02.09.2021

News aus der Branche

News aus der Branche

 

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

August 2021: InsbürO 2021, 302 ff.

 

Gesetzliche Änderungen

Weiterhin steuer- und beitragsfreie Corona-Prämien

Am 02.06.2021 ist das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. 2021 – Teil 1, Nr. 28, S. 1259). Wesentlicher Inhalt ist die Verbesserung des Kapitalertragsteuer-Entlastungsverfahrens und die Verhinderung damit zusammenhängenden Missbrauchs und Steuerhinterziehung. In diesem Gesetz ist aber auch die Verlängerung der steuer- und beitragsfreien Zahlung der Corona-Prämien an die Arbeitnehmer/innen enthalten, und zwar bis zum 31.03.2022. Die Regelung ist kurz und knapp in Art. 1 Nr. 2 geregelt. Dort heißt es lediglich: „In § 3 Nr. 11a wird die Angabe „30.06.2021“ durch die Angabe „31.03.2022“ ersetzt.“ Im Regierungsentwurf vom 17.03.201 (BT-Drs. 19/27632) war noch eine Verlängerung bis zum 31.12.2021 vorgesehen (S. 99). Ziel sei es, die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für Arbeitnehmer/innen durch entsprechende Sonderzahlungen abzumildern. Die Voraussetzungen für die Zahlungen bleiben gleich: Die Prämie muss bspw. zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden. Eine Entgeltumwandlung ist nicht zulässig. In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drs. 19/28925, S. 81) wird dazu weiter ausgeführt, dass die Maximalgrenze von 1.500 € erhalten bleibe. Eine Mehrfachzahlung könne nicht erfolgen. Die Zahlung von Corona-Prämien wird bei der Prüfung von Gehaltsabrechnungen durch die Insolvenzbüros also weiterhin eine Rolle spielen. Die Steuer- und Beitragsfreiheit bedeutet aber nicht automatisch einen Pfändungsschutz zugunsten der Insolvenzschuldner/innen. Ein solcher greift nur dann, wenn eine Erschwernis in der Arbeit durch die Pandemie nach § 850a Nr. 3 ZPO feststellbar ist, die ausgeglichen werden solle. Eine Befragung des Arbeitgebers ist daher ggf. sinnvoll (s. InsbürO 2021, 137).

 

Verlängerung der Steuererklärungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2020

Nach § 149 Abs. 2 Satz 2 AO sind Steuererklärungen für 2020 bis Ende Juli 2021 abzugeben. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie wurde eine dreimonatige Verlängerung sowohl für Steuererklärungen, die von Steuerberater/innen erstellt werden, als auch für Steuerpflichtige, die ihre Steuererklärungen selbst anfertigen, beschlossen. Damit besteht nunmehr Zeit bis Ende Oktober 2021, diese zu erstellen und bei der Finanzverwaltung einzureichen. Die Regelung ist in Art. 6 des vorgenannten Gesetzes mit der Änderung des Einführungsgesetzes zur AO zu finden. Danach werden die Wörter „sieben Monate“ in § 149 Abs. 2 Satz 2 AO ausgetauscht durch die Wörter „zehn Monate“. Dies nur als kleiner Hinweis, falls Sie nach dem Monat Oktober suchen sollten. Dann gibt es nämlich keine Treffer. Diese Information ist im Hinblick auf die Abgabe der Steuererklärungen für die Insolvenzschuldner/innen wichtig, denn entweder kann sich das Insolvenzbüro selbst auch mehr Zeit lassen oder hat zumindest in Fällen, in denen Schuldner/innen die Einkommensteuererklärung selbst anfertigen, Kenntnis über den Hintergrund einer ggf. späteren Vorlage einer Kopie, wobei es rein verfahrenstechnisch geboten sein kann, eine Erklärung dennoch zeitnah einzureichen. Das vorgenannte Gesetz wurde am 30.06.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. 2021 – Teil 1, Nr. 37, S. 2035). Es ist nach Art. 7 am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten. Hintergrund für diese Verlängerung seien die Belastungen in der Corona-Pandemie für Bürger/innen und Angehörige der steuerberatenden Berufe. Letztere hatten bereits im Febr. 2021 einen Aufschub von 6 Monaten für den Veranlagungszeitraum 2019 erhalten (InsbürO 2021, 142).

 

Digitalisierungsrichtlinie: Abruf von gesellschaftlichen Daten

Wir hatten im Märzheft (InsbürO 2021, 102, 103) über den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (kurz: DiRUG) berichtet. Darin war u.a. vorgesehen, bei einem künftiger Abruf von Daten aus dem Handelsregister oder von Dokumenten, die zum Register eingereicht wurden, generell auf die Erhebung von Abrufgebühren zu verzichten. Der Bundestag hat das Gesetz im Juni 2021 abschließend beschlossen (BT-Drcks. 524/21) und der Bundesrat hat am 25.06.2021 zugestimmt (BR-Drcks. 524/21). Das Gesetz hat aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/30523) noch Änderungen erfahren, die darin in einer Gegenüberstellung zu sehen sind. Die geplanten kostenlosen Handelsregisterabrufe sind durch die Änderungen eingeschränkt worden (§ 9 Abs. 1 S. 1 HGB-E). Dazu heißt es in der Begründung (BT-Drs. 19/30523, S. 109): „Durch die zusätzlich aufgenommene Beschränkung der Einsichtnahme auf einzelne Abrufe wird zusammen mit der Beschränkung der Einsichtnahme auf Informationszwecke sichergestellt, dass ein Massenabruf von Registerdaten zu anderen hiervon nicht umfassten Zwecken, insbesondere einer kommerziellen Weiterverwendung der in den Registern enthaltenen personenbezogenen Daten, verhindert wird.“ Insoweit wurde auch § 52 S. 2HRV-E angepasst, wenn es um die Suche nach natürlichen Personen geht. Dazu wird in der Begründung ausgeführt (BT-Drs. 19/30523, S. 113): „Von dem Ausschluss der Suche nach natürlichen Personen nicht betroffen ist allerdings die gezielte Suche nach der Firma eines Rechtsträgers, die ggf. personenbezogene Daten einer natürlichen Person enthält. Eine gezielte Firmensuche mit Namensbestandteilen einer natürlichen Person ist damit auch weiterhin möglich.“ Das Gesetz tritt nach Art. 31 am 01.08.2022 in Kraft. Wir werden dann noch einmal darauf zurückkommen.

 

BMF-Schreiben

Anwendungsregel BMF-Schreiben auf Organschaft während vorläufiger Eigenverwaltung

Das BMF hat am 22.06.2021 ein BMF-Schreiben mit folgendem – auszugsweisen – Inhalt erlassen: „Mit BMF-Schreiben v. 04.03.2021, … haben die obersten Finanzbehörden … beschlossen, dass weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft beenden, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt (vgl. BFH, Urt. v. 27.11.2019, XI R 35/17, …).“ Diese Regelung wurde dann im UStAE in Abschnitt 2.8. Abs. 12 Satz 6 aufgenommen. Im aktuellen BMF-Schreiben heißt nun weiter: „Im Rahmen des SanInsFoG v. … wurden … Regelungen zum Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270 ff. InsO) ergänzt. Nach § 276a Abs. 3 InsO in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung findet nunmehr § 276a Abs. 1 InsO auch vor Verfahrenseröffnung Anwendung, wenn die vorläufige Eigenverwaltung oder eine andere Sicherungsmaßnahme angeordnet wurde.  Gem. § 5 Abs. 1 COVInsAG ist § 276a InsO auf Eigenverwaltungsverfahren, die zwischen dem 01.01.2021 und dem 31.12.2021 beantragt werden, grds. in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.“ Der Umsatzsteueranwendungserlass war daher erneut abzuändern, und zwar wurde in Abschnitt 2.8. Abs. 12 nach Satz 6 ein Satz 7 eingefügt: „Satz 6 gilt nicht für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, die nach dem 31.12.2020 angeordnet wurden, es sei denn, diese fallen unter die Anwendung des § 5 Abs. 1 COVInsAG.“ Das bedeutet, dass die Organschaft doch schon während der vorläufigen Eigenverwaltung enden kann, wenn diese ab dem 01.01.2021 angeordnet wurde. Eine Ausnahme bildet die Regelung, dass das Verfahren aus 2021 unter die Regelungen des COVInsAG fällt. Dann gilt die Regelung in Satz 6, wonach die Organschaft durch die Anordnung nicht endet. Es wird also im Alltag nicht leichter, herauszufinden, was wann gilt. Werfen wir noch kurz einen Blick auf § 276a Abs. 1 InsO. Dieser regelt die Mitwirkung der Überwachungsorgane. Danach haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners, wenn es sich beim Schuldner um eine juristische Person handelt. Wenn diese Regelung der fehlenden Einflussnahme schon während der vorläufigen Eigenverwaltung greift, hat dies auch Einfluss auf die steuerliche Gestaltung der Organschaft. Dies ist also der Hintergrund zum jetzigen BMF-Schreiben. Abschnitt 2.8. Abs. 12 UStAE regelt die steuerlichen Auswirkungen einer Organschaft, in Abs. 12 für den Fall eines Insolvenzverfahrens. Das BMF-Schreiben können Sie unter www.bundesfinanzministerium.de > Service > Publikationen > BMF-Schreiben > 22.06.2021 abrufen.

 

Für den Praxisalltag des Insolvenzbüros

Datenschutz im Gutachten und in Berichten

Die Insolvenz- und Restrukturierungsabteilung des AGs Charlottenburg hat am 11.06.2021 ein 4-seitiges Hinweisblatt an die dortigen Insolvenzverwalter versandt. Darin sind u.a. Hinweise zur Einhaltung der DS-GVO enthalten. So wird zum einen darum gebeten, sicherzustellen, dass alle einzureichenden Unterlagen (z.B. Gutachten; Anlagen zu Forderungsanmeldungen) den Anforderungen der DSGVO entsprechen. Die Übersendung von Anträgen via E-Mail, die regelmäßig persönliche Daten enthalten, sei unzulässig. Zum anderen erfolgt eine Bitte im Hinblick auf die Nutzung eines vom AG Charlottenburg vorgegebenen Stammdatenblattes bei der Erstellung von Sachverständigengutachten. So lautet der Hinweis auszugsweise wie folgt: „… stellen wir Ihnen … angesichts … der Einführung der DSGVO anheim, im Hinblick auf die … erforderlichen personenbezogenen Daten, nicht alle oder nur ausgewählte Daten an uns zu übermitteln, sofern Sie der Ansicht sein sollten, den gesetzlichen Anforderungen anderenfalls nicht gerecht zu werden. Bitte entscheiden Sie selbst, inwiefern Sie im konkreten Einzelfall berechtigt sind, die einzelnen Daten zu verarbeiten.“ Zur praktischen Umsetzung wird vom AG vorgeschlagen, Daten, die zwar vorliegen, aber nicht übermittelt werden sollen mit der Anmerkung „Daten auf Anforderung“ zu kennzeichnen. Das Rundschreiben des AG Charlottenburg spricht ein sensibles Thema an, dass durch die DS-GVO verstärkt wurde: Welche personenbezogenen Daten gehören in ein Gutachten oder einen Bericht? Zu dieser Thematik finden Sie in diesem Heft einen Beitrag von Reisener/Koch, auf den an dieser Stelle hingewiesen werden darf.

 

Keine Änderung des Basiszinssatzes zum 01.07.2021

Nun endlich können wir abschließend berichten, was im Juliheft leider noch nicht möglich war, weil keine Veröffentlichung vor der Druckfreigabe erfolgte: In einer Pressemitteilung der Bundesbank vom 29.06.2021 wurde mitgeteilt, dass der Basiszinssatz unverändert bleibe. Er beträgt damit weiterhin -0,88 % (letzte Änderung per 01.07.2016, bis dahin: -0,83 %) und ist damit weiter negativ. Die Deutsche Bundesbank berechnet den Basiszinssatz nach den gesetzlichen Vorgaben des § 247 Abs. 1 BGB zum 01.01. und 01.07. eines Jahres und veröffentlicht seinen aktuellen Stand gem. § 247 Abs. 2 BGB im Bundesanzeiger (BAnz AT 30.06.2021 B6). Ein Überblick über alle Zinssätze ist unter www.basiszinssatz.de möglich. Der jeweils aktuelle Zinssatz ist von den Insolvenzbüros im Rahmen des außergerichtlichen Forderungseinzuges, in einzuleitenden Mahnverfahren, aber auch bspw. beim Verzug von Zahlungen durch Anfechtungsgegner zu berücksichtigen.

 

StaRUG – Anwendung

Über das Inkrafttreten des StaRUG zum 01.01.2021 im Zuge des SanInsFoG hatten wir schon mehrfach berichtet, so zuletzt im Editorial des Juniheftes (InsbürO 2021, 261). Auch den Kommentar von Braun hatten wir im Literaturreport des Juniheftes (InsbürO 2021, 259 f.) vorgestellt. Heute nutzen wir die Gelegenheit, die Insolvenzbüros auf eine besondere Möglichkeit aufmerksam zu machen, nämlich bei der Anwendung des StaRUG und der Auslegung der einzelnen Regelungen - so denn Berührungspunkte im Insolvenzbüro gegeben sind – mitzuwirken. Es gibt einen Online-Kommentar von Wolgast/Grauer unter starug.online. Daran haben 26 Autoren mitgewirkt. Die Gestaltung ermöglicht einen schnellen Zugang: Einerseits finden Sie die zusammengefassten §§ je nach Sachinhalt und andererseits erhalten Sie gleichzeitig einen Überblick über die vier Teile des Gesetzes inkl. Anlage. Mit einem Klick sind Sie mitten in der Kommentierung. Zusätzlich kann sich jeder kostenlos anmelden. Mit dem Gesetz ist eine völlig neue Rechtsgrundlage geschaffen worden. So gibt es erstmals die Möglichkeit für insolvenzbedrohte Unternehmen, sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens durch einen gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan neu zu strukturieren. Die Herausgeber sind der Ansicht, dass bei der Anwendung unterschiedliche Auffassungen in der Auslegung der einzelnen Regelungen auftreten werden und möchten mit diesem Online-Kommentar eine Plattform zum Austausch und zur Diskussion bieten. Dafür allein sei die zusätzliche Anmeldung erforderlich. Über den Button „About“ wird ausdrücklich dazu aufgerufen, fachliche Anmerkungen an die Autoren zu senden. Also: Schauen Sie vielleicht mal dort rein und beteiligen Sie sich ggf. an den Diskussionen.

 

Neues von (insolvenzrechtlichen) Verbänden

Aufruf des BAKinso zu den Änderungen in der InsO nach dem GvSchG

Der BAKinso gibt auf seiner Homepage einen Praxishinweis zu den insolvenzrechtlichen Änderungen nach dem Gerichtsvollzieherschutzgesetz. So trete eine Änderung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO zum 01.01.2022 in Kraft. Danach seien freigegebene Betriebsgegenstände nach der Freigabe wieder Masse. Ausgenommen sind nach dem Gesetzeswortlaut Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht. Die Geltungsreichweite sei vom Wortlaut her unklar, die Erläuterung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/29398 v. 05.05.2021) bringe auch keine Klarheit, heißt es in der Meldung. Es wird weiter erläutert: „Man könnte vermuten, dass Gegenstände, die nicht im Geschäftslokal einfach vorhanden sind, sondern dem jeweiligen Unternehmer seine persönliche Leistung (wenn er denn eine erbringt) ermöglichen, (und die vorher eh unpfändbar waren), nunmehr wieder nicht Masse sind, z.B.: Arzttasche, Arztutensilien, beim Notar der Montblanc-Stift. …“ Die Regelung werde im Zusammenhang mit § 36 Abs. 4 InsO sicher für Klarstellungsbedarfe sorgen. Der BAKinso freue sich insoweit über Rückmeldungen dazu.

Erfreulicher erscheine die neue Regelung des § 98 Abs. 1 Nr. 1a InsO, der dem Insolvenzgericht den direkten Zugriff auf § 802l ZPO beim obstruktiven Schuldner ermögliche. Nach § 802l ZPO kann der Gerichtsvollzieher Daten bei der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Kraftfahrt-Bundesamt erheben und das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, Daten bei Kreditinstituten abzurufen. Diese Vorschrift gelte aber leider – so die Formulierung in der BAKinso-Meldung – erst ab dem 01.11.2022. Die vollständige Meldung finden Sie über ww.bak-inso.de > Aktuell (Monat Juni).

 

Stellungnahme des VID zu IDW ES 9 und IDW ES 11

Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) gibt unterschiedliche Verlautbarungen heraus. Hierbei handelt es sich um Prüfungsstandards, Stellungnahmen, Praxishinweise etc. Diese Standards haben sich auch in der Insolvenzbranche weitgehend durchgesetzt und bewährt. Zu den Entwürfen von Verlautbarungen können Stellungnahmen abgegeben werden. Das IDW hat Neufassungen des IDW ES 9 (Bescheinigungen nach §§ 270d und 270a InsO) und des IDW ES 11 (Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen) geplant. Wir hatten hierüber in der Maiausgabe (InsbürO 2021, 182 (184)) berichtet. Der VID hat am 16.06.2021 eine Stellungnahme zu diesen Entwürfen abgegeben. Zum IDW ES 9 wird vorwiegend die Verwendung von bestimmten Begrifflichkeiten bzw. Formulierungen kritisiert, die zu Missverständnissen führen könnten oder die Voraussetzungen für die Anwendung von Vorschriften zu sehr verengen. So heißt es im Entwurf bspw., dass der Gutachter nach § 270d Abs. 1 InsO nicht zum vorläufigen Sachwalter bestellt werden dürfe. Der VID weist darauf hin, dass in § 270d Abs. 1 und 2 InsO vom „Aussteller der Bescheinigung“ gesprochen werde und mit der Terminologie „Gutachter“ eine Verwechselungsgefahr mit dem Sachverständigen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO bestehe. Das nach § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO vorzulegende Durchführungskonzept für die Eigenverwaltungsplanung solle von einem Wirtschaftsprüfer bescheinigt werden. § 270d Abs. 1 InsO spreche aber nicht nur von einem Wirtschaftsprüfer, sondern erweiternd von der „Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation“. Die Zulassungsvoraussetzungen würden hier unzulässig verengt werden. Zum IDW ES 11 kritisiert der VID u.a. die Ermittlung der Liquiditätslücke. So sähe der Entwurf vor, dass zur Ermittlung die Liquiditätslücke am Ende des Prognosezeitraums in Bezug zu setzen sei zu den fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu Beginn dieses Zeitraums. Der VID verweist auf die BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16 Rn. 62), wonach die Verbindlichkeiten zum Ende des Planungszeitraums zu den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren liquiden Mitteln ins Verhältnis gesetzt werden sollten. Es geht also um einen Vergleich von Daten zu einem anderen Zeitpunkt. Die vollständige 6-seitige Stellungnahme können Sie über www.vid.de > Gesetzgebung > Stellungnahmen > 16.06.2021 abrufen.

 

Statistik

Bundesstatistikamt zum 1. Quartal 2021

Wie es schon zu erwarten war, hat das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung vom 10.06.2021 (Nr. 270) mitgeteilt, dass es im 1. Quartal 2021 im Vergleich zum 1. Quartal des Vorjahres 19,7 % weniger Unternehmensinsolvenzen gab. Die meisten Insolvenzen gab es in der Baubranche und im Handel. Dagegen war bei den Verbraucherinsolvenzen ein Anstieg von 50,3 % im 1. Quartal 2021 im Vergleich zum 1. Quartal 2020 zu verzeichnen, was auf die Verkürzung des Restschuldbefreiungs-verfahrens auf nur noch drei Jahre zurückzuführen sei. Die vollständige Pressemitteilung kann unter www.destatis.de > Menü > Presse > Pressemitteilungen abgerufen werden.

 

Prognose über anstehende Insolvenzwelle im Finance-Magazin

Seit Beginn der Pandemie wurde immer wieder prognostiziert, dass eine Insolvenzwelle kommen würde. Durch die staatlichen Leistungen ist diese bisher weitestgehend ausgeblieben. Auf www.finance-magazin.de heißt es in einem Artikel vom 18.05.2021 noch: „Die noch vor einem halben Jahr erwartete Insolvenzwelle ist bisher ausgeblieben. Doch Restrukturierungsexperten rechnen mehrheitlich mit anziehenden Pleitefällen. … Ob in diesem Jahr eine Pleitewelle droht, ist umstritten. Restrukturierungsexperten gehen aber … davon aus, dass Deutschland eine Insolvenzwelle bevorsteht. Das zeigt das aktuelle Restrukturierungsbarometer, das FINANCE … erhoben hat und in dem 83 Banker und andere Finanzierer ihre Einschätzungen zum aktuellen Restrukturierungsumfeld gegeben haben. Demnach erwarten 58 % der Befragten einen starken Anstieg der Insolvenzen, beginnend im 3. Quartal dieses Jahres. Nur 4 % rechnen damit schon im laufenden Quartal. Allerdings gehen auch 17 % davon aus, dass es zu keinem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen kommt.“ Als Zeitpunkt für eine etwaig steigende Zahl von Unternehmenskrisen werde der Moment genannt, in dem gerade Zombieunternehmen Kredite tilgen müssten oder die Zinsen anziehen würden. Den vollständigen Beitrag können Sie über die vorgenannte Homepage unter dem Suchbegriff „Barometer“ und dem Beitragstitel „Das Schlimmste ist noch nicht überstanden“ unter dem 18.05.2021 finden.

 

Allgemein

Aktionswoche „Der Mensch hinter den Schulden“

Deutschlandweit fand Anfang Juni die Aktionswoche der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. unter dem Motto „Der Mensch hinter den Schulden“ statt. Dazu wurde ausgeführt, dass in allen sozialen Schichten die Überschuldung aufgrund von Kurzarbeit und unsicheren Auftragslagen aktuell zunehme und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen dramatisch einschränke. Das sei nicht nur ein finanzielles Problem. Familiäre Streits, Verzweiflung oder Suizidgedanken seien oft die Folge von andauernden Zahlungsschwierigkeiten, denn Überschuldung sei für Viele eine menschliche Katastrophe und diesen emotionalen Part dürfe man nicht einfach ausklammern. Die existentiellen Krisen und Katastrophen ließen sich vielfach verhindern, wenn frühzeitig eine Beratungsstelle aufgesucht werde. Doch aus Unkenntnis über die kostenlosen Beratungsangebote kämen viele Menschen nicht rechtzeitig in den Beratungsstellen an. Es müsse darum endlich ein Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zur Schuldnerberatung für alle ins Gesetz geschrieben werden, forderten die Verbände anlässlich der Aktionswoche. Außerdem müssten bspw. die Speicherfristen bei Auskunfteien wie der SCHUFA deutlich kürzer werden, alles andere erschwere den Neustart. Dies sind zwei Punkte von den sechs im Forderungspapier 2021. Dieses und viele weitere Informationen können Sie über www.aktionswoche-schuldnerberatung.de einsehen. Die Pressemitteilung der BAG-SB ist über www.bag-sb.de > News > 07.06.2021 abrufbar.