist): Der Schuldner schließt mit dem von ihm gewählten Berater einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, monatliche Raten an diesen zu zahlen. Der so zusammenkommende Betrag soll dann an die Gläubiger verteilt werden, die dann auf die Restforderung verzichten sollen.
    • Von dieser Möglichkeit ist abzuraten: Die eingezahlten Beträge sind nämlich häufig verloren, weil mit behaupteten Kosten verrechnet wird oder andere fadenscheinige Gründe für die Nichtweiterleitung vorgebracht werden. Bis zum Abschluss der Ratenzahlung besteht in aller Regel keine Vereinbarung mit den Gläubigern, so dass man wertvolle Zeit (und wahrscheinlich auch Geld) verschwendet.

Es ist also mit großen Risiken bzw. der Notwendigkeit von zusätzlichen Sicherheiten verbunden, wenn eine Sanierung auf die zuvor genannte Weise ohne Insolvenzverfahren unternommen wird. Insbesondere die Verhandlungen mit Banken sollten von professionellen, im Insolvenzrecht erfahrenen Rechtsanwälten durchgführt werden. Das Risiko auf Regress in Anspruch genommen zu werden, ist sehr hoch (siehe Abwehr von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen).

Gutachter

Nach Insolvenzantragstellung wird von den Insolvenzgerichten i.d.R. zunächst ein Gutachter bestellt. Dessen Aufgabe ist es festzustellen, ob ein gesetzlicher Grund für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegt (§§ 17 – 19 InsO) und ob genügend Masse vorhanden ist, um ein Insolvenzverfahren eröffnen zu können. Ferner hat er zu prüfen, ob Sicherungsmaßnahmen (§§ 21, 22 InsO) erforderlich sind.

Insolvenzanfechtung

Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung ist es, bestimmte Vermögensverschiebungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insbesondere während der Krise vorgenommen wurden, wieder rückgängig zu machen und dadurch das haftende Schuldnervermögen wiederherzustellen. Nach § 129 InsO setzt jede Insolvenzanfechtung eine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung voraus, indem entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt wird, sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1InsO).

Insolvenzforderungen

Insolvenzforderungen sind auf die Zahlung von Geld gerichtete Ansprüche, die bereits vor Verfahrenseröffnung begründet sind. Im Gegensatz zu Forderungen von Aussonderungs-, Absonderungs- oder Massegläubigern besteht für Insolvenzforderungen ein Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO); sie können nur durch Anmeldung zur Tabelle geltend gemacht werden (§§ 87, 174 ff. InsO). Für Insolvenzforderungen bestehen Beschränkungen bei der Aufrechnung (§§ 95, 96 InsO); eine Befriedigung erfolgt erst bei der Verteilung mit der Quote.

Insolvenzverwalter

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann das Insolvenzgericht als Sicherungsmaßnahme einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen und anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit dessen Zustimmung wirksam sind (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 22 Abs. 2 InsO) oder auf diesen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bereits übergeht (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO).

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den im Eröffnungsbeschluss vom Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Er ist kein Rechtsnachfolger oder Vertreter des Schuldners, sondern Partei kraft Amtes. Ihm obliegt die Sicherung und Verwertung der Masse. Dazu hat das Gesetz ihm bei Verträgen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch von keiner Seite vollständig erfüllt waren, ein Wahlrecht (§ 103 InsO) und für Verträge, die nach Insolvenzeröffnung fortbestehen (§ 108 Abs. 1 InsO: Dienst- und Mietverträge) ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt (§§ 109, 113 InsO).

Masseschuld

Masseansprüche sind „vorweg“ (§ 53 InsO), also vor den Insolvenzgläubigern zu berichtigen. Nur die Aus- und die Absonderungsberechtigten sowie die zur Aufrechnung befugten Gläubiger gehen ihnen vor. Die Geltendmachung der Masseansprüche vollzieht sich außerhalb des Insolvenzverfahrens. Sie werden weder zur Insolvenztabelle angemeldet noch im gerichtlichen Prüfungsverfahren geprüft; vielmehr kann der Massegläubiger seine Forderung formlos gegenüber dem Insolvenzverwalter oder gerichtlich geltend machen, solange keine Masseunzulänglichkeit angezeigt ist. Ansprüche, die nach Insolvenzeröffnung aus fortbestehenden Dauerschuldverhältnissen resultieren (§ 108 Abs. 1 und 2 InsO), unterliegen allerdings einer sechsmonatigen Vollstreckungssperre (§ 90 Abs. 1 InsO). Welche Ansprüche als Masseschuld zu berichtigen sind, regelt insb. § 55 InsO.

Masseunzulänglichkeit

Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um alle Masseschulden zu berichtigen, so kann der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht anzeigen (§ 208 InsO). Diese Anzeige bewirkt, dass Gläubiger, deren Forderungen vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, nicht mehr auf Zahlung klagen können und eine Vollstreckung wegen solcher Forderungen unzulässig ist (§ 210 InsO). Die Verteilung der vorhandenen Mittel darf nur noch nach einer bestimmten Rangfolge erfolgen, wobei der nächste Rang erst dann befriedigt wird, wenn die Forderungen des vorhergehenden Rangs zu 100 % berichtigt sind (§ 209 InsO): Zuerst sind die Kosten des Insolvenzverfahrens auszugleichen (Nr. 1), danach die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden (sog. Neu-Masseverbindlichkeiten; Nr. 2), und zuletzt die übrigen Masseverbindlichkeiten (sog. Alt-Masseverbindlichkeiten; Nr. 3).

Nachtragsverteilung

Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen kann das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung anordnen (§ 203 Abs. 1 InsO), wenn zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden (Nr. 1) oder Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen (Nr. 2) oder noch Insolvenzmasse ermittelt wird (Nr. 3). Die Anordnung der Nachtragsverteilung bewirkt, dass für diesen Gegenstand der Insolvenzbeschlag auch Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortbesteht und der Insolvenzverwalter insoweit verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt.

Quote

Aus dem Verhältnis der verteilungsfähigen Masse (das sind die Verwertungserlöse nach Befriedigung aller Aus- und Absonderungsrechte, Verfahrenskosten und Masseschulden) zur Summe aller festgestellten Insolvenzforderungen (siehe Schlussverzeichnis) errechnet sich die sog. Quote, mit der prozentual alle Insolvenzgläubiger gleichmäßige Befriedigung auf ihre festgestellten Forderungen erhalten.

Restschuldbefreiung

Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er mit seinem Eigenantrag die Restschuldbefreiung beantragt, so wird er nach Ablauf der sog. Wohlverhaltensperiode (z.Zt. sechs Jahre; § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) von fast allen Verbindlichkeiten gegenüber seinen Insolvenzgläubigern befreit, und zwar auch von solchen, die nicht zur Tabelle angemeldet wurden (§ 301 Abs. 1 InsO). Voraussetzung ist natürlich, dass der Schuldner seinen Obliegenheiten aus den §§ 290, 295 ff. InsO nachkommt. Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind jedoch Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf das Merkblatt zur Forderungsanmeldung verwiesen.

Hat der Gläubiger Tatsachen vorgetragen, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich unerlaubt begangene Handlung zugrunde liegt, und widerspricht der Schuldner im Prüfungstermin (bzw. im schriftlichen Verfahren: bis zum Ablauf des Prüfungsstichtages) dieser Forderungseigenschaft, obliegt es i.d.R. dem Gläubiger, diesen Widerspruch durch eine Feststellungsklage gegen den Schuldner zu beseitigen. Ansonsten nimmt die Forderung gegebenenfalls an der Restschuldbefreiung teil (BGH 03.04.2019, IX7B 93/13).

Restschuldbefreiung für Selbstständige und Privatpersonen

Als Verbraucher oder Privatperson haben Sie mit uns gute Chancen, von Ihren Schulden befreit zu werden. Hierfür bietet das Gesetz das sog. Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304  ff. Insolvenzordnung (InsO) an, sowie die Möglichkeit einer Schuldenregelung außerhalb eines Insovenzverfahrens durch das seit 1.1.2021 geltende StaRUG.

Die Regelungen des StaRUG:

Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie – das StaRUG

Mit der beschlossenen EU-Richtlinie (EU 2019/1023) verpflichteten sich die Mitgliedstaaten der EU schon im Jahr 2019, Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement sowie eine Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen bei drohender Zahlungsunfähigkeit gesetzlich zu regeln. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber im SanInsFoG den Restrukturierungsrahmen als wesentliches (neues) Instrument kodifiziert: Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)

1. Zielgruppe des StaRUG:

  • restrukturierungsfähige Person, § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG
  • Juristische Personen und natürliche Personen (Die Richtlinie (EU) 2019/1023, Rn. 24, erzwingt keine Öffnung für natürliche Personen)

Dazu regelt der Gesetzgeber nun im nationalen Recht:

„§ 30 StaRUG - Restrukturierungsfähigkeit

(1) Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können vorbehaltlich des Absatzes 2 von jedem insolvenzfähigen Schuldner in Anspruch genommen werden. Für natürliche Personen gilt dies nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind.

(2) Die Bestimmungen dieses Kapitels sind auf Unternehmen der Finanzbranche im Sinne des § 1 Absatz 19 des Kreditwesengesetzes nicht anzuwenden.“

Die Insolvenzfähigkeit nach Abs. (1) ist in den §§ 11, 12 InsO geregelt.

2. Ziele des StaRuG

Das Gesetz enthält hierzu - anders als § 1 InsO für das Insolvenzverfahren - keine Vorgaben. Solche lassen sich aber aus dem Regierungsentwurf des Gesetzes entnehmen, so in Ziff. A.II.1:

  • „Ein wesentliches Ziel des Entwurfs besteht in der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung frühzeitig eingeleiteter und gut vorbereiteter Sanierungen.“
  • „Erforderlich ist daher ein Rechtsrahmen, der es den Beteiligten eines Sanierungsvorhabens ermöglicht, das Vorhaben gegen den Widerstand einzelner umzusetzen. Ein solcher Rahmen soll in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie geschaffen werden.“

 

➔ Gewollt ist also eine Sanierung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens auch gegen den Widerstand einzelner Betroffener-

3. Instrumente des StaRuG:

3.1 Normierung einer Krisen-Früherkennung und eines Krisenmanagements

Hierzu wurde im Gesetz eine Überwachungspflicht der Organe festgelegt, und zugleich Handlungsvorgaben für Geschäftsleiter bei gefährlichen Entwicklungen eingeführt:

„§ 1 StaRUG - Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern

(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht.“

Eine solche geeignete Gegenmaßnahme ist auch und vor allem ein Restrukturierungsplan nach §§ 2 ff StaRUG, der der Entschuldung des Unternehmens dienen soll. Aber: eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung nach Abs. (1) führt nicht zu einer Haftung gegenüber den Gläubigern, sondern nur gegenüber dem Unternehmensträger, denn die Haftung gegenüber den Gläubigern ist in § 43 Abs. 1 StaRUG, wo nur die nicht gewissenhafte Betreibung des Restrukturierungsplanes sanktioniert wird, abschließend geregelt:

„§ 43 StaRUG - Haftung

(1) 1Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 15a Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 der Insolvenzordnung, wirken dessen Geschäftsleiter darauf hin, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Für die Verletzung dieser Pflicht haften sie dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schaden, es sei denn sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten.“

   ➔ Nach dem StaRUG gibt es keine Haftung des Geschäftsleiters bei Fehlhandlungen im Rahmen der Krisenfrüherkennung gem. § 1 Abs. (1) StaRUG.

​​​​​​​​​​​​​​3.2 Installation eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

Mit dem StaRUG wurde ein Restrukturierungsplan als Instrument zur finanzwirtschaftlichen Restrukturierung von Unternehmen geschaffen. Eine Definition eines Restrukturierungsplans fehlt indessen.


​​​​​​​Der Restrukturierungsplan dient gemäß § 2 StaRUG der Neugestaltung von Rechtsverhältnissen wie

  • die Forderungen gegen den Schuldner,
  • der an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden,
  • vertragliche Nebenbestimmungen,
  • der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen,
  • die Rechte gegenüber bürgenden Tochterunternehmen und Mitschuldnern und
  • die bedingten oder noch nicht fälligen Forderungen, § 3 StaRUG


Dabei gibt es aber auch Rechtsverhältnisse, in die durch den Plan nicht eingegriffen werden kann. Restrukturierungsplanfest sind gem. § 4 StaRUG insbesondere:

  • Forderungen von Arbeitnehmern inkl. Renten,
  • Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen,
  • Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Geldstrafen, Geldbußen, etc.),
  • bei natürlichen Personen: Forderungen und Absonderungsanwartschaften, die mit der unternehmerischen Tätigkeit in keinem Zusammenhang stehen.


Zum notwendigen Inhalt eines Restrukturierungsplans gehören (wie beim Insolvenzplan):

  • Darstellender Teil, § 6 StaRUG,
  • Gestaltender Teil, § 7 StaRUG,
  • Erklärung zur Bestandsfähigkeit, § 14 Abs. 1 StaRUG,
  • Vermögensübersicht, § 14 Abs. 2 StaRUG,
  • Ergebnis- und Finanzplan, § 14 Abs. 2 StaRUG,
  • evtl. Erklärung zur Fortführungsbereitschaft, § 15 Abs. 1 StaRUG,
  • ggf. Zustimmung zur Übernahme von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, § 15 Abs. 2 StaRUG,
  • ggf. Verpflichtungserklärung Dritter, § 15 Abs. 3 StaRUG,
  • ggf. Zustimmung von Tochterunternehmen, § 15 Abs. 4 StaRUG.

 

Formale Anforderungen an einen Restrukturierungsplan mit notwendigen Angaben gemäß Anhang zu § 5 Satz 2 StaRUG:

  •  
  • Firma oder Namen und Vornamen,
  • Geburtsdatum,
  • Registergericht und Registernummer,
  • Geschäftszweig oder Beschäftigung,
  • Gewerbliche Niederlassung oder Wohnung des Schuldners,
  • Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans,
  • Bewertung der Vermögenswerte,
  • Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und der Position der Arbeitnehmer,
  • Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der Schwierigkeiten des Schuldners,
  • die Planbetroffenen, die entweder namentlich zu benennen oder unter hinreichend konkreter Bezeichnung der Forderungen oder Rechte zu beschreiben sind,
  • die Gruppen, in welche die Planbetroffenen für die Zwecke der Annahme des Restrukturierungsplans unterteilt wurden, und die auf deren Forderungen und Rechte entfallenden Stimmrechte,
  • die Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden, zusammen mit einer Erläuterung der Gründe für die unterbliebene Einbeziehung,
  • Name und Anschrift des Restrukturierungsbeauftragten, sofern ein solcher bestellt ist,
  • Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse sowie Entlassungen und Kurzarbeiterregelungen und die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung,
  • sofern der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung (§ 14 StaRuG) vorsieht, die Gründe für die Erforderlichkeit dieser Finanzierung.
     

Der darstellende Teil enthält (teilweise über Anforderungen an einen Insolvenzplan nach § 220 InsO hinausgehend) gem. § 6 StaRUG:

  • Beschreibung der Grundlagen und der Auswirkungen des Restrukturierungsplan,
  • alle Angaben, die für die Entscheidung der Planbetroffenen über die Zustimmung und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind,
  • Hervorhebung der Restrukturierungsmaßnahmen, die nicht über den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden können oder sollen,
  • Vergleichsrechnung, in der die Auswirkungen des Plans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen dargestellt werden,
  • bei Eingriffen in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten: Darstellung auch der Verhältnisse des die Sicherheit gewährenden Tochterunternehmens und der Auswirkungen des Plans auf dieses Unternehmen.

 

Der gestaltende Teil enthält (teilweise über Anforderungen an einen Insolvenzplan nach § 221 InsO hinausgehend) gem. § 7 StaRUG:

  • Festlegung, wie in die Rechtstellung der Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (Planbetroffenen) durch den Plan eingegriffen werden und diese geändert werden sollen,
  • bei Gestaltung von Restrukturierungsforderungen: Absonderungsanwartschaften, Bestimmung, um welchen Bruchteil diese gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert und welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen,
  • bei Gestaltung vertraglicher Nebenbestimmungen und Vereinbarungen nach § 2 Abs 2 StaRUG, Festlegung, wie die Nebenbestimmungen und Vereinbarungen abgeändert werden sollen,
  • ggf. Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner,
  • ggf. Festlegung von Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen, Leistung von Sacheinlagen, Ausschluss von Bezugsrechten, Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber, Barabfindungen,
  • sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommen werden, § 13 StaRUG,
  • ist im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit, § 11 S. 1 StaRUG,
  • Restschuldbefreiung muss nicht zwingend im Restrukturierungsplan geregelt werden! Die Restschuldbefreiung kann auch für unbeschränkt haftende Gesellschafter geregelt werden (§ 11 S. 2 StaRUG).

 

Formale Anforderungen an einen Restrukturierungsplan:

  • Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen gem. § 9 StaRUG mit unterschiedlicher Rechtsstellung,
  • Unterscheidung zwischen
    • Inhaber von Absonderungsanwartschaften;
    • Inhaber von Forderungen, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als einfache, nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären, zuzüglich darauf entfallender Zinsen und Säumniszuschläge (einfache Restrukturierungsgläubiger);
    • Inhaber von Forderungen, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 1 Nrn. 4, 5 oder Abs. 2 InsO nur als nachrangige Insolvenzforderungen anzumelden wären (nachrangige Restrukturierungsgläubiger), wobei für jede Rangklasse eine Gruppe zu bilden ist;
    • Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten;
    • Kleingläubiger sind gemäß § 9 Abs. 2 StaRUG zu eigenständigen Gruppen zusammenzufassen.
  • Sieht der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans Eingriffe in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vor, bilden die davon betroffenen Gläubiger eine eigenständige Gruppe;
  • ggf. weitere Unterteilungen möglich.


Auswahl der Planbetroffenen gem. § 8 StaRUG

  • Die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen;
  • die Kriterien sind im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern;
  • eine Auswahl gilt dabei als sachgerecht, wenn
    • nicht einbezogene Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden,
    • die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint,
    • insbesondere ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden,
    • Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben,
    • sämtliche Forderungen einbezogen werden, mit Ausnahme der nach § 4 StaRUG restrukturierungsfesten Forderungen.

 

Die Planbetroffenen sind nach § 10 StaRUG nach den folgenden Kriterien gleich zu behandeln:

  • Innerhalb jeder Gruppe sind allen Planbetroffenen gleiche Rechte anzubieten;
  • Eine unterschiedliche Behandlung der Planbetroffenen in einer Gruppe ist nur mit Zustimmung aller Planbetroffenen, zu deren Lasten die unterschiedliche Behandlung geht, zulässig;
  • Abkommen des Schuldners oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, sind nichtig;
  • Der Restrukturierungsplan wird durch den Schuldner (und seinen Beratern) erstellt und von ihm den Planbetroffenen zur Prüfung und Entscheidung über die Annahme des Restrukturierungsplan übermittelt; dabei ist Art und Weise der Übermittlung des Planangebots nicht geregelt;
  • Das Planangebot unterliegt grundsätzlich der Schriftform nach §§ 126ff. BGB.
  • Aus dem Planangebot muss hervorgehen,
    • mit welchen Forderungen oder Rechten der jeweilige Planbetroffene in den Restrukturierungsplan einbezogen ist,
    • welchen Gruppen der Planbetroffene zugeordnet ist und
    • welche Stimmrechte die ihm zustehenden Forderungen und Rechte gewähren, (§ 17 Abs. 2 StaRUG).
  • Die Annahmefrist muss gem. § 19 StaRUG mindestens 14 Tage betragen.
  • Der Schuldner kann nach § 20 StaRUG die Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan im Rahmen einer Versammlung abstimmen lassen.
  • Wenn der Schuldner vor Abgabe des Planangebots nicht allen vom Plan betroffenen Gläubigern Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzepts gegeben hat, das durch den Plan umgesetzt werden soll, muss im Planangebot gem. § 17 Abs. 3 StaRUG darauf hingewiesen werden, dass ein oder mehrere Planbetroffene verlangen können, eine Versammlung der Planbetroffenen zwecks Erörterung des Plans abzuhalten.
  • Für eine solche Einberufung einer Planbetroffenenversammlung gilt:
    • Sie muss schriftlich erfolgen (§ 20 Abs. 1 S. 2 StaRUG);
    • Die Ladungsfrist beträgt 14 Tage, § 20 Abs. 1 S. 3 StaRUG (7 Tage bei Möglichkeit elektronischer Teilnahme);
    • der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen ist der Einberufung beizufügen;
    • die Versammlung erfolgt unter Vorsitz des Schuldners;
    • die Abstimmung in der Versammlung erfolgt durch jede Gruppe gesondert;
    • der Schuldner hat die Abstimmungsergebnisse zu dokumentieren;
    • die Stimmrechte bestimmen sich nach § 24 StaRUG;
    • der Plan ist gem. § 25 StaRUG angenommen, wenn mindestens ¾ der Gläubiger in jeder Gruppe dem Plan zustimmen;
    • sollte in einer Gruppe die nach § 25 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht werden, wird die Zustimmung dieser Gruppe als erteilt fingiert, wenn
    • die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden;
    • die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert);
    • die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat;
    • wurden lediglich zwei Gruppen gebildet, genügt die Zustimmung der anderen Gruppe;
    • auch ohne ein gerichtliches Verfahren kann der Restrukturierungsplan als privatautonome Gestaltung der Planbetroffenen umgesetzt werden;
    • im Zweifel ist anzunehmen, dass das Planangebot unter der Bedingung steht, dass sämtliche Planbetroffenen zustimmen (§ 18 StaRUG) oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird;
    • daraus folgt: Jedenfalls bei einer Zustimmung aller Planbetroffener bedarf es eines gerichtlichen Verfahrens nicht; ➔durch den Restrukturierungsplan und der ausdrücklichen § 45 StaRUG - Erörterungs- und Abstimmungstermin

 

Dazu § 45 StaRUG:

„(1) Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Restrukturierungsgericht einen Termin, in dem der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird. Die Ladungsfrist beträgt mindestens 14 Tage.

(2) Dem Antrag ist der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen.

(3) Die Planbetroffenen sind zu dem Termin zu laden. Die Ladung enthält den Hinweis darauf, dass der Termin und die Abstimmung auch dann durchgeführt werden können, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen. Das Gericht kann den Schuldner mit der Zustellung der Ladungen beauftragen.

(4) Auf das Verfahren finden die §§ 239 bis 242 der Insolvenzordnung sowie die §§ 24 bis 28 entsprechende Anwendung. Ist streitig, welches Stimmrecht die Forderung, die Absonderungsanwartschaft, die gruppeninterne Drittsicherheit oder das Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht einem Planbetroffenen gewährt und lässt sich darüber keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielen, legt das Gericht das Stimmrecht fest.“
 

  • Es gibt auch beim Restrukturierungsplan einen Erörterungs- und Abstimmungstermin wie beim Insolvenzplan. Die Anforderungen und die formalen Voraussetzungen für diesen Termin sind stark dem Abstimmungstermin im Regelinsolvenzverfahren über einen Insolvenzplan nachempfunden.
  • Aber in § 46 StaRUG ist als Neuerung noch ein Vorprüfungstermin vorgelagert:

„(1) Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Gericht einen gesonderten Termin zur Vorprüfung des Restrukturierungsplans vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin. Gegenstand dieser Vorprüfung kann jede Frage sein, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich ist, insbesondere

1. ob die Auswahl der Planbetroffenen und die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen den Anforderungen der §§ 8 bis 9 entspricht,

2. welches Stimmrecht eine Restrukturierungsforderung, eine Absonderungsanwartschaft oder ein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht gewährt,

oder

3. ob dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht.

§ 45 Absatz 3 gilt entsprechend. Die Ladungsfrist beträgt mindestens sieben Tage.

(2) Das Ergebnis der Vorprüfung fasst das Gericht in einem Hinweis zusammen.

(3) Das Gericht kann einen Vorprüfungstermin auch von Amts wegen bestimmen, wenn dies zweckmäßig ist.“

  • Die Prüfung erfolgt vollumfänglich. Die Frist für die Bestimmung dieses Vorprüfungstermins umfasst mindestens sieben Tage. Die Norm ist dem § 231 InsO nachempfunden und erfolgt aber nur auf Antrag des Schuldners. Ziel: Frühzeitige Behebung von Mängeln im Plan.
  • Die im ursprünglichen Regierungsentwurf in Anlehnung an § 103 InsO vorgesehene Regelung, auch in gegenseitig noch nicht erfüllte Verträge eingreifen zu können und diese durch den Plan vorzeitig zu beenden oder abzuändern, wurde im Rahmen der letzten Lesung komplett gestrichen, was die Gestaltungsspielräume in diesem neuen Verfahren erheblich einschränken dürfte.


4. Neue Beteiligte und neue Funktionen

Um das gerichtliche Verfahren, in dem der Restrukturierungsplan – auch gegen den Widerspruch einzelner opponierender Gläubiger - bestätigt werden soll, transparent und durchführbar zu gestalten, hat der Gesetzgeber hier zwischen dem Gericht, dem Schuldner und den Gläubigern neue Beteiligte installiert und ihnen besondere Aufgaben zugewiesen. Denn eine solche Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens scheiterte bei betroffenen Unternehmen in der Vergangenheit (unter der bis 1999 geltenden Vergleichsordnung) in den letzten Jahrzehnten immer an der Opposition einzelner Gläubiger, die die ihnen angebotene quotale Befriedigung nicht akzeptieren wollten. Der jetzt neu geschaffene Restrukturierungsrahmen ermöglicht eine Sanierung des Unternehmens auch nur mit Mehrheiten der Gläubiger, und um diese zu erreichen und zu vermitteln, bedarf es daher entsprechender „Mittler“ zwischen den Parteien.

So sieht das Restrukturierungsverfahren nach StaRUG zum Schutze der beteiligten Gläubiger einen Restrukturierungsbeauftragten vor. Dessen Bestellung ist für das Sanierungsgericht, bei dem der Antrag auf Durchführung des Sanierungsverfahrens gestellt wird, teilweise verpflichtend (§ 73 StaRUG), teilweise aber auch fakultativ (§ 77 StaRUG). Der antragstellende Schuldner kann im letzteren Fall erheblichen Einfluss auf die Person des Restrukturierungsbeauftragten nehmen. Insbesondere wenn die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens die Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten für förderlich hält und einen solchen vorschlägt, ohne dass das Gesetz zwingend die Besetzung einer solchen Funktion vorsieht, wird und soll das Gericht den Vorschlag der Geschäftsleitung positiv aufgreifen.

Bei einem fakultativenRestrukturierungsbeauftragten nach § 77 StaRUG geht es – anders als im Falle der notwendigen Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 StaRUG – im Ausgangspunkt nicht darum, zum Schutz von Gläubigerinteressen den Schuldner zu überwachen oder die Voraussetzungen für Eingriffe in Gläubigerrechte zu prüfen, sondern im Interesse aller Beteiligten den Restrukturierungsprozess voranzubringen, Informationsasymmetrien auszugleichen und als Mediator oder Vermittler der verschiedenen Interessen zu fungieren, die mit ihrem Know-how in Sanierungsfragen in der Lage ist, zu helfen, diese „unter einen Hut zu bringen“.

Das Gericht kann dem auf Antrag des Schuldners zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 StaRUG jedoch auch noch einen sog. „weiteren Restrukturierungsbeauftragten“ an die Seite stellen und ihm Sonderaufgaben zuweisen, wenn es den vorgeschlagenen Beauftragten ernennt, diesen aber nicht kennt (§ 74 Abs. 3 StaRUG).

Schließlich hat der Gesetzgeber zur Förderung der Sanierung mittels StaRUG noch die Funktion eines Sanierungsmoderators in das Gesetz eingearbeitet (§§ 94 ff. StaRUG). Als Sanierungsmoderator ist eine „geeignete und geschäftskundige“ natürlich Person zu bestellen, die unabhängig von dem schuldnerischen Unternehmen sowie auch unabhängig von den Gläubigern agiert. Ziel der Sanierungsmoderation ist die Vermittlung zwischen schuldnerischem Unternehmen und den Gläubigern, die jedoch innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Monaten abgeschlossen sein soll. Die Sanierungsmoderation soll dabei ein vorgeschaltetes Instrument für die Durchführung eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahrens sein. Die Unterscheidung zum fakultativen Restrukturierungsbeauftragten erschließt sich aus dem Wortlaut jedoch nicht ohne Weiteres:

Im Einzelnen dazu das Gesetz:

§ 73 StaRUG - Bestellung von Amts wegen

(1) Das Restrukturierungsgericht bestellt einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn

1. im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, insbesondere weil deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen oder die Durchsetzung solcher Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch eine Stabilisierungsanordnung gesperrt werden soll,

2. der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung beantragt, welche sich mit Ausnahme der nach § 4 ausgenommenen Forderungen gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll,

3. der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern zustehenden Ansprüche vorsieht (§ 72). Das Gericht kann im Einzelfall von einer Bestellung absehen, wenn die Bestellung zur Wahrung der Rechte der Beteiligten nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig ist.

(2) Eine Bestellung erfolgt auch, wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein unter den Voraussetzungen des § 26 möglich ist. 2Dies gilt nicht, wenn an der Restrukturierung allein Unternehmen des Finanzsektors als Planbetroffene beteiligt sind. Den Unternehmen des Finanzsektors stehen Planbetroffene gleich, die als Rechtsnachfolger in die von Unternehmen des Finanzsektors begründeten Forderungen eingetreten sind oder die mit Forderungen aus geld- oder kapitalmarktgehandelten Instrumenten betroffen werden. Den geld- und kapitalmarktgehandelten Instrumenten stehen nicht verbriefte Instrumente gleich, die zu gleichlautenden Bedingungen ausgegeben wurden.

(3) Das Gericht kann einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, um Prüfungen als Sachverständiger vorzunehmen, insbesondere 1. zu den Bestätigungsvoraussetzungen nach § 63 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und § 64 Absatz 1 oder 2. zur Angemessenheit der Entschädigung bei einem Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten oder einer Beschränkung der Haftung von unbeschränkt haftenden Gesellschaftern.
 

§ 74 StaRUG - Bestellung

(1) Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist und die aus dem Kreis aller zur Übernahme des Amtes bereiten Personen auszuwählen ist.

(2) 1Das Restrukturierungsgericht berücksichtigt bei der Auswahl eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Absatz 1 und 2 Vorschläge des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen. 2Hat der Schuldner die Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 und 2 erfüllt, kann das Gericht vom Vorschlag des Schuldners nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist; dies ist zu begründen. Wenn Planbetroffene, auf welche in jeder der nach § 9 gebildeten oder zu bildenden Gruppen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften mehr als 25 Prozent des Stimmrechts entfallen oder voraussichtlich entfallen werden, einen gemeinschaftlichen Vorschlag unterbreiten und wenn keine Bindung des Gerichts nach Satz 2 besteht, kann das Gericht vom gemeinsamen Vorschlag der Planbetroffenen nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist; dies ist zu begründen.

(3) Folgt das Restrukturierungsgericht einem Vorschlag des Schuldners nach Absatz 2 Satz 2 oder der Planbetroffenen nach Absatz 2 Satz 3, kann es einen weiteren Restrukturierungsbeauftragten bestellen und diesem dessen Aufgaben übertragen; dies gilt nicht für die Aufgaben nach § 76 Absatz 2 Nummer 1 Halbsatz 1 und 2. Wie bei Sachwaltern und Insolvenzverwaltern soll es nur natürlichen Personen möglich sein, als Restrukturierungsbeauftragter tätig zu sein. Auch insofern handelt es sich um ein höchstpersönliches Amt, das eine grundlegende Personenbindung erfordert. Artikel 2 Absatz 1 Nummer 12 der Richtlinie kann insofern durch den bloß unterlassenen Verweis auf das nationale Recht nicht die Verpflichtung entnommen werden, auch juristische Personen als Restrukturierungsbeauftragte zuzulassen. Ferner soll der Restrukturierungsbeauftragte im Einzelfall durch das Gericht aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen ausgewählt werden, was dazu führen dürfte, dass die Gerichte – wie bei Insolvenzverwaltern und Sachwaltern – allgemeine Vorauswahllisten führen. Eine solches Listensystem ist zwar nicht ohne Nachteile, ermöglicht es aber dem Gericht gerade, im Einzelfall unter dem regelmäßig bestehenden Zeitdruck eine schnelle Bestellungsentscheidung treffen zu können. Ein solches System ist nach Erwägungsgrund 88 („Pool“) mit der Richtlinie vereinbar.


§ 77 StaRUG - Antrag

(1) Auf Antrag des Schuldners bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten zur Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten (fakultativer Restrukturierungsbeauftragter). Gläubigern steht dieses Recht gemeinschaftlich zu, wenn auf sie mehr als 25 Prozent der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen oder voraussichtlich entfallen werden und wenn sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung verpflichten.

(2) Der Antrag kann darauf gerichtet sein, dem Beauftragten zusätzlich eine oder mehrere Aufgaben nach § 76 zuzuweisen.
 

§ 78 StaRUG - Bestellung und Rechtsstellung

(1) Auf die Bestellung des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten findet § 74 Absatz 1 entsprechende Anwendung.

(2) Wird von Gläubigern, die voraussichtlich zusammen alle in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gruppen repräsentieren, ein Vorschlag zur Person des fakultativen

Restrukturierungs-beauftragten gemacht, kann das Gericht von diesem nur dann abweichen, wenn die Person offensichtlich ungeeignet ist oder, falls der Beauftragte lediglich zum Zwecke der Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bestellt werden soll, der Schuldner dem Vorschlag widerspricht; eine Abweichung ist zu begründen.

(3) Auf die Rechtsstellung des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten findet § 82 entsprechende Anwendung.“


​​​​​​​​​​​​​​5. Auswirkungen des Restrukturierungsverfahrens auf die (spätere) Insolvenzanfechtung

  • Das Problem: Ein beantragtes und damit bekanntwerdendes Restrukturierungsverfahren könnte als Kenntnis von einem Insolvenzgrund gewertet werden. Im Rahmen eines dann später doch zustande kommenden Insolvenzverfahren könnte eine darauf gestützte Insolvenzanfechtung von Verfügungen des Schuldners in dieser Zeit nachteilig für Gläubiger / Vertragspartner sein.
  • Lösung des Problems durch Klarstellung in §§ 89-91 StaRUG:
  • Eine Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist anfechtungs- oder haftungsrechtlich nicht nachteilig;
  • Kein Benachteiligungsvorsatz;
  • Keine Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung;
  • Zahlungen bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar.
  • Die Regelungen eines Restrukturierungsplans und dessen Vollzugshandlungen sind nur anfechtbar, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war.
  • Ausgenommen hiervon:
  • Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens),
  • Sicherheitsleistungen nach § 135 InsO (Gesellschafterdarlehen),
  • Die Zeiten der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache werden aus den Fristberechnungen nach §§ 88, 130 bis 136 InsO herausgenommen.

 

Weitere Möglichkeiten zur Entschuldung ohne Insolvenzverfahren:

Das Verbraucherinsolvenzverfahren gilt für folgende Personen:

  • Personen, die niemals selbstständig waren oder
  • Personen, die selbstständig waren und deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind. Die Vermögensverhältnisse sind überschaubar, wenn Sie jetzt weniger als 20 Gläubiger haben und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (z. B. Löhne, Beiträge zur Berufsgenossenschaft oder  Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Arbeitnehmer) bestehen. Auch wenn beide Voraussetzungen nicht vorliegen, können die Vermögensverhältnisse trotzdem unüberschaubar sein, wenn komplexe Sachverhalte vorliegen. Dann ist das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht einschlägig, sondern das Regelinsolvenzverfahren (Selbstständige, Kleinunternehmer, Freiberufler).

Das Verbraucherinsolvenzverfahren läuft – in groben Zügen – wie folgt ab:

  • Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
  • Einreichung des Insolvenzantrages, Stundungsantrag
  • Eröffnetes Verfahren bis zum Schlusstermin
  • Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Privatpersonen oder Verbraucher, eine Schuldenbefreiung zu erreichen:

  • Schuldenbefreiung nach 3 Jahren
    Wie funktioniert eine Schuldenbefreiung in 3 Jahren bei Privatpersonen und Verbrauchern?
  • Schuldenbefreiung innerhalb eines Jahres mit Verbraucherplan
    Verbraucherplan
  • Schuldenbefreiung in anderen Ländern oder nach Europarecht
    Insolvenz und Europarecht
  • Schuldenbefreiung ohne Insolvenzverfahren
    Gibt es eine Schuldenbefreiung von Privatpersonen (natürlichen Personen, Verbrauchern) ohne Insolvenzverfahren?

Wie funktioniert eine Schuldenbefreiung in 3 Jahren bei Privatpersonen und Verbrauchern?

Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren zur Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens

  • Vor Einleitung eines Verbraucher- oder Privatinsolvenzverfahrens ist der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung gesetzlich vorgeschrieben. Dazu kann man sich an eine Schuldnerberatungsstelle oder einen im Insolvenzrecht erfahrenen Rechtsanwalt wenden. Dort werden zunächst die aktuellen persönlichen Verhältnisse (Beteiligung am Erwerbsleben, Familienverhältnisse, Unterhaltsverpflichtungen) ermittelt und die wirtschaftliche Situation (Einkünfte, vorhandenes und ggf. verwertbares Vermögen, Umfang der Schulden) aufgeklärt. Alle bekannten Gläubiger werden aufgefordert, den aktuellen Stand der bei ihnen bestehenden Verbindlichkeiten mitzuteilen.
  • Danach wird den Gläubigern ein Vergleichsangebot gemacht (sog. außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan). Es können eine Einmalzahlung, monatliche Raten, die monatlich pfändbaren Beträge o. ä. angeboten werden. Die Gläubiger können dem Vergleich zustimmen, ihn ablehnen oder dazu schweigen. Stimmen nicht alle Gläubiger zu, ist der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung gescheitert. Dies muss von einer sog. geeigneten Stelle (z. B. anerkannte Schuldenberatungsstelle, Rechtsanwalt) bescheinigt werden.
  • Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren wird von den anerkannten Schuldenberatungsstellen kostenlos durchgeführt. Man muss aber mit mehr oder weniger langen Wartezeiten rechnen. Wer daher oder aus anderen Gründen einen Rechtsanwalt beauftragen möchte und aber keine Mittel dafür hat, kann Beratungshilfe beantragen. Wenn die Beratungshilfe gewährt wird, ist die Durchführung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens für den Schuldner bis auf einen Betrag von 10,00 € kostenfrei. Ob ein Beratungshilfeschein vom zuständigen Amtsgericht an den Rat suchenden Schuldner ausgegeben wird, wird beim Amtsgericht vom Rechtspfleger entschieden.
  • Wenn keine Beratungshilfe gewährt wird, hat der Schuldner die Kosten des Rechtsanwalts für den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan und die Antragstellung zu zahlen (Kosten).

Einreichung des Insolvenzantrages, Stundung der Verfahrenskosten

  • Sollte die außergerichtliche Schuldenbereinigung gescheitert sein, kann ein Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahrens gem. §§ 304 ff. InsO gestellt werden. Sind keine ausreichenden Geldmittel für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwaltes vorhanden, dann kann die Stundung der Kosten beantragt werden. Gleichzeitig tritt der Schuldner die pfändbaren Bezüge aus Arbeitsverhältnissen und sonstigen Einkünften an den Insolvenzverwalter ab.
  • In einem ersten Schritt prüft das Gericht, ob fehlende oder verweigerte Zustimmungen zum außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan ersetzt werden können. Dabei werden die Gläubiger faktisch so behandelt, als hätten sie doch zugestimmt. Dann ist der Plan zustandegekommen und die Insolvenz vermieden. Statistisch gesehen gelingt diese Ersetzung selten.
  • Können die fehlenden oder verweigerten Zustimmungen nicht ersetzt werden, wird über den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten entschieden, so dass dann das gerichtliche Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wird.
  • Zusätzlich wird der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so dass der Schuldner am Ende des gesamten Verfahrens von den noch bestehenden Verbindlichkeiten (Schuldenschnitt, Entschuldung) befreit wird. Das reguläre Verfahren dauert  3 Jahre. Die Restschuldbefreiung betrifft alle Forderungen, ob sie am Verfahren teilgenommen haben oder nicht. Ggf. können Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung betroffen sein (z. B. Geldstrafen, Deliktforderungen).

Eröffnetes Verfahren bis zum Schlusstermin

Im eröffneten Verfahren melden die Gläubiger beim Insolvenzverwalter ihre Forderungen an. Diese werden in einem Prüftermin geprüft. Vermögensgegenstände werden verwertet. Das Insolvenzverfahren endet mit dem Schlusstermin.

Was wird verwertet?

  • In einem Verbraucherinsolvenzverfahren werden grundsätzlich alle Vermögensgegenstände verwertet. Ausnahmen gelten für unpfändbare Gegenstände (z. B. ein Fahrzeug, das zum Erreichen der Arbeitsstätte erforderlich ist).
  • Das Pfändungsschutzkonto unterfällt als solches nicht der Insolvenz. U. U. könne aber Beträge von der Bank separiert und an den Insolvenzverwalter abgeführt werden (siehe Pfändungsschutzkonto).
  • Der Schuldner darf kein Geld ansparen und – z. B. – auf einem Sparkonto anlegen. Es ist dabei egal, für welchen Zweck das Geld angespart wird.
  • Der Insolvenzverwalter zieht die pfändbaren Anteile des Einkommens zur Masse.
  • Ansprüche aus Erbrecht oder ein Lottogewinn gehören vollständig zur Masse.

Was muss der Schuldner im Verfahren leisten?

  • Er muss sog. Obliegenheiten erfüllen. Die Nichterfüllung kann die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben.
  • Der Schuldner soll einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen.
  • Pfändbare Beträge des Einkommens werden vom Arbeitgeber oder einem sonstigen Zahlungsverpflichteten oder vom Schuldner selbst an den Insolvenzverwalter abgeführt.

Pfändungsschutzkonto

  • Kontoguthaben auf Spar- oder Girokonten gehören zur Insolvenzmasse und werden verwertet. Einzige Ausnahme ist ein als Pfändungsschutzkonto (sog. P-Konto) eingerichtetes Konto bei einer Bank oder Sparkasse.
  • Ein bestehendes Girokonto kann in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden (ggf. unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen und Fristen).
  • Für das Pfändungsschutzkonto wird ohne weitere Voraussetzungen ein Basisfreibetrag eingeräumt. Weitere Freibeträge kann man über eine Bescheinigung eintragen lassen. Das sollte man nicht versäumen, da bares Geld auf dem Spiel steht: Der Basisfreibetrag ist nämlich geringer als der Freibetrag, der gegenüber dem Arbeitgeber besteht! Unternimmt man nichts, dann zieht der Arbeitgeber die Pfandbeträge vom Nettoeinkommen ab und überweist auf das Pfändungsschutzkonto. Dort werden die Beträge bis zum Basisfreibetrag abgezogen. Das liegt daran, dass die Pfändung des Gehalts und das Pfändungsschutzkonto unterschiedliche Voraussetzungen haben.
  • Verbleibt Guthaben auf dem Konto, obwohl die dafür vorgesehene Frist (sehr vereinfacht: Geldeingang plus 1 Monat) überschritten ist, wird dieses Guthaben separiert und an den Insolvenzverwalter überwiesen.
  • Sparen ist nicht möglich, auch wenn das für nützliche Sachen (Waschmaschine soll gekauft werden, Kinder sollen Geschenke erhalten…) erfolgt.

Berechnung des pfändbaren Betrages

  • Die Ermittlung des pfändbaren Betrages richtet sich nach verschiedenen Vorschriften und der Rechtsprechung (Berechnung des pfändbaren Betrages).

Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – sog. Deliktforderungen

  • Bestimmte Forderungen sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen (Deliktforderungen).

Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode

  • Nach dem Schlusstermin wird das Verfahren beendet. Es beginnt die Restschuldbefreiungsphase oder Wohlverhaltensperiode (Restschuldbefreiungsphase / Wohlverhaltensperiode).

Was muss ich von meinem Einkommen abgeben (Berechnung des pfändbaren Betrages)?

  • Vom Bruttoeinkommen werden die Krankenkassenbeiträge und Steuern abgezogen.
  • Ggf. werden teilweise oder ganz unpfändbare Beträge des Bruttoeinkommens nebst darauf ggf. entfallenden Krankenkassenbeiträgen und Steuern abgezogen (z. B. Weihnachtsgeld bis 500 €, Urlaubsgeld, Sonntagszuschlag, Überstundenvergütung zur Hälfte – jeweils brutto).
  • Vom daraus ermittelten Nettobetrag wird der Pfandbetrag errechnet, wenn er einen Betrag von (derzeit) 1.179,99 € (Pfandbetragstabellen gibt es im Internet – in der Suche z. B. „Pfändungstabelle 2019“ eingeben) überschreitet. Auch von dem über diesem Betrag liegenden Einkommen muss man nicht alles, sondern nur einen Teil abgeben. Bei Überschreitung werden bestimmte weitere Freibeträge für die Erfüllung von Unterhaltspflichten berücksichtigt.
  • Die Freibeträge werden regelmäßig angepasst (derzeit in ungeraden Jahren, letztmalig Juli 2019). Der Pfandbetrag richtet sich immer nach dem Monat, für den gezahlt wird, auch wenn das Gehalt oder der Lohn erst später ankommt. Erhält man mehrere Löhne auf einmal (z. B. Arbeitgeber zahlt den Lohn Juli von 1.200 € zunächst nicht, als der Lohn August von 1.200 € fällig wird, holt er dies nach und zahlt 2.400 €), dann wird der Pfandbetrag nach dem einzelnen, für den jeweiligen Monat geltenden Lohn (1.200 €) und nicht nach dem gezahlten Gesamtlohn (2.400 €) berechnet.
  • Mehrere Einkommen (also nicht: mehrere Zahlungen – siehe zuvor) werden auf Antrag zusammengerechnet. Der Pfandbetrag ist dann aus dem zusammengerechneten Einkommen zu ermitteln.
  • Zuschläge:
    • Nettobetrag ist unpfändbar: Sonntagszuschlag, Feiertagszuschlag, Nachtzuschlag, Erschwerniszuschlag, Schmutzzulage, u. a.
    • Nettobetrag ist normal pfändbar: Wechselschichtzulage, Samstagszuschlag, Zuschläge für Arbeit am 24.12. oder 31.12., Anwesenheitsprämie, u. a.
  • Verpflegungskosten, Fahrtkosten sind meist unpfändbar.
  • Das Kindergeld bleibt unberücksichtigt. Erhält man Unterhalt für die Kinder, zählt er nicht zum pfändungsrelevanten Einkommen.
  • Unterhaltspflichten:
    • Die Pfandbeträge verringern sich je nach der Anzahl der zu erfüllenden Unterhaltspflichten.
    • Bsp.:  
      • Monatsnetto: 2.690,00 € bis 2.699,99 €
      • Pfändbarer Betrag bei
        • 0 = 1.057,99 €
        • 1 = 533,92 €
        • 2 = 328,29 €
        • 3 = 172,08 €
        • 4 = 65,30 €
        • 5 oder mehr = 7,94 €​​​​​​​
  • Lebt ein Unterhaltsberechtigter nicht im eigenen Haushalt, muss die Zahlung von Unterhalt nachgewiesen werden. Nur dann wird er auch berücksichtigt.
  • Ein eigentlich Unterhaltsberechtigter kann auf Antrag auch nicht mehr berücksichtigt werden, weil er über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt. (z. B. Die Ehefrau arbeitet und verdient mehr als ca. 700 € – konkret hängt dies aber von weiteren Umständen ab.).
  • keine Unterhaltspflicht: Angehörige der Bedarfsgemeinschaft bei SGB II (Hartz IV), wenn keine familienrechtliche Unterhaltspflicht besteht
  • Bsp.: Herr X und Frau Y leben zusammen, sind aber nicht verheiratet. Herr X hat 1.500,00 € Nettoeinkommen, Frau Y beantragt SGB II. Dies wird vom JobCenter abgelehnt, weil Herr X in der Bedarfsgemeinschaft lebt, der über ausreichendes Einkommen für beide verfügt. Wenn Herr X Pfandbeträge schuldet, dann wird Frau Y bei deren Berechnung dennoch nicht berücksichtigt!
  • Beispiele zur Pfandbetragshöhe
    • Bsp. 1:
      • Brutto 2.500,00 €, Steuern 315,97 € (StK 1), SV-Beiträge 515,63 €, Netto 1.668,40 €
      • keine Unterhaltspflichten: Pfandbetrag 336,99 €
      • 1 Unterhaltspflicht: Pfandbetrag 18,92 €
    • Bsp. 2:
      • Brutto 2.500,00 €, davon 500,00 € Überstunden, Steuern 315,97 € (StK 1), SV-Beiträge 515,63 €, Netto 1.668,40 €
      • Die Überstunden werden netto zur Hälfte nicht gepfändet.
      • keine Unterhaltspflichten: Pfandbetrag 224,99 €
      • 1 Unterhaltspflicht: Pfandbetrag 0,00 €
    • Bsp. 3:
      • Brutto 3.000,00 €, davon 500,00 € Weihnachtsgeld, Steuern 446,43 € (StK 1), SV-Beiträge 618,75 €, Netto 1.934,82 €
      • Das Weihnachtsgeld wird netto bis zu einem Höchstbetrag von 500,00 € nicht gepfändet.
      • keine Unterhaltspflichten: Pfandbetrag 301,99 €
      • 1 Unterhaltspflicht: Pfandbetrag 0,00 €
    • Bsp. 4:
      • Brutto 3.000,00 €, davon 1.000,00 € Weihnachtsgeld, Steuern 446,43 € (StK 1), SV-Beiträge 618,75 €, Netto 1.934,82 €
      • Das Weihnachtsgeld wird netto bis zu einem Höchstbetrag von 500,00 € nicht gepfändet.
      • keine Unterhaltspflichten: Pfandbetrag 301,99 €
      • 1 Unterhaltspflicht: Pfandbetrag 0,00 

Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – sog. Deliktforderungen – Wir beraten Sie bei Gegenmaßnahmen!

  • Innerhalb eines laufenden Insolvenzverfahrens können Gläubiger ihre Forderungen zur Tabelle anmelden.
  • Gläubiger können (ob berechtigt oder nicht) behaupten, dass das Bestehen der Forderung auf ein Fehlverhalten des Schuldners zurückzuführen ist.
  • mögliche Fälle (nicht abschließend):
    • (Eingehungs-) Betrug: Der Schuldner hat die Geldkarte trotz Kenntnis von der fehlenden Deckung des Kontos eingesetzt.
    • Kreditbetrug: falsche Angaben beim Kreditvertragsabschluss
    • Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung: Schuldner als Arbeitgeber hat die Krankenkassenbeiträge nicht abgeführt. 
    • Unterhaltsvorenthaltung: Schuldner zahlt keinen Unterhalt, obwohl er könnte
    • Forderungen aus Steuerstraftaten
  • Solange der Gläubiger etwas vorträgt, was nachvollziehbar ist und richtig sein kann, wird diese Behauptung in die Tabelle eingetragen.
  • Der Schuldner kann Widerspruch erheben.
  • Erhebt der Schuldner keinen Widerspruch, dann unterfällt die jeweilige Forderung nicht der Restschuldbefreiung. Die Forderung bleibt daher voll bestehen. Ggf. sind gezahlte Quoten abzuziehen.
  • Erhebt der Schuldner Widerspruch, dann wird dies in die Tabelle eingetragen. Der Schuldner erhält sich damit das Recht, gegen die Behauptung vorzugehen.
  • Auch bei einem eingetragenen Widerspruch kann der Gläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus der vollen Forderung (ggf. um gezahlte Quoten reduziert) vollstrecken, wenn der Schuldner dagegen nichts unternimmt.
  • Mögliche Gegenmaßnahmen, die wir für Sie ergreifen bzw. bei denen wir Sie unterstützen:
    • außergerichtliche Verhandlungen mit dem Gläubiger
    • Klage auf Beseitigung der Behauptung (sog. Nichtfeststellungsklage) schon während des laufenden Insolvenzverfahrens
    • Klage auf Verbot der Zwangsvollstreckung (sog. Vollstreckungsgegenklage) nach Erteilung der Restschuldbefreiung.

Auch wenn Sie sich sonstigen Forderungen ausgesetzt sehen, z. B. Anfechtungs- oder Haftungsansprüche, können wir Ihre Interessen vertreten Abwehr von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen).

Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode

  • Nach Abschluss der Vermögensverwertung wird das Verfahren aufgehoben oder eingestellt. Es beginnt die Restschuldbefreiungsphase oder Wohlverhaltensperiode, die nach 3 Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens regulär endet.
  • Der Insolvenzbeschlag ist beendet. Die Obliegenheiten werden eingeschränkt. Die Erwerbsobliegenheit besteht weiterhin. Pfandbeträge müssen gezahlt werden. Ansprüche aus Erbrecht sind nur noch zu 50% abzuführen. Der Schuldner kann frei über sein sonstiges Einkommen verfügen, z. B. Sparkonten anlegen oder einen Lottogewinn verbrauchen.
  • Restschuldbefreiung wird erteilt:
    • nach 3 Jahren ab Eröffnung ohne Voraussetzungen
    • Sollte der derzeit in der Beratung befindliche Referentenentwurf des BMJV in Gesetzeskraft erwachsen, dann wird sich die Wohlverhaltensperiode ab 2022 auf 3 Jahre insgesamt verkürzen. Anträge auf Eröffnung des Verfahrens bis zu diesem Zeitpunkt werden zu einer gestaffelten Verkürzung des jeweiligen Verfahrens führen
  • Von der Restschuldbefreiung sind bestimmte Forderungen ggf. ausgenommen (z. B. aus Deliktforderung).
  • Die Restschuldbefreiung kann auf Antrag versagt werden, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Solche Gründe können z. B. vorliegen, wenn Sie:
    • keine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben oder bei fehlender Beschäftigung um keine solche bemühen oder zumutbare Tätigkeiten ablehnen,
    • Ansprüche aus Erbrecht nicht zu 50% an den Treuhänder herausgeben,
    • einen Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle nicht unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzeigen,
    • von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge oder Vermögen aus Erbrecht verheimlichen,
    • dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen keine Auskunft über Erwerbstätigkeit oder Bemühungen um eine solche sowie über Bezüge und Vermögen erteilen,
    • Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht nur an den Treuhänder geleistet und einem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschafft wird
    • als Selbstständige nicht den nach ihrem fiktiven Einkommen ermittelten Pfandbetrag abführen,
    • bei fehlender Stundung der Verfahrenskosten: keine Zahlung der Mindestvergütung an den Treuhänder leisten.
  • Die Rechtsprechung ist dazu vielfältig.
  • Wir beraten Sie über Ihre Obliegenheiten und vertreten Sie auch im Gerichtsverfahren (siehe www.zweite-chance.tipps).

Schuldenbefreiung innerhalb eines Jahres für Privatpersonen

Mit einem Verbraucherplan können Privatpersonen ein Insolvenzverfahren relativ schnell, meistens innerhalb eines Jahres, beenden. Ansonsten dauert das Verfahren 3 Jahre bis zur Beendigung (schuldenfrei in 3 Jahren).

  • Privatpersonen können die bestehenden Verbindlichkeiten über einen Insolvenzplan (Verbraucherplan) regulieren.
  • Wir erstellen für Sie einen Verbraucherplan, um Sie binnen eines Jahres zu entschulden!
  • Voraussetzung ist, dass z. B. von Ihren Verwandten oder Bekannten Geldmittel beschafft werden können, die zur Teilregulierung zur Verfügung stehen.
  • Dafür wird den Gläubigern ein Vergleich angeboten, nach dem sie einerseits auf einen Teil der Verbindlichkeiten verzichten und andererseits einen höheren Teil der Schulden bezahlt bekommen, als es bei einer normalen Abwicklung des Verfahrens der Fall wäre.
    Diese Besserstellung kann z. B. durch eine Zahlung eines Dritten (z. B. eines Verwandten) erreicht werden.
    Das Insolvenzverfahren kann dadurch zügig durchgeführt und beendet werden, meistens deutlich unter einem Jahr.

Verbraucher-Plan

Voraussetzungen:

  • eröffnetes Insolvenzverfahren
  • Voraussetzung ist, dass für die Gläubiger ein besseres Ergebnis erzielt wird, als sie es bei normalem Ablauf des Verfahrens erzielen würden (höhere Quote).
  • Geldmittel können aus zukünftigen unpfändbaren Einnahmen der Privatperson oder von Dritten (Familienangehörige, Geldgeber) stammen.
  • Ausschüttungen an die Gläubiger können als Einmalzahlung oder in Teilbeträgen erfolgen (z. B. 36 Teilbeträge monatlich, 3 Teilbeträge alle 6 Monate, 2 Teilbeträge zum 31.12. des laufenden und 30.06. des Folgejahres…).

Wer erstellt den Plan?

  • Der Plan wird entweder vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner (d. h. von seinem Sanierungsberater) vorgelegt.

Wie läuft das Verbraucherplan-Verfahren ab?

  • Überprüfung, ob eine Regulierung mittels Insolvenzplan möglich ist: Woraus sollen die Mittel in welcher Höhe für den Plan erwirtschaftet / beschafft werden?
  • Zunächst wird der Entwurf des Plans nach Absprache der grundlegenden Eckdaten durch den Sanierungsberater erstellt (Was kann wann gezahlt werden?).
  • Gläubigergruppen können gebildet werden, um (missliebige) Gläubiger zu überstimmen. Bei Verbraucherplänen ist die Bildung von Gläubigergruppen regelmäßig nicht erforderlich.
  • Ist ein Insolvenzplan möglich, bereitet der Sanierungsberater den Plan vor und reicht diesen zunächst zur Vorprüfung bei Gericht und bei Signalisierung fehlender Einwände formell ein. Dabei sind eine Absprache bzw. eine Diskussion der Planregelungen mit dem Gericht üblich.
  • Die Gläubiger müssen für den Plan gewonnen werden. Dafür muss der Sanierungsberater auf die Gläubiger zugehen und aktiv für den Plan werben.
  • Sofern das Gericht keine grundsätzlichen Einwände gegen den Plan erhebt, wird der Plan offiziell eingereicht.
  • Das Gericht übersendet den Insolvenzplan an die wesentlichen Verfahrensbeteiligten (Insolvenzverwalter, Schuldner) und beraumt einen Erörterungs- und Abstimmungstermin an.
  • Im ersten Teil des Termins (Erörterungstermin) werden der Planinhalt und seine Regelungen diskutiert, sofern dafür ein Bedürfnis seitens der anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Gläubigern besteht. Ggf. werden i. R. d. Zulässigen Änderungen vorgenommen.
  • Im zweiten Teil des Termins (Abstimmungstermin) wird über den Plan abgestimmt.
  • In jeder Gruppe muss die Mehrheit der Köpfe der Gläubiger und der Summe der Gläubigerforderungen erreicht werden. Stimmen 2 von 3 Gläubigergruppen zu, ist der Plan angenommen.
  • Die Mehrheit der Gläubiger nach Köpfen und Summen entscheidet.
    Beispiel: Gläubiger 1 hat eine Forderung von 5.000 €, Gläubiger 2 hat eine Forderung von 200 €, Gläubiger 3 hat eine Forderung von 800 €
    Es bestehen Forderungen von 3 Gläubigern in Höhe von 6.000 €.
    Stimmen Gläubiger 2 und 3 zu, Gläubiger 1 lehnt die Zustimmung ab, liegt keine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 1.000 € stimmen zu (Minderheit)
    Stimmt Gläubiger 1 zu, die Gläubiger 2 und 3 verweigern die Zustimmung, liegt keine Mehrheit vor: 1 stimmt zu (Minderheit), 5.000 € stimmen zu (Mehrheit)
    Stimmen Gläubiger 1 und 2 zu, der Gläubiger 3 verweigert die Zustimmung, liegt eine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 5.200 € stimmen zu (Mehrheit)
    Die (doppelte) Mehrheit entscheidet. Liegt eine Mehrheit vor, müssen die unterlegenen Gläubiger den Verbraucherplan ebenso akzeptieren.
  • Gläubiger, die eine Beschränkung ihrer Rechte befürchten, müssen im Abstimmungstermin ihre Rechte wahrnehmen.
  • Stimmt die Kopf- und Summenmehrheit für den Plan, bestätigt das Gericht den Plan in der Regel.
  • Verweigern einige Gläubiger ihre Zustimmung, kann das Gericht diese ggf. ersetzen.
  • Das Insolvenzverfahren wird durch das Gericht aufgehoben. Mit dem Aufhebungsbeschluss ist das Insolvenzverfahren beendet.
  • Sodann folgt der Vollzug des Plans (dies kann sowohl vor als auch nach der Aufhebung liegen).
  • Ist keine Mehrheit für den Plan zu beschaffen oder wird sie im Abstimmungstermin nicht erzielt, ist dennoch eine Entschuldung des Schuldners möglich (schuldenfrei in 3, 5 oder 6 Jahren).

Was sind die Folgen des Verbraucherplans?

  • Der Schuldner muss die Verpflichtungen aus dem Plan erfüllen, also den Gläubigern die versprochene Zahlung leisten.
  • Der übrige Teil der Schulden ist mit der Erfüllung erlassen.

Insolvenz und Europarecht

Auslandsinsolvenz

Früher wurde die Möglichkeit angeboten und genutzt, z. B. in Großbritannien eine Insolvenz in verhältnismäßig kurzer Zeit durchzuführen und eine Befreiung von den bestehenden Schulden zu erlangen.
Dies war mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere bestand die Gefahr, dass die so erlangte Restschuldbefreiung nicht anerkannt wurde, weil bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt worden sind.
Mit den in Deutschland bestehenden Möglichkeiten, u. U. in kurzer Zeit eine Restschuldbefreiung über den Verbraucherplan zu erlangen, ist dies nicht mehr notwendig.

Schuldenbereinigung von Privatpersonen (natürlichen Personen, Verbrauchern) nach Restrukturierungsrichtlinie (RL):

Unter dem Stichwort Zweite Chance sieht die RL vor, dass insolventen Unternehmen volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht werden soll. Es obligt den Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob diese verkürzte Restschuldbefreiung auch für Verbraucher gelten soll. In dem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 13.02.2020) ist vorgesehen, dass Verbraucher gleichfalls ohne bestimmte Mindestquoten erzielen zu müssen, mit der verkürzten dreijährigen Frist bedacht werden.

Es wird allerdings eine Übergangsregelung eingeführt, wonach die 3-Jahres-Frist mit dem 17.07.2022 beginnt und monatliche Abstufungen seit dem 17.12.2019 bis zum 17.07.2022 vorliegen, sodass beim Übergang keine abrupte Verkürzung der Fristen gegeben ist (siehe www.zweite-chance.de).

Gibt es eine Schuldenbefreiung von Privatpersonen (natürlichen Personen, Verbrauchern) ohne Insolvenzverfahren?

Wie bereits unter dem Titel „Wie funktioniert eine Schuldenbereinigung in 3 Jahren?“ (schuldenfrei in 3 Jahren) dargestellt, sind auf dem Beratermarkt zur Schuldenbereinigung viele Angebote vorhanden. Auf die Risiken für den Schuldner haben wir hingewiesen.

Unabhängig vom Vorgenannten werden mehrere Möglichkeiten zur Entschuldung ohne eine Form des Insolvenzverfahrens angeboten:

  • Umschuldung:
    Die Umschuldung der gesamten bestehenden Verbindlichkeiten kann mittels Bankkredit versucht werden, der sämtliche Forderungen aller Gläubiger und sämtliche Kosten, die bereits entstanden sind, sowie die Zinsen abdeckt und mit dem die Schulden auf einen Schlag bezahlt werden. Der Kredit muss dann entsprechend der Ausgestaltung ratenweise getilgt werden.
    Eine Umschuldung ist aber kaum ohne Sicherheiten möglich (z. B. Bürgschaft eines Dritten, Immobiliarvermögen etc.).
  • (außergerichtlicher) Schuldenbereinigungsplan ohne Insolvenz:
    Als weitere Möglichkeit wird der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan ohne Insolvenz angeboten, wobei sämtliche Gläubiger dem Vergleichsvorschlag des Beraters zustimmen müssen.
    Oftmals wird unter der Überschrift „Schuldenbereinigungsplan ohne Insolvenz“ damit geworben, dass schon bei mehrheitlicher Zustimmung der Gläubiger zum Plan mit gerichtlicher Hilfe der Plan ohne Insolvenz durchgesetzt werden kann. Dabei handelt es sich allerdings um Augenwischerei. Dies ist tatsächlich entweder das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren als Voraussetzung für die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens oder in dessen Folge der Verbraucherplan.
  • Ansparen von Raten bei einem Berater:
    Der Schuldner schließt mit dem von ihm gewählten Berater einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, monatliche Raten an diesen zu zahlen. Der so zusammenkommende Betrag soll dann an die Gläubiger verteilt werden, die dann auf die Restforderung verzichten sollen.
    Von dieser Möglichkeit ist abzuraten: Am Markt sind viele Anbieter präsent, davon leider auch einige schwarze Schafe, die die Zwangssituation von Schuldnern ausnutzen: Die eingezahlten Beträge sind nämlich häufig verloren, weil mit behaupteten Kosten verrechnet wird oder andere fadenscheinige Gründe für die Nichtweiterleitung vorgebracht werden. Bis zum Abschluss der Ratenzahlung besteht in aller Regel keine Vereinbarung mit den Gläubigern, so dass man wertvolle Zeit (und wahrscheinlich auch Geld) verschwendet.

Es ist also mit großen Risiken bzw. der Notwendigkeit von zusätzlichen Sicherheiten verbunden, wenn eine Schuldenbereinigung auf die zuvor genannte Weise ohne Insolvenzverfahren unternommen wird.

Wer den sicheren Weg gehen will, der vermeidet außergerichtliche Einigungsversuche und lässt sich gleich in Richtung eines insolvenzrechtlichen Planverfahrens beraten (schuldenfrei innerhalb eines Jahres mit Verbraucherplan) bzw. wählt den Weg der Schuldenbefreiung in 3 Jahren (schuldenfrei in 3 Jahren).

Schlusstermin, Schlussverteilung, Schlussverzeichnis

Nach Abschluss der Masseverwertung wird in einer abschließenden Gläubigerversammlung (Schlusstermin; § 197 InsO) u.a. das Schlussverzeichnis (§ 188 InsO) erörtert. In diesem sind alle Gläubiger mit ihren zur Tabelle festgestellten Forderungen aufgeführt, die an der Schlussverteilung (§ 196 InsO) teilnehmen. Aus dem Verhältnis der zur Verteilung verbleibenden Masse zur Summe aller im Schlussverzeichnis aufgeführten Insolvenzforderungen ergibt sich sog. Quote, mit der prozentual alle festgestellten Forderungen gleichmäßig befriedigt werden.

Gläubiger bestrittener Forderungen können nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses gegenüber dem Insolvenzverwalter den Nachweis führen, dass und für welchen Betrag sie Feststellungsklage erhoben (oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen) haben; sonst wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt (§ 189 InsO). Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis sind binnen einer Woche nach dem Ende der in § 189 Abs. 1 InsO vorgesehenen Ausschlussfrist bei dem Insolvenzgericht zu erheben (§ 194 Abs. 1 InsO).

Selbstständige & Freiberufler in der Krise

Wer ist betroffen?

  • (Einzel-) Unternehmer, Selbstständige, Freiberufler, kleine und mittelständische Unternehmen, wenn diese noch tätig sind – im Folgenden: „Einzelunternehmer“
  • Beispiele:
    Handwerker, Einzelhändler, Tankstellenbetreiber, Reparaturwerkstätten, Franchisenehmer, Land- und Forstwirte, Hotel- und Gaststättenbetreiber, Vermieter, Ärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Optiker, Apotheker, Architekten und Ingenieure, Makler und Versicherungsvermittler, Steuerberater und Buchprüfer, Rechtsanwälte, Notare, Speditionen und Taxibetriebe, Gewerbetreibende
  • nicht: Betriebe, die entweder in der Rechtsform einer juristischen Person oder als sonstige Gesellschaft organisiert sind (z. B. AG, GmbH, GmbH & Co. KG, KG, OHG, GbR, Genossenschaft, Vereine) – im Folgenden: „Gesellschaften“ (Unternehmen in der Krise)
  • Besteht keine aktuelle selbstständige Tätigkeit mehr, weil diese bereits aufgegeben wurde, ist zu unterscheiden:
    • Waren Sie selbstständig und sind ihre Vermögensverhältnisse überschaubar? Letzteres ist der Fall, wenn Sie jetzt weniger als 20 Gläubiger haben und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (z. B. Löhne, Beiträge zur Berufsgenossenschaft oder  Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Arbeitnehmer) bestehen. Auch wenn beide Voraussetzungen nicht vorliegen, können die Vermögensverhältnisse trotzdem unüberschaubar sein, wenn komplexe Sachverhalte vorliegen.
    • Liegen bei ehemaliger Selbstständigkeit keine überschaubaren Vermögensverhältniss vor, dann kann ein sog. Regelinsolvenzverfahren eingeleitet werden (Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung), das regulär durchlaufen oder durch Insolvenzplan abgeschlossen werden kann.
    • Liegen bei ehemaliger Selbstständigkeit überschaubare Vermögensverhältnisse vor, dann ist das Verbraucherinsolvenzverfahren einschlägig (Entschuldung von Privatpersonen und Verbrauchern).

Welche Verbindlichkeiten sind betroffen?

  • Es sind alle Verbindlichkeiten betroffen, egal ob sie dem privaten Bereich, einer (weiteren) ehemaligen oder einer aktuellen selbstständigen Tätigkeit zuzuordnen sind.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Einzelunternehmer, eine Schuldenbefreiung zu erlangen:

  • Schutzschirmverfahren
  • Eigenverwaltungsverfahren
  • Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung
  • Freigabe der selbstständigen Tätigkeit
  • Insolvenzplanverfahren
  • Auslandsinsolvenz und Insolvenz nach Europarecht
  • Sanierung ohne Insolvenzverfahren

Schutzschirmverfahren für Einzelunternehmer §§ 270, 270b InsO

  • Beim Schutzschirmverfahren bleibt der Einzelunternehmer die entscheidende Person.
  • Dem Einzelunternehmer wird ein (vorläufiger) Sachwalter zur Seite gestellt.
  • wesentliche Aufgabe für den Einzelunternehmer: laufende Kosten kritisch hinterfragen und unwichtige, überteuerte oder langfristige Vertragsbindungen, für die es günstigere Angebote gibt, beenden.
    Hierzu regelt die Insolvenzordnung, dass nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestimmte Dauerschuldverhältnisse trotz Restlaufzeit beendet werden können.
    Beispiele (nicht abschließend):
    Ein Telefonvertrag, der eine Laufzeit von noch 15 Monaten und dessen Abschluss sich als Fehler herausgestellt hat, kann durch eine einfache Erklärung, den Vertrag nicht mehr zu erfüllen, beendet werden.
    Das gleiche gilt mit maximal 3 Monaten Frist für die Beendigung von Arbeits- oder Mietverhältnissen.
  • Der (vorläufige) Sachwalter überwacht, ob gläubigerschädigende Handlungen vorliegen.
    Das sind nicht etwa die zuvor genannten Kündigungen von Verträgen (siehe oben). In solchen Entscheidungen werden ernsthafte Sanierungsbemühungen gesehen.
    Schädlich wären aber
    • Zahlung von Altforderungen an Gläubiger
    • Abschluss unsinniger Verträge (Luxusauto oder Segelyacht für den Einzelunternehmer)
    • Annahme eines Auftrages, der keine nachvollziehbare Kalkulation enthält oder der offenbar zu keinem Gewinn führen kann.
  • Wesentliche Voraussetzung des Schutzschirmverfahrens nach §§ 270, 270b InsO ist, dass noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sondern allenfalls deren Drohen oder die Überschuldung. Dies muss ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt bescheinigen.
  • Diese Hürden sind hoch. In aller Regel machen sich Unternehmer erst dann Gedanken über die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Hilfe, wenn die Zahlungsunfähigkeit bereits vorliegt. Selbst dann ist aber immer noch das Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270, 270a InsO möglich (siehe Eigenverwaltungsverfahren für Einzelunternehmer).
  • Insolvenzgeld:
    • Im Schutzschirmverfahren kann nach Antragstellung und vor Eröffnung für maximal 3 Monate eine finanzielle Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch genommen werden – das Insolvenzgeld.
    • Vorfinanzierung der Insolvenzgelder durch eine Bank, die üblicherweise vom Sanierungsberater organisiert wirdDer Einzelunternehmer muss für maximal 3 Monate (fast) keine Personalkosten einplanen.
    • Voraussetzung sind eine nachvollziehbare Liquiditätsprognose und der Erhalt eines erheblichen Anteils der Arbeitsverhältnisse (derzeit mindestens 10%). Damit kann auch eine Sanierung mit Arbeitsplatzabbau einhergehen (siehe Insolvenzgeldvorfinanzierung)!
  • Insolvenzplan
    • Beim Schutzschirmverfahren wird den Gläubigern zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens ein Insolvenzplan vorgelegt. Dabei handelt es ich um einen Vergleich: Die Gläubiger verzichten auf eine Liquidierung des Einzelunternehmens und müssen ihre Forderungen nicht vollständig abschreiben. Das wäre bei einer Zerschlagung aber wahrscheinlich (siehe Insolvenzplan für Einzelunternehmer).
  • neues modifiziertes Schutzschirmverfahren

Eigenverwaltungsverfahren für Einzelunternehmer §§ 270, 270a InsO

Neben der klassischen Insolvenz gibt es für Selbstständige, Kleinunternehmer und Freiberufler (im Folgenden: Einzelunternehmen), die ihren Betrieb fortführen wollen, die Möglichkeit, ihr Einzelunternehmen weiter zu betreiben und dennoch von ihren Schulden befreit zu werden.

Es ist wichtig, dass Sie möglichst frühzeitig den Rat eines erfahrenen Sanierungsberaters suchen, wenn Ihr Einzelunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Je früher eine bestehende oder drohende Schieflage eines Einzelunternehmens erkannt wird, desto wirksamer können Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Zur Sanierung sind folgende Verfahren vorgesehen:

  • Schutzschirmverfahren
    Schutzschirmverfahren für Einzelunternehmen
  • Eigenverwaltungsverfahren
    (siehe nachfolgende Ausführungen)
  • (klassisches) Insolvenzverfahren
    Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung

Wesentlicher Unterschied des Eigenverwaltungsverfahrens zum klassischen Insolvenzverfahren:

  • Der Einzelunternehmer betreibt das Gewerbe weiter. Es wird kein Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht, sondern ein Sachwalter, der überwacht, ob die Handlungen des Einzelunternehmers ggf. gegen Gläubigerinteressen verstoßen.
  • Dem Einzelunternehmer steht ein im Insolvenzrecht erfahrener Sanierungsberater zur Seite, der ihn in rechtlichen, insbesondere bei insolvenzrechtlichen Problemstellungen berät.

Wichtigste Voraussetzung:

Fortführungsprognose: Das Einzelunternehmen muss über hinreichend gesicherte Aufträge oder die Aussicht auf solche und die Kapazitäten verfügen, sie auszuführen.
Beispiele – sehr verkürzt/vereinfacht dargestellt:

  • keine = negative Fortführungsprognose:
    (1) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Der Auftrag kann nicht ohne Arbeitnehmer erledigt werden; es sind aber keine Arbeitnehmer mehr vorhanden, die Aufträge auszuführen (=negative Fortführungsprognose).
    (2) 15 Arbeitnehmer sind noch vorhanden. Es bestehen keine Aufträge (=negative Fortführungsprognose).
    (3) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Damit können 10 der 200 bestehenden Arbeitsverhältnisse fortgeführt werden (=negative Fortführungsprognose).
  • positive Fortführungsprognose:
    (1) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Der Auftrag kann ausgeführt werden (=positive Fortführungsprognose).
    (2) Es liegen 3 Aufträge vor, die ein Umsatzvolumen für die nächsten 3 Monate von 50.000 € garantieren. Damit können 10 der 15 bestehenden Arbeitsverhältnisse fortgeführt werden (=positive Fortführungsprognose).

Entschließt sich der Einzelunternehmer, das Unternehmen über den Weg der Eigenverwaltung sanieren zu wollen, kann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt werden. Das Gericht wird zunächst allen Gläubigern verbieten, Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen durchzuführen (Kein Gläubiger darf bei Ihnen vollstrecken!).

Kann eine Fortführungsprognose bescheinigt werden, wird das Gericht die vorläufige Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung anordnen. Die Zeit der vorläufigen Eigenverwaltung (i. d. R. 3 Monate, weil dies der maximale Zeitraum der Zahlung von Insolvenzgeld und der Insolvenzgeldvorfinanzierung ist) kann insbesondere zur Bildung einer Liquiditätsreserve genutzt werden, weil bestimmte Kostenfaktoren für einen Zeitraum von maximal 3 Monaten (z. B. Personalkosten) oder ggf. generell (z. B. Miete für nicht notwendige Werkstatt) wegfallen.

Insolvenzgeldvorfinanzierung:

  • siehe Insolvenzgeldvorfinanzierung

Ablauf des vorläufigen Verfahrens - § 270a InsO (vorläufige Eigenverwaltung nach ESUG):

  • Bestellung des vorläufigen Sachwalters
  • Der Einzelunternehmer bleibt weiter tätig. Er steht nur unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters.
  • regelmäßige, meist wöchentliche Berichterstattung gegenüber dem vorläufigen Sachwalter durch Ihren Sanierungsberater
  • Abstimmung über die Handhabung des Bestell- und Zahlungsverkehrs:
    • Der vorläufige Sachwalter kann bei bestimmten Geschäften, die dem normalen Geschäft entsprechen, widersprechen.
      Beispiel: Es ist erforderlich, Druckerpapier zu kaufen. Der Geschäftsführer kauft üblicherweise 100 Pakete. Jetzt wird ihm eine Ersparnis angeboten, wenn er 200 Pakete kauft. Der vorläufige Sachwalter kann widersprechen. Verhindern kann er die Bestellung nicht, weil die Bestellung immer noch im Rahmen des Üblichen liegt.
    • Bei anderen Geschäften, die nicht dem normalen Geschäft entsprechen, ist seine Zustimmung erforderlich.
      Beispiel: wie oben, aber anstelle von üblichen 100 Paketen will der Geschäftsführer 1000 bestellen. Das dürfte, falls die Preisersparnis nicht gigantisch ist, nicht üblich sein. Der vorläufige Sachwalter muss zustimmen. Tut er dies nicht, darf das Geschäft nicht abgeschlossen werden.
    • Es ist zweckmäßig, mit dem (vorläufigen) Sachwalter frühzeitig den Rahmen der Tätigkeit abzustecken, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten (sog. Tandemverwaltung).
  • Der vorläufige Sachwalter kann das Kassenführungsrecht an sich ziehen.
  • Veranlassung der Aufnahme und Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens durch Ihren Sanierungsberater
  • ggf. zu erteilende (sonstige) Auskünfte gegenüber dem vorläufigen Sachwalter
  • Der vorläufige Sachwalter reicht zum Ablauf des letzten Monats der Vorfinanzierung das Gutachten ein und gibt die Empfehlung, das Verfahren zu eröffnen und entweder die Eigenverwaltung anzuordnen oder diese Anordung abzulehnen. Auch im letzten Fall gibt es Möglichkeiten, eine Entschuldung zu erreichen (Entschuldung durch Restschuldbefreiung, Insolvenzplan für Einzelunternehmer).
    Die Eröffnung des Verfahrens wird dabei aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen üblicherweise zum 1. nach dem letzten Monat der Vorfinanzierung geplant.
    (Beispiel: Der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens wird am 10.07.2018 eingereicht. Der Vorfinanzierungzeitraum könnte theoretisch bis zum 09.10.2018 dauern. Faktisch dauert er nur bis zum 30.09.2018, so dass am 01.10.2018 das Verfahren eröffnet werden kann.)

Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren:

  • Bestellung des Sachwalters
  • Der Einzelunternehmer bleibt weiter tätig. Er steht nur unter Aufsicht des Sachwalters.
  • regelmäßige, meist wöchentliche, Berichterstattung gegenüber dem Sachwalter durch Ihren Sanierungsberater
  • Abstimmung über die Handhabung des Bestell- und Zahlungsverkehrs:
    • Der Sachwalter kann bei bestimmten Geschäften, die dem normalen Geschäft entsprechen, widersprechen.
      Beispiel: wie oben
    • Bei anderen Geschäften, die nicht dem normalen Geschäft entsprechen, ist seine Zustimmung erforderlich.
      Beispiel: wie oben
    • Es ist zweckmäßig, mit dem Sachwalter frühzeitig den Rahmen der Tätigkeit abzustecken, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten (sog. Tandemverwaltung).
  • Der Sachwalter kann das Kassenführungsrecht an sich ziehen.
  • Verhandlungen mit Vertragspartnern (Reduzierung von Mietzahlungen, Verbesserung sonstiger Konditionen…)
  • Überprüfung, ob eine Regulierung mittels Insolvenzplan möglich ist (Insolvenzplan für Einzelunternehmer)
    • Woraus sollen die Mittel in welcher Höhe für den Plan erwirtschaftet / beschafft werden?
    • Der Sanierungsberater führt die Verhandlungen mit den Gläubigern.
    • Ist ein Insolvenzplan möglich, bereitet der Sanierungsberater den Plan vor und reicht diesen zunächst zur Vorprüfung bei Gericht und bei Signalisierung fehlender Einwände formell ein. Dabei sind eine Absprache bzw. eine Diskussion der Planregelungen mit dem Gericht üblich.
    • In einem Erörterungs- und Abstimmungstermin können die Gläubiger klärungsbedürftige Fragen erörtern lassen. Im Übrigen wird über den vorgelegten Plan abgestimmt. Die Mehrheit der Gläubiger nach Köpfen und Summen entscheidet.
    • Stimmt die Kopf- und Summenmehrheit für den Plan, bestätigt das Gericht den Plan in der Regel.
    • Das Verfahren wird aufgehoben (= beendet), wenn die Masseverbindlichkeiten beglichen sind bzw. eine nachvollziehbare Planung vorliegt, nach der die Verbindlichkeiten beglichen werden können.
    • Ist keine Mehrheit für den Plan zu beschaffen oder wird sie im Abstimmungstermin nicht erzielt, ist es immer noch möglich, mit dem Sanierungsberatar eine alternative Möglichkeit der Sanierung des Einzelunternehmens zu finden (Übertragende Sanierung).

neues-modifiziertes-Schutzschirmverfahren

siehe Gesellschaften in der Krise, Eigenverwaltungsverfahren für Gesellschaften gem. §§ 270, 270a InsO, neues-modifiziertes-Schutzschirmverfahren

Insolvenzgeldanspruch

  • Insolvenzgeld erhalten Arbeitnehmer, die im laufenden Arbeitsverhältnis stehen, für den Zeitraum von 3 Monaten vor diesem Insolvenzereignis, aber eigentlich erst bei Eintritt eines Insolvenzereignisses.
    • Insolvenzereignis:
      • vollständige Einstellung des Betriebes (wenn bis zu diesem Zeitpunkt ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt) oder
      • Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenverfahrens mangels Masse oder
      • Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Ausgeschiedene Arbeitnehmer erhalten für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses Insolvenzgeld.
    • Bsp.:
      Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.06.2020
      Insolvenzgeldzeitraum für Arbeitnehmer, die bis zu diesem Zeitpunkt noch im Unternehmen bzw. in der Gesellschaft waren, ist die Zeit vom 01.03.2020 bis 31.05.2020
      Insolvenzgeldzeitraum für einen Arbeitnehmer, der zum 30.11.2019 ausgeschieden war, ist die Zeit vom 01.09.2019 bis 30.11.2019
  • Das Insolvenzereignis kann auch mitten im Monat liegen. Der 3-Monate-Zeitraum ist entsprechend zu berechnen.
    • Bsp.:
      Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15.04.2020
      Insolvenzgeldzeitraum für Arbeitnehmer, die bis zu diesem Zeitpunkt noch im Unternehmen bzw. in der Gesellschaft waren, ist die Zeit vom 15.01.2020 bis 14.04.2020
      Insolvenzgeldzeitraum für einen Arbeitnehmer, der zum 30.11.2020 ausgeschieden war, ist (auch hier) die Zeit vom 01.09.2019 bis 30.11.2019
  • Einzelne Lohn- oder Gehaltsbestandteile sind nicht insolvenzgeldfähig (Näheres siehe unten).
  • Einschränkungen bzw. Besonderheiten gelten für bestimmte Personengruppen (z. B. Familienangehörige, Mehrheitsgesellschafter).
  • Für den Antrag gilt eine Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis (§ 324 Abs. 3 S. 1 SGB III). Unter Umständen kann eine Nachfrist von 2 Monaten gewährt werden, wenn der Antrag aus nicht vom Arbeitnehmer zu verantwortenden Gründen nicht gestellt wurde.

Insolvenzgeldvorfinanzierung

Allgemeines

  • Würde man den Arbeitnehmern erklären, dass sie in den nächsten 3 Monaten nichts von ihrem Arbeitgeber erhalten, sich ihr Arbeitsentgelt aber in 3 Monaten von der Bundesagentur holen können, könnte man den Betrieb auch gleich einstellen.
    Und das liegt nicht am (fehlenden) Willen der Arbeitnehmer, an der Sanierung des Unternehmens mitzuwirken, sondern an der Unzumutbarkeit für die Arbeitnehmehr, einen solchen Zeitraum zu überbrücken.
  • Der vorgesehene Weg ist der, die Arbeitsentgelte vorzufinanzieren.
  • Zeitraum: 3 Monate vor dem Insolvenzereignis
    • Bsp.:
      Antragstellung im März 2020
      Löhne werden Anfang März für Februar gezahlt
      Löhne für Februar wurden noch nicht gezahlt: Zeitraum vom 01.02.2020 bis 30.04.2020
      Löhne für Februar wurden schon gezahlt: Zeitraum vom 01.03.2020 bis 31.05.2020
  • Vorteile:
    • Durch die Vorfinanzierung der Insolvenzgelder erhält der Arbeitgeber für maximal 3 Monate die Möglichkeit, die vorhandenen (und ggf. weitere) Arbeitnehmer zu beschäftigen und dafür weder die Nettolöhne noch die erforderlichen Abgaben leisten zu müssen. Es handelt sich um eine Liquiditätsspritze.
    • Abgaben für Sozialversicherung oder die Finanzverwaltung können für diesen Zeitraum erspart werden. Ausnahmen gelten ggf. für die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
  • Nachteile bestehen nicht.
  • Der Unternehmer bzw. die Gesellschaft ist auf die Mitarbeit seiner Arbeitnehmer i. d. R. angewiesen. Zu ihrer Motivation tragen regelmäßige und pünktliche Lohnzahlungen wesentlich bei.
    Wichtig ist, sich bei auftretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten frühzeitig Hilfe eines erfahrenen Sanierungsberaters zu holen. Sind nämlich bereits für 2 Monate keine Löhne gezahlt worden und wird der 3. Monat fällig, dann laufen entweder diese 3 Monate über das Insolvenzgeld (eine Liquiditätsspritze bleibt vollständig aus) oder z. B. nur 2 Monate (eine Liquiditätsspritze bleibt teilweise aus). Die Arbeitnehmer bleiben auf den Lohnforderungen vor dem Beginn des Insolvenzgeldzeitraums teilweise oder vollständig sitzen.
    • Bsp.:
      Antragstellung im März 2020
      Löhne werden im Februar für Januar, im März für April usw. gezahlt
      Löhne für Dezember, Januar und Februar wurden noch nicht gezahlt:
      Plant man die Eröffnung des Verfahrens zum 01.05.2020, dann läuft der Insolvenzgeld-Zeitraum vom 01.02.2020 bis 30.04.2020. Nachteil: Die Arbeitnehmer können die Lohnansprüche für Dezember und Januar zur Tabelle als Insolvenzforderung anmelden. Sie werden damit im Wesentlichen ihre Ansprüche abschreiben müssen. Vorteil für das Unternehmen: 2 Monate ersparte Lohnkosten (März und April) während der Vorfinanzierung.

Organisation und Abwicklung der Vorfinanzierung

  • Für den Zeitraum der vorläufigen Eigenverwaltung wird (i. d. R.) der Sanierungsberater mit einer Großbank abstimmen, ob diese bereit ist, die Insolvenzgelder vorzufinanzieren.
  • Alle Arbeitnehmer verkaufen ihre Nettolohnansprüche für den Vorfinanzierungszeitraum an die vorfinanzierende Bank. Die Arbeitnehmer gehen dabei kein Risiko ein: Die Bank erhält nur die Nettolohnansprüche abgetreten, die die Bank dem Arbeitnehmer tatsächlich auch ausgezahlt hat. Die Arbeitnehmer haben ansonsten keine Verpflichtungen oder Nachteile: Sie schließen keinen Kreditvertrag ab. Niemand erkundigt sich wegen der Vorfinanzierung nach ihrer Bonität.
  • Der Sanierungsberater organisiert die Vorfinanzierung der Insolvenzgeldansprüche.
  • Die mit der vorfinanzierenden Bank abzuschließenden Verträge betreffen im Wesentlichen nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Bank.
  • Der Arbeitnehmer verzichtet nur (und ausschließlich) für den Fall, dass ihm der Nettolohn in der geschuldeten Höhe gezahlt wurde, in genau dieser Höhe auf das Insolvenzgeld.
  • Wird ein Teil des Arbeitsentgelts nicht oder nicht vollständig gezahlt, behält der Arbeitnehmer vollständig oder teilweise seinen Anspruch.
  • Der Sanierungsberater wird einen Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit stellen, der Vorfinanzierung der Insolvenzgelder zuzustimmen. Diese Zustimmung wird die Bundesagentur erteilen, wenn das Unternehmen eine Fortführungsprognose hat und voraussichtlich ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann (sog. Prognoseentscheidung der Arbeitsagentur über den erheblichen Erhalt von Arbeitsplätzen im Rahmen eines Sanierungsversuchs).
  • Erklärt die Bundesagentur ihre Zustimmung, können die Insolvenzgelder vorfinanziert, das heißt die Löhne pünktlich gezahlt werden.
  • Die Vorfinanzierung kann für den Fall, dass alle Beteiligten alle erforderlichen Zuarbeiten schnell leisten, binnen kurzer Zeit (5 bis 10 Tage) organisiert werden.
  • Die Abwicklung der Insolvenzgeldvorfinanzierung übernimmt das Büro des Sanierungsberaters:
    • Erfassung und Prüfung der vorgelegten Personal- und Lohnunterlagen
    • Verhandlungen mit der vorfinanzierenden Bank
    • Einholung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, ggf. auch für neu eingestellte Mitarbeiter
    • Prüfung der monatlichen Lohn- oder Gehaltszahlung auf Insolvenzgeldfähigkeit
    • Auszahlung der Löhne / Gehälter
    • Abrechnung gegenüber der vorfinanzierenden Bank
    • Erstellung der Insolvenzgeldbescheinigungen für die Bundesagentur (für die an der Vorfinanzierung teilnehmenden und die nicht teilnehmenden ehemaligen Arbeitnehmer)
    • ggf. Stellungnahmen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu Spezialproblemen
  • Einzelne Lohn- oder Gehaltsbestandteile sind nicht insolvenzgeldfähig und damit auch nicht vorfinanzierungsfähig:
    • nicht zum Abrechnungszeitraum gehörige Ansprüche (z. B.: wenn der Vorfinanzierungszeitraum von März 2020 bis Mai 2020 läuft und Überstunden aus November 2019 im März 2020 abgerechnet werden)
    • Urlaubsabgeltungsansprüche (Das Arbeitsverhältnis ist beendet und es bestehen noch Urlaubsansprüche, die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden sollen.)
    • (Brutto-) Ansprüche oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (2020: 6.900 € West; 6.450 € Ost)

Revolvierende bzw. rollierende Insolvenzgeldvorfinanzierung

  • Aus bestimmten Gründen kann es notwendig sein, den zunächst angedachten Eröffnungstermin nach hinten zu verschieben.
  • Da der Insolvenzgeldzeitraum nach dem Insolvenzereignis berechnet wird, würde die vorfianzierende Bank wegen des 1., von ihr gezahlten Monats keinen Anspruch auf Insolvenzgeld haben.
  • Ist genügend Masse vorhanden, um die Ansprüche dieses Monats gegenüber der Bank auszugleichen, kann der Zeitraum faktisch verschoben werden.
  • Ein entsprechender Antrag auf Zustimmung ist bei der Bundesagentur zu stellen.

Neu eingestellte Mitarbeiter

  • Auch neu eingestellte Mitarbeiter während der Zeit der Vorfinanzierung können an dieser teilnehmen (z. B. Unterbesetzung, Kündigungen durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer etc.). Hierzu ist ebenso die Zustimmung der Bundesagentur einzuholen.
  • Einschränkungen gelten bspw. bei Neueinstellungen aufgrund der Ausweitung der Produktion

Nach Abschluss des Vorfinanzierungszeitraums = Eröffnung des Verfahrens

  • Ab der Eröffnung des Verfahrens müssen die Personalkosten vollständig aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet werden!

Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung

Das Insolvenzverfahren läuft im Wesentlichen wie folgt ab:

  • Einreichung des Insolvenzantrages, ggf. Stundungsantrag
  • Eröffnetes Verfahren, Freigabe der selbstständigen Tätigkeit, weiteres Verfahren bis zum Schlusstermin
  • Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode

Einreichung des Insolvenzantrages, ggf. Stundung der Verfahrenskosten

  • Reichen die laufenden Einnahmen nicht zur Begleichung der Verbindlichkeiten, kann ein Antrag auf Eröffnung des (Regel-) Insolvenzverfahrens gestellt werden. Sind keine ausreichenden Geldmittel für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwaltes vorhanden, dann kann die Stundung der Kosten beantragt werden.
  • Zusätzlich wird der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so dass der Schuldner am Ende des gesamten Verfahrens die Befreiung von den noch bestehenden Verbindlichkeiten (Schuldenschnitt, Entschuldung) erreicht. Das reguläre Verfahren dauert 6 Jahre und kann auf 5 oder 3 Jahre verkürzt werden. Die Restschuldbefreiung betrifft alle Forderungen, ob sie am Verfahren teilgenommen haben oder nicht. Ggf. können Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung betroffen sein (z. B. Geldstrafen, Deliktforderungen).
  • Gleichzeitig tritt der Schuldner die pfändbaren Bezüge aus Arbeitsverhältnissen und sonstigen Einkünften an den Insolvenzverwalter ab, und zwar auch, wenn er aktuell selbstständig ist und dies auch bleiben will. Hintergrund ist, dass die Abtretung nach der gesetzlichen Kontruktion Voraussetzung für den Antrag auf Restschuldbefreiung ist.

Eröffnetes Verfahren, Freigabe der selbstständigen Tätigkeit, Verfahren bis zum Schlusstermin

Im eröffneten Verfahren melden die Gläubiger beim Insolvenzverwalter ihre Forderungen an. Diese werden in einem Prüftermin geprüft. Vermögensgegenstände werden verwertet. Der Insolvenzverwalter entscheidet über die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit. Das Insolvenzverfahren endet mit dem Schlusstermin.

Was wird verwertet?

  • Es werden grundsätzlich alle Vermögensgegenstände verwertet. Ausnahmen gelten für unpfändbare Gegenstände (z. B. Betriebsmittel – siehe nachfolgend Freigabe der selbstständigen Tätigkeit).
  • Das Gewerbe/der Betrieb des Schuldners kann an einen Dritten veräußert werden (siehe Übertragende Sanierung)
  • Das Pfändungsschutzkonto unterfällt als solches nicht der Insolvenz. U. U. könne aber Beträge von der Bank separiert und an den Insolvenzverwalter abgeführt werden (siehe Pfändungsschutzkonto).
  • Der Insolvenzverwalter zieht die pfändbaren Anteile des Einkommens zur Masse.
  • Der Insolvenzverwalter zieht Altforderungen des Einzelunternehmers ein.
  • Ansprüche aus Erbrecht oder ein Lottogewinn gehören vollständig zur Masse.

Was muss der Schuldner im Verfahren leisten?

  • Der Schuldner muss sog. Obliegenheiten erfüllen. Die Nichterfüllung kann die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben.
  • Der Schuldner soll einer (nichtselbstständigen oder selbstständigen) Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen.
  • Ist der Schuldner nicht (mehr) selbstständig, dann werden pfändbare Beträge des Einkommens vom Arbeitgeber oder einem sonstigen Zahlungsverpflichteten oder vom Schuldner selbst an den Insolvenzverwalter abgeführt.
    Ist der Schuldner selbstständig, hat er die nach dem fiktiv ermittelten Einkommen geschuldeten Pfandbeträge mindestens einmal pro Jahr an den Insolvenzverwalter abzuführen (Pfandbeträge bei selbstständiger Tätigkeit).

Freigabe der selbstständigen Tätigkeit

  • siehe Freigabe der selbstständigen Tätigkeit

Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode

  • Mit einem Insolvenzantrag wird ein Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt. Damit kann am Ende des Verfahrens die Befreiung von den noch bestehenden Verbindlichkeiten (Schuldenschnitt, Entschuldung) erreicht werden. Das reguläre Verfahren dauert 6 Jahre und kann beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf, 5 oder 3 Jahre verkürzt werden. Die Restschuldbefreiung betrifft alle Forderungen, ob sie am Verfahren teilgenommen haben oder nicht. Ggf. können Forderung nicht von der Restschuldbefreiung betroffen sein (z. B. Geldstrafen, Deliktforderungen);
  • weitere Darstellungen
    • siehe Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensperiode
    • siehe Deliktforderungen
  • Besonderheiten bestehen nur für den (weiterhin oder neu) selbstständig tätigen Schuldner:
    • Eine nach Beginn der Restschuldbefreiungsphase aufgenommene Tätigkeit wird nicht freigegeben, weil gar kein Massebeschlag mehr besteht.
    • Der Schuldner hat die nach dem fiktiv ermittelten Einkommen geschuldeten Pfandbeträge abzuführen (siehe Pfandbeträge bei selbstständiger Tätigkeit).

Freigabe der selbstständigen Tätigkeit

  • Der Insolvenzverwalter trifft nach der Eröffnung des Verfahrens eine Entscheidung hinsichtlich der selbstständigen Tätigkeit:
    • Der Insolvenzverwalter kann unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die selbstständige Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigeben.
    • Das dürfte der Regelfall sein. Hintergrund ist, dass der Insolvenzverwalter die Belastung der Masse mit durch die selbstständige Tätigkeit begründeten Verbindlichkeiten vermeiden muss.
    • Die Freigabe bedeutet, dass der Schuldner mit seinem Betrieb ohne die Belastung durch die Altverbindlichkeiten neu anfangen kann.
      Dem Schuldner stehen sämtliche (Neu-) Einnahmen (mit Ausnahme von Altforderungen) vollständig zu. Von diesen Einnahmen müssen alle monatlichen oder sonstigen Ausgaben beglichen werden.
    • Der Schuldner ist für die Erfüllung der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Verpflichtungen der freigegebenen Tätigkeit ab dem Zeitpunkt der Freigabe selbst verantwortlich.
    • Begründet der Schuldner nach Freigabe neue Verbindlichkeiten, dann kann der jeweilige (Neu-) Gläubiger in die Einkünfte aus dem freigegebenen Gewerbe, aber zum Beispiel auch zum freigegebenen Betrieb gehörendes Anlagevermögen vollstrecken. Für Altgläubiger gilt dieses Privileg nicht.
    • Ist die selbstständige Tätigkeit dauernd erfolglos, muss der Schuldner über die Beendigung entscheiden. Wird die selbstständige Tätigkeit aufgegeben, muss der Schuldner einer (abhängigen) Tätigkeit nachgehen bzw. sich um eine solche bemühen.
    • Der Schuldner ist verpflichtet, an die Masse die nach dem fiktiv ermittelten Einkommen berechneten Pfandbeträge zu zahlen (Pfandbeträge bei selbstständiger Tätigkeit).
  • Der Insolvenzverwalter kann sich entscheiden, die selbstständige Tätigkeit nicht freizugeben.
    • Das ist z. B. denkbar, wenn das Einzelunternehmen veräußert werden soll (sog. übertragende Sanierung).
    • Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung, der nicht unbedingt gleich nach Eröffnung des Verfahrens liegen muss, führt der Insolvenzverwalter den Betrieb fort.
    • Die Einnahmen des Betriebs werden auf ein Konto beim Insolvenzverwalter eingezahlt, von dem die Ausgaben des Betriebs bestritten werden.
    • Der Insolvenzverwalter erfüllt die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Verpflichtungen.
    • Sofern der Schuldner bis zum Verkauf weiterarbeitet, hat er Anspruch auf eine Entlohnung für seine Tätigkeit,
  • Falls der Betrieb nicht fortführungsfähig ist, weil z. B. keine Aufträge mehr vorliegen oder der Schuldner selbst das Einzelunternehmen nicht mehr betreiben möchte, bedarf es keiner Entscheidung über eine Freigabe, weil dann die Geschäftstätigkeit beendet wird.

Übertragende Sanierung

  • Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens können Vermögenswerte (auch der Geschäftsbetrieb an sich) an Dritte veräußert werden. Der Dritte tritt dann in die Rolle des bisherigen Rechtsträgers ein.

Pfandbeträge bei selbstständiger Tätigkeit

  • Der Schuldner muss der Masse gem. § 295 Abs. 2 InsO die Pfandbeträge entrichten, die entstehen würden, wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre (fiktives Einkommen). Das kann ein Arbeitsverhältnis in einem erlernten oder den Fähigkeiten entsprechenden Beruf sein, wenn es objektiv ausgeübt werden könnte.
    Besonderheit: Bestehen berufsrechtliche, gewerberechtliche, persönliche oder sonstige Einschränkungen, kann der Schuldner ggf. nicht auf das fiktiv ermittelte Einkommen verwiesen werden.
  • Beispiele:
    • Rechtsanwalt verliert mit dem sog. Vermögensverfall seine Zulassung
    • Fliesenleger hat Knieschäden und kann aus gesundheitlichen Gründen diesen Beruf nicht mehr ausüben
    • der erlernte Beruf wurde über längere Zeit nicht ausgeübt (mangels Fortbildung und fortbestehender Qualifikation ggf. keine Anstellung zu finden)
  • Innerhalb der selbstständigen Tätigkeit erzielte Einnahmen oder Gewinne sind im Insolvenzverfahren irrelevant:
    • Erzielt der Schuldner höhere Einnahmen oder Gewinne als das fiktiv ermittelte Einkommen, braucht der Schuldner nur die nach dem fiktiv ermittelten (niedrigeren) Einkommen entstehenden (niedrigeren) Pfandbeträge zu leisten.
    • Erzielt der Schuldner niedrigere Einnahmen oder Gewinne als das fiktiv ermittelte Einkommen, muss er trotzdem die nach dem fiktiv ermittelten (höheren) Einkommen geschuldeten (höheren) Pfandbeträge leisten.
  • Entstehende Pfandbeträge sind regelmäßig, mindestens nach einem Jahr für das vergangene Jahr nach Freigabe und die danach folgenden Jahre an die Insolvenzmasse zu zahlen. Die frühere Praxis, dass erst am Ende der 6 Jahre zu zahlen ist, ist von der Rechtsprechung durch die vorgenannte Regelung ersetzt worden.
  • Der sich aus dem fiktiven Einkommen ergebende Pfandbetrag wird nach den regulären Vorschriften berechnet:
    • Bestehende Unterhaltspflichten werden berücksichtigt, wenn sie erfüllt werden.
    • Etwaiger Sonderbedarf (z. B. für medizinische Hilfsmittel o. ä.) wird auf Antrag berücksichtigt.
    • weitere Einzelheiten: Berechnung des pfändbaren Betrages

Insolvenzplan für (aktuell tätige) Einzelunternehmer

Allgemeines:

Mit einem Insolvenzplan können Einzelunternehmer ein Insolvenzverfahren relativ schnell, meistens innerhalb eines Jahres, beenden. Ansonsten dauert das Verfahren 3, 5 oder 6 Jahre bis zur Beendigung (Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung).

  • Einzelunternehmer können die bestehenden Verbindlichkeiten über einen Insolvenzplan regulieren.
  • Wir erstellen für Sie einen Insolvenzplan, um Ihr Unternehmen binnen eines Jahres zu entschulden!
  • Voraussetzung kann sein, dass das schuldnerische Unternehmen ein Fortführungspotential hat, aber auch dass Geldmittel von Dritten beschafft werden können. Dafür wird den Gläubigern ein Vergleich angeboten, nach dem sie einerseits auf einen Teil der Verbindlichkeiten verzichten und andererseits einen höheren Teil der Schulden bezahlt bekommen, als es bei einer Zerschlagung der Firma oder bei einer normalen Abwicklung des Verfahrens der Fall wäre.
    Diese Besserstellung kann z. B. erreicht werden, indem der Einzelunternehmer einen Teil seiner Gewinne für einen bestimmten Zeitraum oder  an die Gläubiger zahlt. Es kann aber auch eine Zahlung eines Dritten (z. B. eines Verwandten, der bereit ist, zu investieren) zur Erfüllung eines Plans herangezogen werden.
    Das Insolvenzverfahren kann dadurch zügig durchgeführt und beendet werden.

Voraussetzungen:

  • eröffnetes Insolvenzverfahren
  • Voraussetzung ist, dass für die Gläubiger ein besseres Ergebnis erzielt wird, als sie es bei normalem Ablauf des Verfahrens erzielen würden (höhere Quote).
  • Geldmittel können aus zukünftigen unpfändbaren Einnahmen der Privatperson oder von Dritten (Familienangehörige, Geldgeber) stammen.
  • Ausschüttungen an die Gläubiger können als Einmalzahlung oder in Teilbeträgen erfolgen (z. B. 36 Teilbeträge monatlich, 3 Teilbeträge alle 6 Monate, 2 Teilbeträge zum 31.12. des laufenden und 30.06. des Folgejahres…).

Insolvenzplan für (ehemalige) Einzelunternehmer

Allgemeines:

Mit einem Insolvenzplan können auch ehemalige Einzelunternehmer ein Insolvenzverfahren relativ schnell, meistens innerhalb eines Jahres, beenden. Ansonsten dauert das Verfahren 3, 5 oder 6 Jahre bis zur Beendigung (Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung).

War ein Einzelunternehmer selbstständig tätig, ist dies aber aktuell nicht mehr, dann kann dennoch eine Regulierung der Verbindlichkeiten über einen Insolvenzplan erfolgen.

  • Auch ehemalige Einzelunternehmer können die bestehenden Verbindlichkeiten über einen Insolvenzplan regulieren.
  • Wir erstellen für Sie einen Insolvenzplan, um Sie binnen eines Jahres zu entschulden!
  • Voraussetzung ist, dass Geldmittel von Dritten beschafft werden können. Dafür wird den Gläubigern ein Vergleich angeboten, nach dem sie einerseits auf einen Teil der Verbindlichkeiten verzichten und andererseits einen höheren Teil der Schulden bezahlt bekommen, als es bei einer Zerschlagung der Firma oder bei einer normalen Abwicklung des Verfahrens der Fall wäre.
    Diese Besserstellung kann durch die Zahlung eines Dritten (z. B. eines Verwandten) zur Erfüllung eines Plans erzielt werden.
    Das Insolvenzverfahren kann dadurch zügig durchgeführt und beendet werden.

Insolvenzplan – Verfahren

Voraussetzungen:

  • eröffnetes Insolvenzverfahren
  • Voraussetzung ist, dass für die Gläubiger ein besseres Ergebnis erzielt wird, als sie es bei normalem Ablauf des Verfahrens erzielen würden (höhere Quote).
  • Geldmittel können von Dritten (Familienangehörige, Geldgeber) stammen.
  • Ausschüttungen an die Gläubiger werden üblicherweise als Einmalzahlung vorgenommen.

Wer erstellt den Plan?

  • Der Plan wird entweder vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner (d. h. von seinem Sanierungsberater) vorgelegt.

Wie läuft das Insolvenzplan-Verfahren ab?

  • Überprüfung, ob eine Regulierung mittels Insolvenzplan möglich ist: Woraus sollen die Mittel in welcher Höhe für den Plan erwirtschaftet / beschafft werden?
  • Zunächst wird der Entwurf des Plans nach Absprache der grundlegenden Eckdaten durch den Sanierungsberater erstellt (Was kann wann aus welchen Mitteln gezahlt werden?).
  • Gläubigergruppen können gebildet werden, um (missliebige) Gläubiger zu überstimmen.
  • Ist ein Insolvenzplan möglich, bereitet der Sanierungsberater den Plan vor und reicht diesen zunächst zur Vorprüfung bei Gericht und bei Signalisierung fehlender Einwände formell ein. Dabei sind eine Absprache bzw. eine Diskussion der Planregelungen mit dem Gericht üblich.
  • Die Gläubiger müssen für den Plan gewonnen werden. Dafür muss der Sanierungsberater auf die Gläubiger zugehen und aktiv für den Plan werben.
  • Sofern das Gericht keine grundsätzlichen Einwände gegen den Plan erhebt, wird der Plan offiziell eingereicht.
  • Das Gericht übersendet den Insolvenzplan an die wesentlichen Verfahrensbeteiligten (Insolvenzverwalter, Schuldner, ggf. Gläubigerausschuss) und beraumt einen Erörterungs- und Abstimmungstermin an.
  • Im ersten Teil des Termins (Erörterungstermin) werden der Planinhalt und seine Regelungen diskutiert, sofern dafür ein Bedürfnis seitens der anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Gläubigern besteht. Ggf. werden i. R. d. Zulässigen Änderungen vorgenommen.
  • Im zweiten Teil des Termins (Abstimmungstermin) wird über den Plan abgestimmt.
  • In jeder Gruppe muss die Mehrheit der Köpfe der Gläubiger und der Summe der Gläubigerforderungen erreicht werden. Stimmen 2 von 3 Gläubigergruppen zu, ist der Plan angenommen.
  • Die Mehrheit der Gläubiger nach Köpfen und Summen entscheidet.
    Beispiel: Gläubiger 1 hat eine Forderung von 5.000 €, Gläubiger 2 hat eine Forderung von 200 €, Gläubiger 3 hat eine Forderung von 800 €
    Es bestehen Forderungen von 3 Gläubigern in Höhe von 6.000 €.
    Stimmen Gläubiger 2 und 3 zu, Gläubiger 1 lehnt die Zustimmung ab, liegt keine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 1.000 € stimmen zu (Minderheit)
    Stimmt Gläubiger 1 zu, die Gläubiger 2 und 3 verweigern die Zustimmung, liegt keine Mehrheit vor: 1 stimmt zu (Minderheit), 5.000 € stimmen zu (Mehrheit)
    Stimmen Gläubiger 1 und 2 zu, der Gläubiger 3 verweigert die Zustimmung, liegt eine Mehrheit vor: 2 stimmen zu (Mehrheit), 5.200 € stimmen zu (Mehrheit)
    Die (doppelte) Mehrheit entscheidet. Liegt eine Mehrheit vor, müssen die unterlegenen Gläubiger den Insolvenzplan ebenso akzeptieren.
  • Gläubiger, die eine Beschränkung ihrer Rechte befürchten, müssen im Abstimmungstermin ihre Rechte wahrnehmen.
  • Stimmt die Kopf- und Summenmehrheit für den Plan, bestätigt das Gericht den Plan in der Regel.
  • Verweigern einige Gläubiger ihre Zustimmung, kann das Gericht diese ggf. ersetzen.
  • Das Insolvenzverfahren wird durch das Gericht aufgehoben. Mit dem Aufhebungsbeschluss ist das Insolvenzverfahren beendet.
  • Sodann folgt der Vollzug des Plans (dies kann sowohl vor als auch nach der Aufhebung liegen).
  • Ist keine Mehrheit für den Plan zu beschaffen oder wird sie im Abstimmungstermin nicht erzielt, ist dennoch eine Entschuldung des Schuldners möglich (Insolvenz anmelden und Entschuldung durch Restschuldbefreiung).

Was sind die Folgen des Insolvenzplans?

  • Der Schuldner muss die Verpflichtungen aus dem Plan erfüllen, also den Gläubigern die versprochene Zahlung leisten.
  • Der übrige Teil der Schulden wird mit der Erfüllung des Insolvenzplans erlassen.

Auslandsinsolvenz und Insolvenz nach Europarecht

Auslandsinsolvenz

Früher wurde die Möglichkeit angeboten und genutzt, z. B. in Großbritannien eine Insolvenz in verhältnismäßig kurzer Zeit durchzuführen und eine Befreiung von den bestehenden Schulden zu erlangen. Für einen Einzelunternehmer, der seinen Geschäftsbetrieb weiterführen will, dürfte dies nicht oder nur mit nicht zu rechtfertigendem Aufwand funktionieren.
Mit den in Deutschland bestehenden Möglichkeiten, u. U. in kurzer Zeit eine Restschuldbefreiung über einen Insolvenzplan zu erlangen, ist dies aber auch nicht notwendig. Auch Forum Shopping ist für Selbstständige, Kleinunternehmer und Freiberufler eher uninteressant (siehe Auslandsinsolvenz).

Sanierung und Restrukturierung nach der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz von 20.06.2019 (RL):

  • Ob für Selbstständige, Kleinunternehmer und Freiberufler (Einzel- Unternehmer) eine Sanierung nach den präventiven Retrukturierungsrahmen (PRR) möglich ist, ist derzeit noch nicht entschieden, da die Restrukturierungsrichtlinie insoweit in Deutschland noch nicht umgesetzt wurde. Nach Artikel 1 Abs. 4 Satz 2 der RL können die Mitgliedsstaaten die Anwendung präventiver Restrukturierungsrahmen auf juristische Personen beschränken. Nach Verlautbarungen aus dem BMJV soll der Komplex PRR der RL im Herbst/Winter 2020 beraten sein.
  • Für Selbstständige, Kleinunternehmer und Freiberufler sieht die RL unter dem Stichwort Zweite Chance vor, dass insolventen Unternehmen volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht werden soll. Die überlicherweise an eine Insolvenz geknüpften Tätigkeitsverbote für Gewerbetreibende, Handwerker oder freiberuflich Tätige sollen außer Kraft gesetzt werden. Hierüber verhält sich der Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 13.02.2020. Die Forderung des europäischen Gesetzgebers wird dadurch umgesetzt, allerdings mit einer Übergangsregelung, wonach die 3-Jahres-Frist mit dem 17.07.2022 beginnt und monatliche Abstufungen seit dem 17.12.2019 bis zum 17.07.2022 vorliegen, sodass beim Übergang keine abrupte Verkürzung der Fristen gegeben ist, siehe www.zweite-chance.de

Sanierung ohne Insolvenzverfahren

siehe Gesellschaften in der Krise, Sanierung ohne Insolvenzverfahren

Über Uns.

Ein Zusammenschluss von langjährig tätigen Insolvenzverwaltern und Restrukturierungsexperten.

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