14.02.2023

Aus der Rechtsprechung

Rechtsprechungsüberblick

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

Februarheft 2023

 

Insolvenzverfahren natürlicher Personen

InsbürO 2023, 87: Offenbarungspflicht und Strafbarkeit bei Verheimlichen von Vermögensgegenständen

BayObLG, Beschl. v. 04.05.2022 – 203 StRR 50/22, ZInsO 2022, 2134

Zum Sachverhalt:

Rn. 55: (Der) Angeklagte (hat) eine erhebliche kriminelle Energie entwickelt. Er hat nicht nur den Erbanfall verheimlicht, sondern das ihm angefallene Grundstück auch noch weiterveräußert und somit dem Zugriff der Insolvenzverwalterin entzogen. Zudem hat er versucht, vor Abschluss des notariellen Kaufvertrags den späteren Käufer zu einer Barzahlungsvereinbarung zu bewegen, was dieser aber abgelehnt hat. Dies konnte nur den Grund haben, einen Zahlungsfluss zu verschleiern. Daraufhin hat er abweichend von der Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag, wonach der Kaufpreis auf das Nachlasskonto der verstorbenen Mutter des Angeklagten hätte überwiesen werden sollen, den Käufer gebeten, den Kaufpreis auf ein vom Angeklagten zwischenzeitlich eröffnetes Konto bei der N Bank zu überweisen. Dem ist der Käufer … nachgekommen.

Leitsätze aus der Begründung:

  1. Die Strafbarkeit des Verheimlichens von Vermögensgegenständen hängt vom Bestehen einer Offenbarungspflicht ab, die ihre Grundlage in § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 3 Satz 3, § 97 Abs. 1 InsO hat. (Rn. 11)
  2. Die Pflicht zur Offenbarung entsteht grds. mit der Erlangung der Kenntnis vom Vorhandensein des Vermögensgegenstands und nicht – wie die Revision rechtsirrig annimmt – so rechtzeitig, dass sie im Verfahren, zumindest im nächsten Verfahrensschritt, noch berücksichtigt werden kann. (Rn. 15)
  3. Verheimlichen ist jedes Verhalten, durch das ein Vermögensbestandteil oder dessen Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse der Kenntnis des Insolvenzverwalters oder der Gläubiger entzogen wird (BGH, Beschl. v. 12.05.2016 – 1 StR 114/16, … Rn. 11 m.w.N.). Verheimlichen kann daher sowohl durch falsche Angaben als auch durch Unterlassen (Verschweigen) bei Verletzung einer Auskunfts- oder Anzeigepflicht verwirklicht werden (BGH, Beschl. v. 14.03.2016 – 1 StR 337/15, …). (Rn. 22)
  4. Der Senat sieht keinen Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 283 StGB auf Verbraucherinsolvenzen abzuweichen. Dies gilt im Besonderen bei der vorliegenden Fallgestaltung des Verheimlichens von Vermögenswerten. (Rn. 33)

 

Einkommen

InsbürO 2023, 79 ff.: Energiepreispauschale nach nunmehr gesetzlicher Regelung unpfändbar

LG Hildesheim, Beschl. v. 30.12.2022 – 6 T 63/22

Leitsatz der Bearbeiterin:

Nach der Neuregelung des Gesetzgebers in § 122 S. 2 EStG (Inkrafttreten am 21.12.2022) ist die Energiepreispausale unpfändbar und unterfällt damit nicht (mehr) dem Insolvenzbeschlag.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Dies ist – soweit ersichtlich – die erste landgerichtliche Entscheidung zur Frage der (Un-)Pfändbarkeit der im Sept. 2022 ausgezahlten Energiepreispauschale (nachfolgend kurz „EPP“). Hier noch einmal kurz ein Blick zurück auf den Auslöser der in den letzten Wochen/Monaten geführten Diskussionen: Mit dem Steuerentlastungsgesetz wurde die EPP beschlossen. In seinen FAQs hatte das BMF unter VI. Nr. 27 erläutert, dass es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handele und die EPP daher nicht pfändbar sei. Insoweit herrschte weitgehend Einigkeit in der Branche. Aber der Gesetzgeber hatte keine klare gesetzliche Regelung der Unpfändbarkeit getroffen, so dass die EPP beim Eingang auf den P-Konten der Schuldner nicht mehr als Arbeitslohn galt, sondern als Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen seine kontoführende Bank und dieser Anspruch damit der Pfändung unterlag – soweit der Pfändungsfreibetrag überschritten wurde. Anträge auf Freigabe der EPP wurden in den letzten Monaten von einigen Gerichte mit tlw. unterschiedlichen Schwerpunkten in der Begründung zurückgewiesen: AG Norderstedt (Beschl. v. 15.09.2022 - 66 IN 90/19, InsbürO 2022, 441), AG Wolfratshausen (Beschl. v. 20.10.2022 – IK 130/21, InsbürO 2023, 47), AG Aschaffenburg (Beschl. v. 07.11.2022 – 654 IK 298/21, InsbürO 2023, 87 - in diesem Heft), AG Bielefeld (Beschl. v. 22.11.2022 – 43 IK 1117/21, InsbürO 2023, 87 - in diesem Heft). Alle Gerichte hatten darauf hingewiesen, dass eine Freigabe nach § 765a ZPO grds. in Betracht käme, dafür aber die engen Voraussetzungen der besonderen Härte zu erfüllen seien, die die Schuldner in den jeweiligen Fällen nicht belegt hatten. Lediglich das AG Lüneburg (Beschl. v. 15.09.2022 – 46 IK 75/18, InsbürO 2023, 45) hatte eine Freigabe nach § 765a ZPO bewilligt und dazu ausgeführt, dass Insolvenzschuldner aufgrund der Tatsache, dass ihnen ohnehin nur der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO monatlich unpfändbare Einkommensbetrag zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verbleibe, zum einkommensschwachen Bevölkerungsanteil gehören würden und es somit für den Schuldner eine ganz besondere Härte darstellen würde, wenn die ihm zustehende Energiepreispauschale in die Insolvenzmasse fallen würde. Nach den veröffentlichten Aufsätzen und Stellungnahmen kann man wohl ausführen, dass diese Entscheidung dem Rechtsempfinden vieler entsprach, aber dennoch bis zum 20.12.2022 keine klare gesetzliche Grundlage vorhanden war und in Entscheidungen nach § 765a ZPO jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und damit auch die – ggf. fehlenden oder unvollständigen – Ausführungen des einzelnen Schuldners.

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurde die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale geregelt, und zwar – wie oben in der Entscheidung bereits ausgeführt – in § 122 Satz 2 EStG. Die Regelung findet sich in Art. 1 Nr. 22 des JStG 2022, das am 16.12.2022 vom Bundestag verabschiedet wurde. Nach Art. 43 Abs. 1 JStG ist die Regelung am Tag nach der Verkündung, also am 21.12.2022 in Kraft getreten. Die Regelung zur Unpfändbarkeit der EPP ist als Ergänzung durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 30.11.2022 in das Gesetz aufgenommen worden (Drucksache 20/4729).  In der Begründung dazu heißt es:

Aus Drucksache 20/4029, S. 151:

„Auf Grund der Anfügung des neues Satzes 2 in § 122 EStG wird die Überschrift um das Wort ‚Unpfändbarkeit‘ ergänzt. Der neue Satz 2 regelt, dass die Energiepreispauschale nicht pfändbar ist. Mit der Gesetzesänderung soll sichergestellt werden, dass die Energiepreispauschale den Empfängern tatsächlich zur Verfügung steht und nicht von Gläubigern gepfändet werden kann. Dadurch können die Empfänger die Energiepreispauschale einsetzen, um Zahlungen zu leisten, die durch gestiegene Energiekosten verursacht wurden. Wegen des Verweises in § 36 InsO unterliegt die Energiepreispauschale auch nicht dem Insolvenzbeschlag. Über die Zahlung der Energiepreispauschale kann nach den § 902 Satz 1 Nr. 6 und § 903 ZPO zum Zweck der Vorlage bei einem Kreditinstitut eine Bescheinigung erteilt werden.“

Damit hat der Gesetzgeber den Pfändungsschutz für die EPP nachgebessert, was dringend erforderlich war, aber er hat keine Regelung zur Rückwirkung getroffen. Man kann daher annehmen, dass die Unpfändbarkeit erst ab dem 21.12.2022 Gültigkeit entfaltet. Damit dürfte die Diskussion ggf. weitergehen und man wird sich fragen müssen, wie mit den bisherigen Pfändungen umzugehen ist. So führt Wipperfürth im Newsletter von Wolters Kluwer Online vom 14.12.2022 aus:

Wipperfürth im Newsletter Wolters Kluwer Online:

„Eine verfassungskonforme Auslegung des JStG 2022 muss also zu dem Ergebnis kommen, dass die Regelung zur Unpfändbarkeit erst ab dem ersten Tag nach der Verkündung Gültigkeit haben soll (…). Dass dies unter Umständen bedeutet, Gleiches ungleich zu behandeln, ist eine verfassungsrechtlich zu wertende Frage, die nach hiesigem Dafürhalten aber nicht den Raum dafür öffnet, in jedem Fall über § 765a ZPO zu generellem Pfändungsschutz auch für die Vergangenheit zu gelangen.“

Wipperfürth hat auch einen ZInsO-Beitrag zu dieser Frage der (Un-)Pfändbarkeit verfasst. Einen Auszug daraus finden Sie im Literaturreport in diesem Heft.

Der BGH hat aber zur Berücksichtigung von neuen Gesetzen ohne Rückwirkung bereits entschieden. So führt er aus: 

BGH, Beschluss v. 10.08.2022 - VII ZB 5/22, Rn. 20:

„Maßstab für die Überprüfung der Beschwerdeentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren auf Rechtsfehler ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Zu berücksichtigen ist daher auch ein nach Erlass der Beschwerdeentscheidung ergangenes neues Gesetz, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst (vgl. BGH, Beschl. v. 21.06.2017 - VII ZB 17/14 Rn. 5, …; Beschl. v. 20.01.2005 - IX ZB 134/04, … Rn. 12). Das ist hier der Fall. Das genannte Gesetz enthält keine Übergangsregelung und ist auf nicht abgeschlossene Pfändungsmaßnahmen wie im Streitfall anwendbar.“

Wenn aber Entscheidungen der Insolvenzgerichte über die Pfändbarkeit der EPP bereits rechtskräftig sind, wird dieser Weg nicht mehr helfen. Im vorliegenden Fall hat das LG Hildesheim aber das neue Gesetz damit richtigerweise angewendet und kommt zum Ergebnis der Unpfändbarkeit der EPP.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Unpfändbarkeit der EPP für Rentner und Versorgungsempfänger, die im Dez. 2022 ausgezahlt wurde, von Anfang an gesetzlich geregelt war: § 4 Abs. 2 RentEPPG und § 3 Abs. 2 VEPPGewG .

 

InsbürO 2023, 87: Pfändbarkeit der Energiepreispauschale

AG Aschaffenburg, Beschl. v. 07.11.2022 – 654 IK 298/21, ZInsO 2022, 2691 (rkr.)

Aus der Begründung:

Woraus sich die Behauptung auf der Internetseite des BMF, dass die Energiepreispauschale eine Sozialleistung sei, ergibt, ist vollkommen unklar. Diese Aussage kann das Gericht deshalb nicht nachvollziehen. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung wurde ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der Energiepreispauschale um eine Sozialleistung handelt. … Die tlw. vertretene Auffassung, dass es sich bei der Energiepreispauschale um einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis handelt (Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665), hält das Gericht für überzeugend. Das Gericht schließt sich deshalb dieser Auffassung an. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 EStG finden die Vorschriften der AO über Steuervergütungen auf die Energiepreispauschale entsprechende Anwendung. Nach § 46 Abs. 1 AO können Steuervergütungen gepfändet werden. Somit ist nach Auffassung des Gerichts auch die im EStG geregelte Energiepreispauschale pfändbar.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Mit dem Jahressteuergesetz 2022[1] hat der Gesetzgeber die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale in § 122 Satz 2 EStG geregelt. Die Regelung ist am 21.12.2022 in Kraft getreten. Zur Frage der Rückwirkung sei auf die Ausführungen zur Entscheidung des LG Hildesheim (Beschl. v. 30.12.2022 – 6 T 63/22, InsbürO 2023, … - in diesem Heft) und den Literaturreport (InsbürO 2023, … - ebenfalls in diesem Heft) verwiesen. Die in rechtskräftigen Entscheidungen festgestellte Pfändbarkeit wird durch den jetzt neu bestehenden Pfändungsschutz nicht nachträglich aufgehoben.

 

InsbürO 2023, 87 f.: Pfändbarkeit der Energiepreispauschale

AG Bielefeld, Beschl. v. 22.11.2022 – 43 IK 1117/21 (rkr.)

Aus der Begründung:

Mit … Antrag begehrt die Schuldnerin, dass die Energiepreispauschale ausgezahlt und nicht gepfändet wird. … Die §§ 850 ff. ZPO sind hinsichtlich einer möglichen Freigabe der Energiepreispauschale nicht anzuwenden, da es sich insoweit nicht um Arbeitseinkommen bzw. gleichgestellte Einkünfte handelt. Der Antrag der Schuldnerin … ist als Antrag nach § 765a ZPO auszudeuten. … Da die Schuldnerin trotz Aufforderung ihren Antrag nicht ergänzend begründet hat, der bloße Hinweis auf zusätzliche Energiekosten insoweit nicht ausreichend ist und insbesondere nicht darauf schließen lässt, dass eine besondere Härte gegeben ist, ist der … Antrag zurückzuweisen.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es sei auf die vorstehende Anmerkung zur Entscheidung des AG Aschaffenburg (Beschl. v. 07.11.2022 – 654 IK 298/21) verwiesen.

 

InsbürO 2023, 85 f.: Umgang mit selbständiger Tätigkeit und gleichzeitigen Renteneinkünfte

BGH, Beschl. v. 29.09.2022 - IX ZB 48/21

Leitsatz des Bearbeiters:

Zahlungen, die der Schuldner nach § 295 Abs. 2 InsO aF in Orientierung an einem fiktiven Arbeitsverhältnis zu leisten hat, sind kein Einkommen aus abhängiger Beschäftigung und können daher nicht gem. § 850e Abs. 2 ZPO mit Arbeits- oder Renteneinkommen zusammengerechnet werden.

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:

Der 9. Zivilsenat des BGH stellt in dieser Entscheidung fest, dass eine Zusammenrechnung von Einkommen aus abhängiger Beschäftigung oder von Renteneinkommen mit den nach § 295 Abs. 2 InsO a.F. zu leistenden Zahlungen nicht stattfindet. Diese Zusammenrechnung könnte erwogen werden, da der Schuldner die Zahlung gem. § 295 Abs. 2 InsO a.F. aus einem fiktiven Arbeitsverhältnis, folglich aus einer abhängigen Beschäftigung, zu ermitteln hat. Diese besondere Berechnungsmethode macht die Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit aber nicht zu Einkommen aus abhängiger Beschäftigung. Eine Zusammenrechnung nach § 850e Abs. 2 ZPO scheidet damit aus.

Ansonsten ist die Entscheidung für den Praktiker hinsichtlich des Prüfungsaufbaus bei einer Versagung wegen der Verletzung einer Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht lehrreich. Zu Beginn steht stets die Frage, ob die Verfehlung des Schuldners grds. geeignet ist, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu beeinträchtigen, ohne dass diese Beeinträchtigung - anders als in der Restschuldbefreiungszeit - tatsächlich eingetreten sein muss. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn der Schuldner sich lediglich weigert, einen oft von Insolvenzverwaltern verlangten Lebenslauf vorzulegen. Anschließend ist die objektive Verletzung einer Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht festzustellen. Dann folgt zum Abschluss die Prüfung des subjektiven Tatbestands, ob der Schuldner also vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Hierbei kann besondere Bedeutung haben - was im vorliegenden Fall keine Rolle gespielt hat -, dass der Schuldner bei seinem Handeln den Anweisungen des Insolvenzverwalters gefolgt ist. Hat er trotz der Anweisung oder Empfehlung des Insolvenzverwalters eine objektive Pflichtverletzung begangen, wird er kaum schuldhaft gehandelt haben können.

 

Unternehmensinsolvenzen

InsbürO 2023, 88: Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses und Bezug zur Insolvenzmasse

OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 4 U 214/21, ZInsO 2022, 2373 (rkr.)

Aus der Begründung:

Unterbrochen wird ein Rechtsstreit durch die Insolvenzeröffnung, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§ 240 Satz 1 ZPO). … Ein Beschlussmängelverfahren wird demgegenüber nicht unterbrochen, wenn die Klage entweder keine Veränderung der Masse bewirken kann oder darauf abzielt, die Insolvenzmasse zu vergrößern. Dies hat seinen Grund darin, dass der Insolvenzverwalter nicht gezwungen werden darf, im Prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen (…). … Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen (BGH, Urt. v. 04.08.2020 - IIZR 171/19 Rn. 31 m.w.N. u. v. 26.01.2021 - II ZR 391/18 Rn 23). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3 GmbHG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (BGH, Urt. …, v. 26.06.2018 - II ZR 65/16 Rn 13). … Die mögliche Unterbilanz ist durch einen aus dem HGB-Jahresabschluss abgeleiteten Vergleich zwischen dem Nettovermögen der Gesellschaft und ihrem statuarischen Stammkapital ausschließlich Rücklagen und Nachschusskapital zu ermitteln. Das Nettovermögen errechnet sich als die Summe aller in einer Bilanz nach § 42, §§ 246 ff, 266 ff HGB angesetzten und (auf den Zeitpunkt der Auszahlung fortgeschrieben) bewerteten Aktiva abzgl. sämtlicher echten Passiva. Denn die Unwägbarkeiten bei der Bewertung stiller Rücklagen dürfen nicht dazu führen, dass an die Gesellschafter Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wird, welches zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist (…).

AnmerkungInsolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es wurde keine Revision zugelassen.

 

Anfechtungsrecht

InsbürO 2023, 88: Anfechtung nach § 133 InsO wg. Darlehensforderung unter Eheleuten

OLG Zweibrücken, Urt. v. 02.11.2022 – 7 U 78/21, ZInsO 2022, 2584 (n. rkr.)

Sachverhalt und Entscheidungsgründe in Auszügen:

Durch Vertrag … gewährte die Beklagte (= Ehefrau) dem Schuldner (= Ehemann) bzw. dessen Unternehmen … (ein) Darlehen …, welches am 31.12.2015 zur Rückzahlung fällig sein sollte. … in der Gewinnermittlung … zum 31.12.2016 das Darlehen … noch mit einem Betrag i.H.v. 117.414,51 € aufgeführt. Der Kläger (= Insolvenzverwalter) könne von der Beklagten Rückgewähr der streitgegenständlichen Zahlungen i.H.v. insgesamt 89.000 € …verlangen. … Ausgehend von diesem Maßstab ist der Senat davon überzeugt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen (13.10.2017 – 22.1.2018) Kenntnis von seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) hatte. … Vielmehr gilt es zu berücksichtigen, dass sie dem Schuldner ab 2006 ein "eigenkapitalähnliches partiarisches Darlehen" gewährt hat, infolgedessen ihr neben einer Gewinnbeteiligung (§ 2 Abs. 1 des Darlehensvertrags von 2006) auch ein Einsichtsrecht in die Buchführungs- und Geschäftsunterlagen des Schuldners zustand. … Auf die gesetzlichen Vermutungen zugunsten des anfechtenden Insolvenzverwalters (§ 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO) kommt es nicht an. … Dem Schuldner stand klar vor Augen, dass die von ihm gewählte Art, sein Gewerbe aufzugeben, zu Steuerschulden in erheblichem Umfang führen würde, die er angesichts seines Alters (73 J.) und der fehlenden Altersvorsorge, die durch den gestellten Antrag auf Sozialleistungen belegt wird, genauso wenig würde bedienen können wie die beiden Ratenkredite bei der … oder die letztlich offen gebliebene Restforderung der Beklagten. In dieser Situation entschloss sich der Schuldner, sein gesamtes noch verbliebenes Vermögen zu veräußern und die so gewonnene Liquidität ausschließlich der Beklagten zukommen zu lassen, die nicht nur in einem Näheverhältnis i.S.v. § 138 Abs. 1 Nr. 3 Fall 2 InsO zum Schuldner stand, sondern darüber hinaus auch nach der Ehescheidung im Jahr 2014 u.a. durch ein gemeinsames Konto in engem Kontakt zum Schuldner stand, der wesentliches Motiv für die angefochtenen Zahlungen gewesen sein muss.

AnmerkungInsolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

In der Entscheidung finden sich ausführliche Erläuterungen für die Feststellung der vorsätzlichen Benachteiligung. So sei der Tatbestand des § 133 Abs. 4 InsO nicht gegeben, aber derjenige des § 133 Abs. 1 InsO. Auch eine Anfechtung nach den Tatbeständen der §§ 135, 136 InsO (Gesellschafterdarlehen, stille Gesellschaft) wird erörtert, aber für nicht anwendbar befunden. Es wurde keine Revision zugelassen, aber Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt. Das Verfahren wird zum Zeitpunkt der Druckfreigabe dort unter dem AZ: IX ZR 214/22 geführt.

 

Arbeitsrecht

InsbürO 2023, 88: Widerspruchsfrist bei unvollständiger Information des Arbeitnehmers zum Betriebsübergang

LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.07.2022 - 8 Sa 68/20, ZInsO 2022, 2320

Amtlicher Leitsatz:

Die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB zum Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs beginnt nicht nur bei fehlerhafter Information des Arbeitnehmers nicht zu laufen, sondern auch nicht bei unvollständiger. Geht es um die rechtlich schwierig zu beurteilende (Weiter-)Geltung eines Tarifvertrags beim Erwerber und ist dieser Umstand für die Ausübung des Widerspruchsrechts ersichtlich von Bedeutung, müssen der Betriebsveräußerer und/oder der Betriebserwerber sich hierzu ausdrücklich und in einer für Nichtjuristen verständlichen Weise erklären.

Aus der Begründung:

Die Feststellungsklage des Klägers ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie ist begründet, weil zwischen den Parteien über den … hinaus ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Kläger hat dem Betriebsübergang auf die Streitverkündete mit anwaltlichem Schreiben v. … fristgemäß und insgesamt wirksam gem. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen. Das Unterrichtungsschreiben v. … entsprach nicht den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB und war deshalb nicht geeignet, die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB in Gang zu setzen (…). Das Widerspruchsrecht des Klägers war … auch nicht verwirkt (...). … Der Beklagten ist nicht vorzuhalten, dass sie zu einer schwierigen Rechtsfrage eine rechtlich nicht vertretbare Auskunft gegeben hat, sondern dass sie diese Rechtsfrage erst gar nicht in der ihrer überragenden Bedeutung angemessenen Deutlichkeit angesprochen und sich zur Fortgeltung des TV Switch positioniert hat (vgl. Urteil des BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13, …).

AnmerkungInsolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Revision wurde wg. grds. Bedeutung zugelassen und auch eingelegt. Das Verfahren ist bei Druckfreigabe beim BAG unter dem AZ:2 AZR 326/22 anhängig.

 

Haftung

InsbürO 2023, 89: Haftung von ehemaligem Kommanditisten für rückständige Einlageverpflichtung

BGH, Urt. v. 05.04.2022 – II ZR 30/21, ZInsO 2022, 2147

(II. Senat = u.a. zuständig für Gesellschaftsrecht)

Aus der Begründung:

Rn. 15: Wie der Senat in Parallelverfahren zwischen der Klägerin und anderen Kommanditisten (BGH, Urt. v. 23.02.2021 – II ZR 200/19, … Rn. 16 ff. und II ZR 255/19, Rn. 11 ff.) sowie in Parallelverfahren einer Schwestergesellschaft der Klägerin mit – abgesehen von den Prozentsätzen – identischen Vertragsregelungen (BGH, Urt. v. 23.02.2021 – II ZR 184/19, … Rn. 20 ff.; II ZR 201/19, Rn. 16 ff. und II ZR 48/20, Rn. 11 ff.) entschieden hat, kann die Klägerin (= Publikums-KG[2]) einen ausgeschiedenen Kommanditisten nach dem Gesellschaftsvertrag i.V.m. §§ 167 Abs. 3, 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, §§ 735, 738, 739 BGB zwar nur bis zur Höhe seiner "rückständigen Einlage" auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsfehlbetrags in Anspruch nehmen. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, handelt es sich aber auch nach der am … beschlossenen Neufassung von § 4 Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 GV bei der gesamten im Zeitpunkt des Ausscheidens des Kommanditisten noch offenen Einlageverpflichtung unabhängig von ihrer Fälligkeit und von ihrer vorherigen Einforderung durch einen Gesellschafterbeschluss um eine "rückständige Einlage" i.S.v. § 167 Abs. 3 HGB.

 

InsbürO 2023, 90: Pflichtverletzung eines Geschäftsführers durch Auszahlung nicht vereinbarter, überhöhter Gehaltszahlungen

OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21, ZInsO 2022, 2381 (n. rkr.)

Sachverhalt und Entscheidungsgründe in Auszügen:

Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen überzahlter Geschäftsführergehälter in Anspruch. … Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Klägerin die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht angewendet, indem er die Zahlung eines Geschäftsführergehalts an sich veranlasst hat, das die vertraglich vereinbarte Vergütung überstieg und von den Mitgesellschaftern nicht gebilligt worden ist. … in welcher Höhe das zu zahlende Grundgehalt angesichts der weiteren Gehaltskomponenten als angemessen anzusehen ist, unterliegt … nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhaltes durch den Geschäftsführer. Vielmehr ist zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung die Gesellschafterversammlung berufen (BGH, Urt. v. 25.03.1991 - II ZR 169/90, …). … Auf die Zahlung einer höheren Vergütung besteht - auch wenn diese angemessen wäre - kein Anspruch. … Die Haftung ist allerdings wegen der für die Jahre 2016 und 2017 von den Gesellschaftern beschlossenen Entlastung des Beklagten ausgeschlossen. Mit der nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. … Kommt es im Rahmen der Entlastung zur Billigung eines Verhaltens, das einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt, ist der Entlastungsbeschluss anfechtbar (BGH; Urt. v. 18.10.2004 - II ZR 250/02, …). Anfechtungsklage ist hier nicht erhoben worden. … Darüber hinaus ist eine Entlastung des Beklagten unstreitig nicht erklärt worden. … Der Senat teilt die Rechtsauffassung des LG, dass die Feststellung des Jahresabschlusses nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber dem Mitgesellschafter als Geschäftsführer führt. … Daraus ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr überhöhter Zahlungen … in den Jahren 2018 und 2019 sowie … auf Geschäftsführervergütung in Höhe von 26 x 2.843,54 € = 73.932,04 €.

AnmerkungInsolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es wurde zwar keine Revision zugelassen, aber es ist zum Zeitpunkt der Druckfreigabe eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH unter dem AZ: II ZR 140/22 anhängig.

 

Vergütungsrecht

InsbürO 2023, 89: Vergleichsrechnung bei Zuschlag für übertragende Sanierung

LG Detmold, Beschl. v. 29.12.2021 - 1 T 16/21 (rkr.)

Aus der Begründung:

Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (…). … Aus dem Übertragungsvertrag … geht … hervor, dass es sich um einen Betriebsübergang im Ganzen gehandelt hat. Der vereinbarte Kaufpreis i.H.v. 149.169,02 € (netto, ohne MWSt.) ist lediglich i.H.v. vertraglich vereinbarten Restzahlungsanspruches i.H.v. 125.000,00 € als Reinerlös in die Insolvenzmasse geflossen. Dieser Betrag hat … zu einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage und damit zu einer Erhöhung der Regelvergütung geführt. In diesem Fall ist zur Bestimmung der angemessenen Höhe des Zuschlags eine Vergleichsrechnung anzustellen , welche die durch den jeweiligen Massezufluss bewirkte Erhöhung der Regelvergütung zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 08.03.2012 - IX ZB 162/11). Es ist deshalb, bezogen auf den einzelnen in Betracht zu ziehenden Zuschlagstatbestand (vgl. dazu BGH, NZI 2011 639) zu prüfen, ob trotz der Erhöhung der Regelvergütung ein (Ausgleichs-)Zuschlag zu gewähren ist, weil sich die Vergütung ohne Masseerhöhung bei angemessenem Zuschlag stärker erhöht hätte.

AnmerkungInsolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Das LG Detmold verweist in seiner Begründung auf eine BGH-Entscheidung vom 08.03.2012 (IX ZB 162/11). Dort heißt es in Rn. 15: „Die Regelungsstruktur des § 3 Abs. 1 InsVV geht dahin, dass zwischen Zuschlagstatbeständen unterschieden wird, die die Masse regelmäßig mehren (Buchst. a und b), und solchen, wo dies nicht der Fall ist (Buchst. d und e). … Aus Buchst. a, b und c (des § 3 InsVV) lässt sich das allgemeine Regelungsmodell ableiten, dass in Fällen, in denen eine Tätigkeit die Masse und damit schon die Regelvergütung erhöht, die Gewährung und die Höhe eines Zuschlags davon abhängt, dass die bewirkte Erhöhung der Regelvergütung keine angemessene Vergütung der Tätigkeit darstellt.“ Wenn eine solche Vergleichsberechnung für einzelne Zuschläge erforderlich wird, wie bspw. für eine Betriebsfortführung, für Anfechtungen und wie hier für eine übertragende Sanierung, dann ist eine solche Vergleichsberechnung für jeden masseerhöhenden Zuschlagstatbestand einzeln vorzunehmen (s. Graeber/Graeber, Insbüro 2012, 292 ff.).

 

Allgemeines

InsbürO 2023, 90: Bei fehlender Änderung der Quotenaussicht Annahme der Mutwilligkeit und keine PKH-Bewilligung

FG Hessen, Beschl. v. 24.01.2022 – 2 K 278/18, ZInsO 2022, 2595 (rkr.)

Zum Sachverhalt:

Der Beklagte stellte … die … geltend gemachten Forderungen mit Bescheid … gem. § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO als Insolvenzforderungen fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die beabsichtigte Klage in der Hauptsache. … Es gehe im Ergebnis um die Frage einer der InsO entsprechenden Forderungsanmeldung, nicht um eine Massemehrung. Daher spiele die Frage der Massemehrung bei der Prüfung der Bewilligung der PKH vorliegend keine Rolle. Das Verfahren wäre vom Insolvenzverwalter auch dann geführt worden, wenn dieser nicht auf die Beantragung von PKH angewiesen gewesen wäre. Dies entspreche auch den Interessen der Gläubigergemeinschaft, da eine nicht berechtigte Forderungsanmeldung vom Verwalter zu prüfen und abzulehnen sei. …

Aus der Begründung:

Es liegt ein Fall der Mutwilligkeit im o.g. Sinne vor. Vorliegend ist nämlich kein zu erwartender Nutzen im Fall des Obsiegens des Antragstellers für die Insolvenzgläubiger erkennbar, weil sich die Quote von 0 % für diese auch bei einem Obsiegen des Antragstellers nicht verändert. Im (vorliegenden) Verbraucherinsolvenzverfahren ist nämlich unstreitig kein zu verteilendes Vermögen des Insolvenzschuldners vorhanden.

 

InsbürO 2023, 90: Erforderlicher Wert für Revisionsmöglichkeit

BGH, Beschl. v. 29.09.2022 – IX ZR 15/22, WKRS 2022, 41074

(IX. Zivilsenat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Aus der Begründung:

Rn. 1: Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie die für die Revision geltend zu machende Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). … Rn. 2: …Dies wäre nur dann der Fall, wenn gemessen an den Verhältnissen zum … mit einer Quote von fast 46,6 % zu rechnen gewesen wäre. … Rn. 5: Der Kläger erstrebt die Feststellung einer streitigen Forderung über 43.000 € zur Insolvenztabelle und macht geltend, dass die Quote für den Fall einer erfolgreichen Klage „zwischen 35 % und 60 %“ liege. … Rn. 8: Schließlich lässt sich allein der nicht näher erläuterten Spanne für eine Quote zwischen 35 % und 60 % keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Quote von mehr als 35 % entnehmen. Der Kläger zeigt keine Anhaltspunkte auf, die es ermöglichen würden, die Spanne näher einzugrenzen. … Zudem berücksichtigt der Kläger nicht, dass die Kosten des geführten Rechtsstreits über die Feststellung der Insolvenzforderung bei einem Obsiegen des Klägers als Masseverbindlichkeiten zu befriedigen wären und demgemäß die verteilungsfähige Masse vermindern würden. Denn von der vorhandenen Masse sind für die Berechnung der voraussichtlichen Quote die zu erwartenden Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 53 InsO) abzuziehen (BGH, Beschl. v. 21.03.2019 – IX ZR 27/18, … Rn. 6).

 

 


[1] Kurz: JStG 2022, BGBl. 2022 – Teil 1 v. 20.12.2022, Nr. 51, S. 2294

[2]www.wirtschaftslexikon24.com: Als Publikumsgesellschaft wird eine Gesellschaft bezeichnet, die über eine große Zahl reiner Anlegergesellschafter verfügt. Diese nehmen ihre (auf ein Minimum beschränkten) Gesellschafterrechte meist gar nicht selbst wahr, sondern werden von einem Treuhänder vertreten. Zentrales Motiv für die Wahl der Struktur einer Publikumsgesellschaft ist die Möglichkeit der Sammlung von Kapital zur Projektfinanzierung.

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