15.06.2021

News aus der Branche

 

News aus der Branche

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

Juni 2021: InsbürO 2021, 222 - 224

 

Gesetzliche Änderungen

Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war bekanntlich bis zum 30.04.2021 verlängert worden (BGBl. 2021 – Teil I, Nr. 7, S. 237). Sie galt zuletzt für solche Unternehmen, die Leistungen aus den staatlichen Hilfsprogrammen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie erwarten konnten (InsbürO 2021, 54, 56, 182). Bis zum Zeitpunkt der Druckfreigabe dieses Heftes am 10.05.2021 ist keine weitere Verlängerung ab dem 01.05.2021 bekannt geworden. Nach Medienberichten soll die SPD eine weitere Verlängerung von zwei Monaten gefordert haben mit der Begründung, dass die finanziellen Corona-Hilfen noch nicht vollständig ausgezahlt seien und es daher zu vermeiden gelte, dass Unternehmen jetzt der Antragspflicht unterliegen, obwohl eine Chance auf Rettung bestehe. Die Union habe die Verlängerung aber wohl blockiert. Ihrer Ansicht nach sei es wichtig, dass alle Beteiligten wieder Rechtsklarheit bekämen. Damit dürfte also offensichtlich die Insolvenzantragspflicht ab dem 01.05.2021 wieder greifen.

 

Änderungen bei den Insolvenzbekanntmachungen

Die erste Verordnung zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet ist am 14.10.2019 verabschiedet und am 31.10.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. 2019, Teil 1 – Nr. 37, S. 1466). Wir hatten darüber berichtet (InsbürO 2020, 54 - Februarheft). Die Verordnung wird am 30.06.2021 in Kraft treten. Daher greifen wir sie heute noch einmal auf. Die Änderungsverordnung dient der Anpassung der InsoBekV an die europäischen Vorgaben. Die reformierte EuInsVO vom 26.06.2017 regelt die Vernetzung von Insolvenzregistern der einzelnen Mitgliedstaaten (Art. 24 Abs. 1 und 2, Art. 25 EuInsVO). Der Zugang über dieses System ist sicherzustellen (Art. 27 EuInsVO). Hierfür sind die Suchkriterien in den Registern zu regeln. So wurde in § 1 Satz 2 InsoBekV eine Anpassung an die DS-GVO vorgenommen und in § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsoBekV nunmehr eingefügt, dass die Daten der Insolvenzverfahren, in denen der Schuldner eine natürliche Person ist, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, spätestens nach Ablauf von zwei Wochen nach dem ersten Tag der Veröffentlichung nur noch abgerufen werden können, wenn die Abfrage den Sitz des Insolvenzgerichtes und mindestens eines von drei weiteren möglichen Kriterien (Familiennamen, Wohnsitz des Schuldners oder Aktenzeichen des Insolvenzgerichtes) enthält. Bislang kann man bei der uneingeschränkten Suche auf www.insolvenzbekanntmachung.de bereits Treffer bei der Eingabe nur des Namens erzielen. Bei natürlichen Personen mit selbständig wirtschaftlicher Tätigkeit oder bei ehemals selbständig wirtschaftlich Tätigen sowie bei juristischen Personen sind keine Einschränkungen vorgesehen. Die Verordnung ist ab dem 30.06.2021 auf alle Verfahren anzuwenden, die ab dem 27.06.2018 eröffnet, mangels Masse abgewiesen oder anderweitig Erledigung gefunden haben (§ 5 Übergangsregelung). Diese Verordnung wird daher Auswirkungen im Praxisalltag bei der Suche über www.insolvenzbekanntmachungen.de haben, insbesondere bspw. im Rahmen des Forderungseinzuges im Insolvenzverfahren und der Bonitätsprüfung eines Drittschuldners.

 

Gerichtsvollzieherschutzgesetz

Über die geplanten Änderungen durch das Gerichtsvollzieherschutzgesetz und die damit verbundenen Änderungen in der InsO, aber auch in der ZPO mit Auswirkungen in der Abwicklung von Insolvenzverfahren hatten wir bereits berichtet (InsbürO 2021, 54, 57 – Februarheft und InsbürO 2021, 182 – Maiheft). Am 06.05.2021 – kurz vor Druckfreigabe dieser Ausgabe – hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet (BT-Drucks. 19/27636, 19/29246, 19/29398). Der Bundesrat hat am 07.05.2021 zugestimmt (BR-Drucks. 346/21). Mit der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundegesetzblatt ist noch im Mai zu rechnen. Die maßgeblichen Änderungen für den Insolvenzbereich werden erst in 2022 in Kraft treten. Wir werden Ihnen die wichtigen Einzelheiten für Ihre Praxis in einem der nächsten Hefte näher erläutern und natürlich auch im Monat des Inkrafttretens noch einmal darauf zurückkommen.

 

Gesetzgebungsverfahren

RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechtsmit Auswirkungen auf Insolvenzverfahren

Wir hatten bereits zwei Mal über dieses Gesetzgebungsverfahren berichtet. Zuletzt ging es um den Referentenentwurf und die dazugehörige Stellungnahme des VID. Nach Druckfreigabe des Februarheftes ist am 21.01.2021 der Regierungsentwurf vom BMJV veröffentlicht worden. Der VID hat hierzu im April 2021 eine erneute Stellungnahme zu einzelnen insolvenzrechtlichen Implikationen des Gesetzesentwurfs abgegeben. Darin wird festgehalten, dass der Entwurf gegenüber dem Referentenentwurf aus insolvenzrechtlicher Sicht deutliche Verbesserungen enthalte, er jedoch an einigen wenigen Punkten nachgebessert werden sollte, insbesondere, um die Praxis nicht mit vermeidbaren Rechtsfragen zu belasten. Von 10 Punkten greifen wir hier zwei heraus, so u.a. die Regelung § 706 BGB-E (Sitz der Gesellschaft), wozu ausgeführt wird: „§ 706 BGB-E führt regelungstechnisch jeweils die Legaldefinition des Verwaltungs- und des Vertragssitzes in das Gesetz ein und ermöglicht in der Sache unter bestimmten Voraussetzungen die Trennung des Verwaltungssitzes vom Vertragssitz, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat hat: … Es sollte … zumindest in der Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass die Zuständigkeitsregelungen der §§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und § 35 StaRUG von der Regelung des § 706 BGB-E nicht verdrängt werden. Eine solche Klarstellung empfiehlt sich nicht nur vor dem Hintergrund, dass § 706 BGB-E den Verwaltungssitz als den Ort definiert, „an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden“, während § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und § 35 StaRUG im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gerichts vom „Mittelpunkt einer (selbständigen) wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners“ sprechen. …“ Kritisiert wird auch die Umwandlung in § 723 BGB-E der bisherigen Auflösungsgründe in Ausscheidungsgründe. Dazu wird erläutert: „Neben den Alternativen Ausscheiden des Gesellschafters und Auflösung der Gesellschaft kann damit keine gesellschaftsvertragliche Regelungmehr getroffen werden, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters dessen Verbleib in der Gesellschaft vorsieht. Damit wird künftig die Eigensanierung einer GmbH & Co. KG im Simultaninsolvenzverfahren unter Erhalt der Struktur i.a.R. unmöglich.“ Die 11-seitige vollständige Stellungnahme können Sie unter www.vid.de > Gesetzgebung > Stellungnahmen > 08.04.2021 einsehen.

                  

Für den Praxisalltag des Insolvenzbüros

Frage von Negativzinsen auf Sonderkonten

Nur wenige Jahre ist es her, dass die Guthaben auf den damaligen Ander- oder Treuhandkonten – heute Sonderkonten – verzinst und die jeweilige Insolvenzmasse dadurch sogar gemehrt wurde. Der BGH hat noch am 16.03.2017 entschieden, dass zur Masseverwaltungspflicht auch ein allgemeines Wertmehrungsgebot gehöre und der Insolvenzverwalter verpflichtet sei, nicht benötigte Gelder zinsgünstig festzulegen. Diese Zeiten sind nunmehr vorbei. Es können schon längere Zeit keine Zinsen mehr auf den Sonderkonten vereinnahmt werden, im Gegenteil besteht jetzt sogar die Gefahr der Masseschmälerung durch Negativzinsen oder Gebühren für bislang kostenlose Leistungen – wie die Führung von Tagesgeldkonten -, die einen faktischen Negativzins darstellen. Das Geschehen ist insoweit deutschlandweit unterschiedlich. Auf www.verivox.de kann man sich einen Überblick verschaffen. Verivox recherchiert tagesaktuell die online zugänglichen Produktübersichten und Preisverzeichnisse von rund 1.300 Kreditinstituten und listet in verschiedenen Übersichten bspw. diejenigen Kreditinstitute auf, die für private Sparer Strafzinsen ausweisen oder die Banken, die bislang keine Negativzinsen berechnen. Man findet eine alphabetische Sortierung vor mit dem jeweiligen Zinssatz und dem etwaig bestehenden Freibetrag. Möglicherweise greifen die dort aufgeführten Bedingungen auch für die Sonderkonten im Insolvenzverfahren, denn Negativzinsen sind inzwischen nicht selten in den Schlussberichten zu thematisieren. Diese Übersichten können dann im Praxisalltag helfen, entweder Banken zu wechseln oder Erläuterungen in den Schlussberichten geben zu können, indem man auf Vergleichswerte verweisen kann, die ggf. bei den Kreditinstituten in der eigenen Region festzustellen sind. Die entsprechenden Informationen sind über www.verivox.de/geldanlage/themen/negativzinsen/ abrufbar.

 

Statistik

Historisch niedrige Insolvenzzahlen bei Unternehmen in 2020

Am 31.03.2021 hat das Statistische Bundesamt die Jahreszahl der gemeldeten Insolvenzen für 2020 veröffentlicht (Pressemitteilung Nr. 161). Danach waren es mit 15.841 Unternehmensinsolvenzen 15,5 % weniger als 2019. Der VID führt zu dieser Meldung in einer eigenen Pressemitteilung vom selben Tag aus, dass das Zusammenspiel von vier Stellschrauben (Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Ausweitung des Kurzarbeitergelds, finanzielle Hilfeleistungen und der Vollstreckungsstopp der Finanzbehörden und Krankenkassen) die äußerst niedrigen Zahlen von Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 bewirke. Es heißt dort weiter: „Und diese liegen noch deutlich unter den Zahlen des Jahres 2019, das bereits einen historischen Tiefstand der vergangenen 25 Jahre markiert hatte. Mit einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen wird im Wahljahr 2021 erst mit Aufnahme der politischen Arbeit durch den neugewählten Bundestag und damit erst zum Jahreswechsel 2021/2022 zu rechnen sein. … Leider war die Kommunikation der Bundesregierung eine Zeit lang missverständlich, sodass der Eindruck entstanden ist, jedes Unternehmen sei von der Antragsstellung befreit. Wir können nur ausdrücklich appellieren, genau zu prüfen, ob man antragspflichtig ist. Ansonsten besteht die Gefahr erheblicher persönlicher Haftungsrisiken …“ Die vollständige Meldung kann über www.vid.de > Presse > Pressemitteilung > 31.01.2021 gelesen werden.

 

Anstieg der Regelinsolvenzen im März 2021 um 18 % - Sondereffekt

Das Statistische Bundesamt hat in der Pressemitteilung vom 15.04.2021 (Nr. 190) u.a. ausgeführt, dass ein Anstieg der Regelinsolvenzen im März 2021 um 18 % zu verzeichnen sei. Die Meldung können Sie inkl. verschiedener Grafiken über www.destatis.de > Menü > Presse > Pressemitteilungen abrufen. Der VID sieht in diesem deutlichen Anstieg einen Sondereffekt aufgrund einer Gesetzesänderung, die die Insolvenz natürlicher Personen betrifft. In der dazu veröffentlichten Meldung erläutert der VID: „Wir sehen gerade eine starke Aufholbewegung bei den Insolvenzen von aktuell und ehemals Selbständigen, die das verkürzte Verfahren nutzen wollen und im letzten Jahr ihre Anträge in Erwartung der gesetzlichen Regelung zurückgehalten hatten. … Dieser Sondereffekt wird im März 2021 besonders bei den eröffneten Regelinsolvenzverfahren deutlich, da Antrag und Eröffnung regelmäßig zeitlich nicht zusammenfallen.“ Die vollständige Stellungnahme des VID finden Sie über www.vid.de > Presse > Pressemitteilungen > 15.04.2021.

 

¼ der Unternehmen sehen trotz Corona-Hilfen Insolvenzgefahr

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat Anfang April einen Bericht veröffentlicht, in dem die Folgen der Corona-Krise für den Arbeitsmarkt untersucht wurden. Darin finden sich auch Ausführungen zur möglichen Insolvenz von Unternehmen. Ein interessanter Aspekt ist bspw., dass 20 % der Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten Unterstützungsleistungen beantragten, während es bei großen Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten nur 8 % waren. ¼ der Betriebe, die einen Antrag auf staatliche Hilfen gestellt hatten, befürchten eine Insolvenz. Dagegen sind es in der Vergleichsgruppe nur 8 %. Die Ausführungen sind mit einer Vielzahl von Grafiken belegt. Den Artikel finden Sie über www.iab-forum.de > Suchbegriff „Insolvenzgefahr“.

 

Allgemein

Neue INDat-Erklärfilme zu insolvenzrechtlichem Themen

Wir haben schon mehrfach über die Erklärfilme des INDat Reports berichtet (zuletzt in InsbürO 2021, 2, 5 – Januarheft). Die 2-Minuten-Animationsfilme bringen komplexe Begriffe auf den Punkt und haben bisher Einblick in die folgenden Themen gegeben: „Insolvenzgeld“, „Ablauf eines Insolvenzverfahrens“, „Eigenverwaltung“, „Restrukturierung im Insolvenzverfahren“ und „Geschäftsführerhaftung in Corona-Zeiten“. Nach einer Meldung im Heft 10/2019 des INDat Reports (S. 74) sollen sie auf ein breites Publikum zielen und werden zur freien Verfügung gestellt. Nunmehr gibt es zwei weitere Erklärvideos, und zwar zu den Themen: „Das neue Restrukturierungswerkzeug des StaRUG“ und „Sanierungsmoderation nach dem StaRUG“. Hier können sich Sachbearbeiter einen kurzen Überblick über die neue Gesetzeslage verschaffen. Man findet die Filme unter www.indat-report.de > Verlagsprodukte > Videos.

 

Laufende Verfahren beim BFH

Es gibt ein interessantes, beim Bundesfinanzhof – per Stand der Druckfreigabe Mitte Mai 2021 - anhängiges Verfahren, das wir Ihnen kurz vorstellen möchten:

§§ 55 Abs. 4, 103 InsO, § 38 EnergieStG:

Energiesteuer (BFH: VII R 49/20):

Stellt die während eines Insolvenzeröffnungsverfahrens entstandene Energiesteuer eine Masseverbindlichkeit dar?

1. Ist § 55 Abs. 4 InsO a.F. auf die Energiesteuer anwendbar?

2. Sind davon insbesondere auch "Altgeschäfte" umfasst, welche in Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen bestehen, welche bereits vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden waren?

 

(vorgehend: FG Düsseldorf, Urt. v. 05.08.2020 - 4 K 2524/19 VE)