16.03.2021

Aus der Rechtsprechung

Rechtsprechungsüberblick

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.


Märzheft 2021

 

Eröffnungsverfahren

InsbürO 2021, 131: Rechtmäßigkeit einer Insolvenzeröffnung trotz Suizidgefahr der Schuldnerin

BGH, Beschl. v. 10.12.2020 – IX ZB 24/20, ZInsO 2021, 250
(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Amtlicher Leitsatz:
Der Eröffnungsantrag eines an einem nicht wertausschöpfend belasteten Grundstück dinglich gesicherten Gläubigers darf nicht wegen Fehlens eines rechtlich geschützten Interesses abgewiesen werden, wenn eine Befriedigung im Wege der Zwangsversteigerung wegen der Suizidalität des Schuldners unsicher ist (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 29.11.2007 - IX ZB 12/07, …).
               
Aus der Begründung:
Rn. 13: Hier betreibt der Gläubiger seit vielen Jahren vergeblich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin. Die Zwangsvollstreckung in deren einzigen bekannten Vermögensgegenstand, das Grundstück, hat bisher wegen der psychischen Erkrankung der Schuldnerin nicht zum Erfolg geführt. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. … Rn. 14: Im Insolvenzverfahren kann dem Schuldner bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 Abs. 2 InsO auf Antrag ebenfalls Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist (…). Aber auch dieser Umstand lässt das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers nicht entfallen. Kraft seiner aus § 80 InsO folgenden umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis kann der weitere Beteiligte zu 2 die Aufteilung des Mehrfamilienhauses der Schuldnerin in Eigentumswohnungen betreiben und einzelne Wohnungen veräußern, ohne die Schuldnerin aus ihrer Wohnung zu verdrängen und sie so an Leib oder Leben zu gefährden.

                    


Insolvenzverfahren natürlicher Personen

InsbürO 2021, 128 f.: Umfang der Restschuldbefreiung

BGH, Urt. v. 10.12.2020 – IX ZR 24/20, ZInsO 2021, 85

Amtlicher Leitsatz:
Die Restschuldbefreiung begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek.

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Erlangt der Schuldner nach nunmehr 3 Jahren Restschuldbefreiung, wird er im landläufigen Sinn „von seinen Schulden befreit“. Dabei sind aber wichtige Einschränkungen zu beachten. Die Verpflichtung wird lediglich in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelt. Wird der Gläubiger befriedigt, besteht kein Rückforderungsrecht (§ 301 Abs. 3 InsO). Weiter sind Forderungen nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Schließlich bleiben gem. § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO u.a. Absonderungsrechte bestehen. Wichtigster Fall sind die in § 49 InsO erwähnten Rechte auf Befriedigung aus dem unbeweglichen Vermögen, insbesondere aus Grundstücken. Grundschulden und Zwangssicherungshypotheken bleiben bestehen. Im eröffneten Insolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter die Gegenstände zu verwerten und den Erlös vorrangig an die Absonderungsberechtigten auszukehren. Lässt sich ein Grundstück nicht verwerten, bleibt das Absonderungsrecht auch nach Erteilung einer Restschuldbefreiung erhalten. Der Gläubiger kann eine Verwertung (im Wege der Zwangsversteigerung) in der Hoffnung auf eine geänderte Marktlage versuchen. Weiter kommt der Abschluss einer Tilgungsvereinbarung in Betracht, nach deren Erfüllung die Grundschuld bzw. Zwangssicherungshypothek im Grundbuch gelöscht wird.   


InsbürO 2021, 131 f: Versorgungsausgleich im Insolvenzverfahren bei Scheidung

OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.05.2020 – 10 UF 51/20, WKRS 2020, 41799 (rkr.)

Zum Sachverhalt:
Das Insolvenzverfahren wurde am 17.05.2017 aufgehoben. Die Ehe des Schuldners wurde am 22.11.2019 geschieden. Das AG hat für die versorgungsrechtlich relevante Ehezeit vom 01.04.2011 bis zum 30.06.2019 den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wurde eine Lebensversicherung des Schuldners anteilig i.H.v. 6.687,04 EUR auf die Ehefrau übertragen. Mit Beschluss vom 22.12.2019 ist die Nachtragsverteilung hinsichtlich der Ansprüche aus dieser Lebensversicherung angeordnet worden, soweit diese bis zum Tag der Aufhebung bereits entstanden waren. Es handelte sich um eine Direktversicherung, deren Beiträge bis zum 31.12.2016 vom Arbeitgeber geleistet wurden. Aber dem 01.01.2017 führte der Schuldner die Versicherung privat fort. Die Beschwerde macht geltend, dass der Versorgungsausgleich so nicht hätte erfolgen dürfen.

Aus der Begründung:
Die Beschwerde ist tlw. begründet. … Mit Beschluss vom 05.12.2013 (IX ZR 165/13) hat der BGH entschieden, dass … im Insolvenzverfahren … der allein aus Beiträgen des Arbeitgebers gebildete Rückkaufswert nicht zur Masse gezogen werden kann. … Hinsichtlich des Deckungskapitals, das durch die private Fortführung der … Direktversicherung … in der Ehezeit erwirtschaftet wurde, greift der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO auch für das Insolvenzverfahren anzuwendende Pfändungsschutz für Altersrenten nach § 851c Abs. 1 ZPO nicht ein. … Gem. § 2 VersAusglG unterliegen dem Versorgungsausgleich im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen (auch) aus privaten Altersvorsorgeverträgen. … Diese Voraussetzungen sind für die hier vorliegende private Rentenversicherung erfüllt. Nicht einzubeziehen sind solche Anrechte, die wirtschaftlich nicht dem Ehegatten, sondern einem Dritten zustehen. Dies ist bei einem gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Anrecht jedoch nicht der Fall, solange die Verwertung nicht tatsächlich erfolgt ist (…). … Der BGH hat auch ausdrücklich entschieden, dass im Falle der Sicherungsabtretung der internen Teilung eines Anrechts auch nicht entgegensteht, dass das Sicherungsgut vermindert wird, wenn der Versorgungsträger die bei der internen Teilung entstehenden Kosten jeweils hälftig mit den Anrechten beider Ehegatten verrechnet (§ 13 VersAusglG). … Diese Entscheidung des BGH zur Behandlung von sicherungsabgetretenen Forderungen ist auf den hier vorliegenden Fall der insolvenzrechtlichen Anordnung                   einer Nachtragsverteilung nach § 203 InsO übertragbar, … Im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung über das von der Nachtragsverteilung betroffene Anrecht im Rahmen des Versorgungsausgleichs ist dafür Sorge zu tragen, dass sowohl die Rechtsstellung des Ehegatten, zu dessen Gunsten die Teilung erfolgt, als auch die Rechtsstellung des Insolvenzgläubigers berücksichtigt werden. … Eine Bestimmung der konkreten Höhe der Anrechte aus der Versicherung, die durch die Nachtragsverteilung im Insolvenzverfahren dem Versorgungsausgleich unter Antragsteller und Antragsgegnerin entzogen sind, obliegt nicht dem Senat in familienrechtlichen Verfahren. Der Vollzug der Nachtragsverteilung ist vielmehr nach § 205 InsO dem durch das Insolvenzgericht zu bestimmenden Insolvenzverwalter zugewiesen.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Das OLG Nürnberg verweist wegen der Klärung des BGH zum Versorgungsausgleich auf den Beschluss vom 07.08.2013 (XII ZB 673/12, WKRS 2013, 44043). Darin heißt es in einem der Leitsätze: „Im Versorgungsausgleich kann ein sicherungshalber abgetretenes Anrecht aus einer privaten Lebensversicherung intern ausgeglichen werden.“

 

 

Restschuldbefreiungsverfahren

InsbürO 2021, 132: (Zulässige) Aufrechnung des Sozialversicherungsträgers mit zuvor angemeldeten Rentenbeitragsforderungen während und nach dem Restschuldbefreiungsverfahren

LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27.07.2020 – L 1 R 92/20 B ER, WKRS 2020, 50390

Aus der Begründung:
Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle und die Aufrechnungsmöglichkeit nach § 51 Abs. 2 SGB I bestehen unabhängig voneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus. Eine Auf- oder Verrechnung mit dem unpfändbaren Teil einer Altersrente ist auch während des laufenden Restschuldbefreiungsverfahrens oder nach erteilter Restschuldbefreiung zulässig. Dies gilt natürlich nicht, soweit die Forderung bereits im Insolvenzverfahren befriedigt wurde. Eine gesetzeswidrige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern der Antragstellerin liegt dabei nicht vor. Sozialleistungsträger sind bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsansprüchen gegenüber anderen Gläubigern privilegiert. Der Sinn des Restschuldbefreiungsverfahrens steht der sich aus § 51 Abs. 2 SGB I ergebenden Aufrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn soweit Rentenzahlungen - … - unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegen, gehören sie nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (soweit die einhellige Rechtsprechung, u.a. BSG, Urt. v. 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R, …).

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Das BSG hat im vorgenannten Urteil ausgeführt, dass die Verrechnung ebenso wie die Aufrechnung keine Maßnahme der "Vollstreckung" i.S.d. Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung sei (Rn. 63). Es gibt auch einen schon älteren Beitrag von Lackmann zur „Auf- und Verrechnung mit Sozialleistungen im Insolvenzverfahren“ (InsbürO 2014, 24 ff.), der auf die Regelung in § 51 SGB I eingeht.
            

 


Steuerrecht

InsbürO 2021, 133: Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Insolvenzverwalters/Steuerberaters bei Betriebsfortführung

FG Münster, Urt. v. 15.09.2020 – 15 K 827/18 U (rkr.)

Aus der Begründung:
Zwischen den Beteiligten ist strittig, in welchem Umfang die Klägerin den Vorsteuerabzug aus einer Insolvenzverwaltervergütung und aus Steuerberatungskosten geltend machen kann. … Vor dem Hintergrund der vorstehenden normativen Grundlagen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH und des EuGH hält der Senat allein eine Vorsteueraufteilung betreffend die Insolvenzverwaltervergütung und die Steuerberatungskosten nach dem Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen des gesamten Unternehmens (Gesamtumsatzschlüssel) des jeweiligen Besteuerungszeitraums für sachgerecht. Der Vorsteuerabzug besteht nur, soweit diese Aufwendungen auf den steuerpflichtigen Teil der Umsätze des jeweiligen Besteuerungszeitraums entfallen. … Es ist nicht ersichtlich, dass die vom BFH bislang entschiedenen Fälle einen Unternehmer betrafen, der - wie im vorliegenden Verfahren - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens tlw. steuerfreie und teilweise steuerpflichtige Umsätze ausführte. … Es ist … nicht angezeigt, die Kosten nach dem Verhältnis der steuerfrei zu den steuerpflichtig vermieteten Grundstücksflächen aufzuteilen, da dieser Maßstab nicht als präziserer Aufteilungsmaßstab angesehen werden kann.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Die Revision wurde wegen grds. Bedeutung der Rechtssache zugelassen, aber nicht eingelegt.


InsbürO 2021, 133: (Kein) Verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich Höhe von 1 % pro Monat für Säumniszuschläge

FG Hamburg, Urt. v. 01.10.2020 – 2 K 11/18, WKRS 2020, 42773

Leitsätze des Gerichts:

1.    Die gegen die Höhe der Zinsen gem. § 238 AO erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen.

2.    Den vorwiegend als Druckmittel konzipierten Säumniszuschlägen lässt sich ein fester typisierter Zinssatz nicht verlässlich entnehmen.

Aus der Begründung:

Der Beklagte (= Finanzverwaltung) hat die Säumniszuschläge zu Recht noch in hälftiger Höhe festgestellt. … Allerdings liegt nach überwiegender Auffassung ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig und überschuldet ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (…). Dem wird nach ständiger Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, dass die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen ist (...), während der verbleibende Teil als Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuerschulden und der Abgeltung von Verwaltungsaufwand dienen soll (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH … v. 16.11.2004, VII R 8/04, … m.w.N.). … Anders als der typisierte Zinssatz von 6 % p.a. (§ 238 AO) betragen die Säumniszuschläge gem. § 240 AO 12 % p.a. Dieser Prozentsatz bezieht sich - jedenfalls nach herrschender Meinung - auf eine Mischung aus Druckmittel, Abgeltung von Verwaltungsaufwand und auch auf einen "Zinsanteil". Für die Annahme eines verfassungswidrigen überhöhten und nicht mehr realitätsgerecht typisierenden Zinsanteils bedürfte es der Festlegung auf einen bestimmten prozentualen "Zinsanteil" als Maßstab. … Es ist gerade ungeklärt, inwieweit ein Zinsersatz in den Säumniszuschlägen enthalten ist; … Vor diesem Hintergrund stellt sich die Verfassungsfrage erst dann, wenn die Säumniszuschläge insgesamt gegen das Übermaßverbot verstoßen würden.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Die Revision wurde wegen grds. Bedeutung zugelassen und auch eingelegt. Das Verfahren ist zum Zeitpunkt der Druckfreigabe beim BFH unter dem AZ: VII R 55/20 anhängig. Das FG Münster hatte bereits mit Beschluss vom 29.05.2020 (AZ: 12 V 901/20 AO, InsbürO 2020, 498 = ZInsO 2020, 2114) zur Verfassungswidrigkeit von Säumniszuschlägen entschieden. Darin hieß es, dass im Einzelfall zu entscheiden sei, welche Wirkung die Säumniszuschläge haben sollen und keine allgemeine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 240 AO begründet sein könne.            


InsbürO 2021, 133 f.: Berechnung und Festsetzung der auf das insolvenzfreie Vermögen entfallenden (Einkommen-)Steuerschuld

FG Münster, Urt. v. 23.09.2020 – 7 K 1232/18 E, WKRS 2020, 40908 (rkr.)

Aus der Begründung:
Zur Begründung trug der Kläger (= Insolvenzschuldner) zum einen vor, dass er für seinen gesamten Arbeitslohn bereits Lohnsteuer entrichtet habe; daher sei nicht nachvollziehbar, warum die gesamte Steuer im Verhältnis des Arbeitslohns aufgeteilt werde. Zum anderen seien zwar die Beteiligungseinkünfte zutreffend der Insolvenzmasse zugeordnet worden, durch die Steuerprogression ergebe sich jedoch auch eine Mehrsteuer für den insolvenzfreien Bereich. Dies müsse in der Weise korrigiert werden, dass die gesamte auf die Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft entfallende Mehrsteuer als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren und festzusetzen sei. … Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Die Aufteilung der Jahressteuerschuld erfolgt dabei nach ständiger Rechtsprechung des BFH … entsprechend dem Verhältnis der auf die jeweiligen Vermögensbereiche entfallenden Einkünfte zueinander (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 10.07.2019 - X R 31/16, … m.w.N.). … Der BFH führt insoweit ausdrücklich aus, dass die - im Streitfall zur Anwendung gekommene - Aufteilung entsprechend dem Verhältnis der Teileinkünfte aber gerade in Ansehung der progressiven Steuerbelastung sachgerecht ist, weil zur Jahressteuerschuld ununterscheidbar alle Einkommensteile beitragen (vgl. BFH … a.a.O.). … Die mangelnde Abstimmung von Insolvenz- und Steuerrecht könne auch keinen Billigkeitserlass rechtfertigen, da der Gesetzgeber für Insolvenzfälle bewusst keine besonderen Vorschriften im Rahmen der Ermittlung der Einkommensteuerschuld vorgesehen, sondern an der einheitlichen Steuerermittlung unter Einschluss der Progressionseffekte ohne Einschränkung festgehalten habe.


Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil es sich um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall handele. Engel hatte sich mit einer ähnlichen Problematik der Steuerprogression bei Anfechtungserlösen in InsbürO 2020, 34 ff. beschäftigt. Auf den Beitrag darf an dieser Stelle verwiesen werden.


InsbürO 2021, 134: Offene Fragen zu einem "Erstattungsbescheid" nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Aufrechnung

BFH, Beschl. v. 30.06.2020 – IX R 27/18, ZInsO 2021, 112
(IX. Senat = u.a. zuständig für Vermietung und Verpachtung, private Veräußerungsgeschäfte)

Leitsatz des Gerichts:
Im Streitfall stellt sich die Frage, ob ein Steuerbescheid über einen eine Insolvenzforderung betreffenden Steueranspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen und dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben werden kann, wenn sich nach Abzug der Anrechnungsbeträge (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) von der festgesetzten Einkommensteuer ein Erstattungsbetrag ergibt. Der BFH hat das BMF zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert (§ 122 Abs. 2 Satz 1 FGO).

Aus der Begründung:
Rn. 7: Höchstrichterlich entschieden ist …, dass ein Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, unwirksam ist (…). Hiervon ausgenommen sind jedoch Steuerbescheide, durch die die Steuer auf 0 € (…) oder eine negative Umsatzsteuer (…) festgesetzt werden. In beiden Fällen fehle es an Insolvenzforderungen, die zur Tabelle anzumelden sind, und somit an der abstrakten Eignung des Bescheids, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Rn. 8: Umstritten ist dies hingegen für Steuerbescheide, durch die eine positive Steuer festgesetzt wird und bei denen sich … eine Steuererstattung nur unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt. … Rn. 11: Während die Finanzverwaltung Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird und bei denen sich eine Erstattung unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt, … werden diese seit der Änderung des AEAO mit Schreiben des … (BMF) vom 07.08.2017 (…) nunmehr explizit im neu eingefügten Abs. 4 des AEAO zu § 251 Nr. 4.3.1 behandelt. Danach habe eine Steuerfestsetzung zu erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter ausdrücklich die Erteilung eines Steuerbescheids beantragt, auch wenn sie sich auf anzumeldende Steuerforderungen auswirken könne. Ein solcher Antrag, der jedoch grds. nicht in der Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung zu sehen sei, sei erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und/oder Vorauszahlungen begehre mit dem Ziel ihrer (teilweisen) Erstattung zu Gunsten der Insolvenzmasse. … Rn. 12: … Zudem ist unklar, wie die durch den AEAO konsolidierte Verwaltungspraxis aussieht, wenn … (lediglich) eine Steuererklärung ohne (ausdrücklichen) Antrag auf Erteilung eines Steuerbescheids abgegeben wurde. … Rn. 13: … In diesem Zusammenhang sollte auch dazu Stellung genommen werden, ob es für die Auszahlung des Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs … überhaupt der vorherigen Festsetzung und Anrechnung in einem Steuerbescheid bedarf oder ob diese etwa auch auf der Grundlage einer - nicht in Bestandskraft erwachsenden - "formlosen Mitteilung" erfolgen kann.
                     

 

Arbeitsrecht

InsbürO 2021, 134: Urlaubsabgeltung als Masseverbindlichkeit

BAG, Urt. v. 10.09.2020 - 6 AZR 94/19 (A), WKRS 2020, 47932

Auszüge aus den Leitsätzen des Gerichts:

Wird der Arbeitnehmer vom (starken vorläufigen) Insolvenzverwalter zur Arbeitsleistung herangezogen, sind nicht nur die Ansprüche, die unmittelbar auf seiner tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, nach § 55 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO als (Neu-)Masseverbindlichkeit zu berichtigen. Diesen insolvenzrechtlichen Rang haben auch entgeltfortzahlungspflichtige "unproduktive" Ausfallzeiten. Gleiches gilt für den Urlaubsabgeltungsanspruch (Rn. 42 ff.).

Der 6. Senat des BAG will die Auffassung vertreten, dass eine quotale Berichtigung dieser Verbindlichkeit der Systematik der InsO widerspricht. Er sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung durch das Urteil des 9. Senats des BAG vom 21.11.2006 (9 AZR 97/06 …) gehindert und fragt daher gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG beim 9. Senat an, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält.
                        
Aus der Begründung:
Rn. 56: Die quotale Einordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs hat keine insolvenzrechtliche Grundlage. Sie hat Rangänderungen von Forderungen zur Folge, die der Insolvenzordnung fremd sind. Die InsO sieht keine Sonderregelungen zum arbeitsrechtlichen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch vor. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO bzw. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO verbinden mit der Inanspruchnahme der Leistung des Vertragspartners, hier des Arbeitnehmers, vielmehr die ungeschmälerte Belastung der Masse mit dem "Gesamtpaket" der geschuldeten Gegenleistung.

 

 

Immobilienvermögen

InsbürO 2021, 135: Löschungsmöglichkeiten von Zwangssicherungshypothek durch den Insolvenzverwalter

OLG Jena, Beschl. v. 14.11.2019 - 2 U 917/19, ZInsO 2020, 2319 (rkr.)

Zum Sachverhalt:
Insolvenzeröffnung auf einen Insolvenzantrag vom 22.09.2017, Eintragung von zwei Zwangssicherungshypotheken zugunsten eines Gläubigers am 24.04.2017 und am 30.11.2017. Anfechtung der ersten Sicherungshypothek nach § 133 InsO durch den Insolvenzverwalter und hinsichtlich der zweiten Hypothek Unwirksamkeit gem. § 88 InsO.

Aus der Begründung:
Es fehlt trotz der Möglichkeit zur Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO … nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse für die Geltendmachung des Grundbuchberichtigungsanspruchs im Klagewege. Denn auf welchem Weg die Löschung einer von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre erfassten Zwangssicherungshypothek erreicht werden soll, ist dem Insolvenzverwalter überlassen. Der Insolvenzverwalter kann den eingetragenen Inhaber des Grundpfandrechts, notfalls im Klageweg gem. § 894 BGB i.V.m. 894 ZPO, auf Erteilung einer Löschungsbewilligung in Anspruch nehmen; alternativ kann er die Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO verlangen. Beide Möglichkeiten stehen gleichrangig nebeneinander (BGH, Beschl. v. 12.07.2012 - V ZB 219/11 -, … Rn. 12). … Die Voraussetzungen der sogenannten Rückschlagsperre des § 88 InsO sind in Bezug auf die … eingetragene Zwangssicherungshypothek erfüllt. … Das Grundbuch ist unrichtig. Der Grundbuchberichtigungsanspruch des Klägers ist begründet. Demgegenüber besteht kein Anspruch des Klägers aus § 143 Abs. 1. S. 1 InsO auf Zustimmung der Beklagten zur Löschung der … eingetragene Zwangssicherungshypothek … Es fehlt an der erforderlichen Rechtshandlung des Schuldners. Bei der durch den Geschäftsführer der Schuldnerin … im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens erteilten Vermögensauskunft handelt es sich nicht um eine Rechtshandlung i.S.d. § 133 Abs.1 InsO. … Sie ermöglicht den Zugriff auf das Vermögen, bewirkt ihn aber nicht und hat damit kein der Vollstreckungstätigkeit vergleichbares Gewicht.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Zu dieser Thematik sei auf einen Beitrag von Becker, „Nachrangige (wertlose) Zwangssicherungshypothek im Insolvenzverfahren – Handlungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter“ (InsbürO 2017, 225 ff.) verwiesen.

 

InsbürO 2021, 135 f.: Eintragung von Zwangssicherungshypothek ohne Funktionszusatz „als Insolvenzverwalter“

OLG Jena, Beschl. v. 27.07.2020 – 3 W 211/20, WKRS 2020, 47131 (rkr.)

Zum Sachverhalt:
Der Antragsteller (= Insolvenzverwalter) hat die Berichtigung der Eintragung von Zwangssicherungshypotheken dahin beantragt, dass die Eintragung mit dem Zusatz "als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. GmbH T" erfolgen soll. Das Grundbuchamt hat mitgeteilt, dass ein Berichtigung nicht erfolgen werde. Dagegen hat der Antragsteller Erinnerung eingelegt. Er habe den Vollstreckungstitel nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter, mithin als Partei kraft Amtes erwirkt und sei im Titel auch so bezeichnet.

Aus der Begründung:
In der Sache teilt der Senat die Auffassung des Grundbuchamts. Sie entspricht der inzwischen ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum. Das OLG München hat - … - … entschieden, dass die Eintragung des Gläubigers bei einer Zwangssicherungshypothek, die ein Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter als Partei kraft Amtes erwirkt hat, ohne den Zusatz "als Insolvenzverwalter" zu erfolgen hat, und zwar auch dann, wenn er in dem Vollstreckungstitel mit diesem Zusatz bezeichnet ist (OLG München, … 02.02.2016 - 34 Wx 20/16). Diese Entscheidung ist in der Literatur ganz überwiegend auf Zustimmung gestoßen (…). … Auch bei dem Insolvenzverwalter handelt es sich um eine natürliche Person; seine Bezeichnung richtet sich daher nach § 15 Abs. 1 lit. a GBV. …  § 15 Abs. 2 GBV ist eine Personen des öffentlichen Rechts privilegierende Sondervorschrift, … Sie kann … für die Zulässigkeit der Angabe von Vertretungs- oder Treuhandverhältnissen und sonstigen Zusätzen nicht entsprechend angewendet werden (…).

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:
Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, weil die zu entscheidende Frage in der obergerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - nicht umstritten sei. Die Bezugnahme auf das OLG München (Beschl. v. 02.02.2016 - 34 Wx 20/16, ZInsO 2016, 1106) ist interessant,  weil der zu entscheidende Sachverhalt genau umgekehrt war: Das Grundbuchamt hatte den Zusatz „in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der …“ im Grundbuch mit eingetragen und der Insolvenzverwalter monierte dies mit der Begründung, dass durch den Zusatz eine zusätzliche Hürde aufgebaut werde, weil die Löschung der Eintragung die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger verlange. Das OLG München hatte die Eintragung des Zusatzes auf § 15 Abs. 1 lit. a GBV gestützt und erläutert, dass es sich hierbei um „nötigenfalls andere den Berechtigten deutlich kennzeichnende Merkmale“ handele. Es führte in der Begründung aber tatsächlich weiter aus, dass Vertretungszusätze oder Hinweise auf eine Verfahrensstandschaft grds. nicht ins Grundbuch gehören würden. Wenn dies aber passiere, ändere dies an der Wirksamkeit der Eintragung nichts. Das OLG München hat in einer weiteren Entscheidung (Beschl. v. 18.06.2012 - 34 Wx 90/12, ZInsO 2012, 1622) ausgeführt, dass der Einwand eines Insolvenzverwalters, er habe den Titel als Insolvenzverwalter erwirkt und daher sei eine von seinem Privatvermögen abweichende Vermögensmasse betroffen, was sich ohne die Eintragung des Zusatzes nicht aus dem Grundbuch ergebe, nicht gegen diese Sichtweise der Anwendung des § 15 Abs. 1 GBV spreche.

 

 

Vertragsverhältnisse

InsbürO 2021, 136: Herausgabe von Leasingobjekt im Wege einstweiliger Verfügung bei Vollstreckungsverbot durch Insolvenzgericht

OLG Hamm, Urt. v. 16.04.2020 – 18 U 38/20 (rkr.)

Aus der Begründung:
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist ein Verfügungsgrund abzulehnen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Zugmaschinen übermäßig genutzt und auf diese Weise eine erhebliche Wertminderung herbeigeführt hat. Auch eine über die bloße Nutzung hinausgehende zusätzliche Gefährdung bspw. durch Veräußerungsabsichten ist nicht dargetan. … Auch bei einem im Rahmen eines Insolvenzeröffnungsverfahrens (vorläufig) fortgeführten Betrieb kann nicht von einer Notlage ausgegangen werden. Im Insolvenzeröffnungsverfahren obliegen Anordnungen zur Sicherung oder Regelung hinsichtlich der Gegenstände, die zur späteren Insolvenzmasse gehören (§§ 35-37 InsO), ausschließlich dem Insolvenzgericht, § 21 Abs. 1 InsO (…). … Ein Verfügungsgrund besteht beim Verleihen der herauszugebenden Sache nicht (…). Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Untervermietung (…). Ist ein Gegenstand verliehen bzw. vermietet und befindet sich an einem anderen Ort, so muss der Kläger eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darlegen und glaubhaft machen, wieso sein angeblicher Anspruch auf Herausgabe gefährdet ist.

 


Insolvenztabelle

InsbürO 2021, 130 f.: Entstehung und Begründung eines Rückforderungsanspruches zwecks insolvenzrechtlicher Einordnung

VG Aachen, Urt. v. 12.10.2020 - 7 K 462/20, ZInsO 2021, 154 (rkr.)

Leitsatz des Bearbeiters:
Ein Rückforderungsanspruch zu einer gewährten landwirtschaftlichen Betriebsprämie entsteht einschließlich möglicher Zinsforderungen erst mit Erlass eines Rückforderungsbescheids, wird aber insolvenzrechtlich bereits mit Auszahlung der Prämie begründet.

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:
Dieses Urteil des VG Aachen erlaubt zunächst einen Blick auf den Unterschied zwischen dem Entstehen eines öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch und seiner Begründung i.S.d. § 38 InsO. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entsteht - so hat es auch das in der Entscheidung zitierte BVerwG (Urt. v. 26.02.2015 - 3 C 8.14, ZInsO 2015, 1219) festgestellt -, wenn der Verwaltungsakt, der der Leistung zugrunde liegt, mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden und damit der Rechtsgrund der Leistung beseitigt ist. Begründung wird der Anspruch jedoch mit Erlass eines Bewilligungsbescheids und der Auszahlung der Leistung. Dieser Grundsatz gilt allgemein für öffentlich-rechtliche Rückforderungen. Wird bspw. eine Sozialleistung unberechtigt vor Insolvenzeröffnung an den Schuldner ausgezahlt, aber erst nach Eröffnung des Verfahrens zurückgefordert, ist der Anspruch vor Eröffnung begründet und damit Insolvenzforderung, die von der Restschuldbefreiung erfasst wird.
Des Weiteren sieht das Verwaltungsgericht zutreffend, dass die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung einer Aufrechnung entgegensteht. Eine von der Restschuldbefreiung erfasste Forderung wird gem. § 301 Abs. 3 InsO wie eine verjährte Forderung zur unvollkommenen Forderung, die erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar ist (so schon die Gesetzesbegründung BT-Drs. 12/2443, 194). Die Aufrechnung ist in den bis zum 30.09.2020 beantragten Insolvenzverfahren im Übrigen - wie das Verwaltungsgericht feststellt - bis zur Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung, in den ab dem 01.10.20 beantragten Verfahren gem. des neu gefassten § 300 Abs. 1 S. 3 InsO bis zum Ablauf der Abtretungsfrist zulässig.

 


Vergütungsrecht

InsbürO 2021, 136: Keine Erhöhung der Berechnungsgrundlage durch erstattete Gerichtskosten

BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 21/20, ZInsO 2021, 113
(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Leitsatz des Gerichts:
Vom Prozessgegner erstattete Prozesskosten und von der Gerichtskasse erstattete, nicht verbrauchte Gerichtskosten sind gegen die von der Masse verauslagten Kosten zu verrechnen; sie erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht.

Aus der Begründung:
Rn. 11: Der BGH hat bislang offengelassen, ob … von der Masse verauslagte Prozess-, Vollstreckungs- und Anwaltskosten, die der Gegner später erstattet, sowie rechtsgrundlose Leistungen des Insolvenzverwalters, die der Bereicherungsschuldner an die Masse zurückerstattet, eine … Ausnahme darstellen und die Zuflüsse bei der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sind (…). Die überwiegende Meinung spricht sich dafür aus, dass bei von der Masse verauslagten Prozesskosten die an die Masse aufgrund einer Erstattung durch die Gerichtskasse oder den Prozessgegner zurückfließenden Beträge die Berechnungsgrundlage nicht erhöhen (…). … Rn. 15: Demgemäß bestimmte bereits § 2 Nr. 3 Abs. 2 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, … (VVO) … (BGBl. I, S. 329), dass wieder eingehende verauslagte Prozess- oder Vollstreckungskosten gegen die verauslagten Kosten verrechnet werden. Der Verordnungsgeber wollte die Rechtslage insoweit nicht ändern. Er hat § 2 Nr. 3 Abs. 2 VVO lediglich deshalb nicht übernommen, weil er es als selbstverständlich angesehen hat, dass von der Masse verauslagte Kosten, die später wieder eingehen, die Berechnungsgrundlage nicht vergrößern können (…). … Rn. 16: … Wenn die Erstattung der Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner die Berechnungsgrundlage erhöhte, hätten die Insolvenzgläubiger allein aufgrund der erfolgreichen Prozessführung einen Nachteil, weil die höhere Berechnungsgrundlage zu einer höheren Vergütung des Insolvenzverwalters führt, welche der unterlegene Prozessgegner nicht zu erstatten hat (…). … Die Interessen des Insolvenzverwalters, dass die von ihm verwaltete Masse vollständig in die Berechnungsgrundlage einfließt, sind bei Prozesskosten schon dadurch ausreichend geschützt, dass sie als Masseverbindlichkeiten gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV nicht abzusetzen sind.
                  

 


Allgemein

InsbürO 2021, 126 ff.: Prozesskostenhilfe für Insolvenzverwalter

KG, Beschl. v. 9.11.2020 – 2 W 1022/20, ZInsO 2020, 2699 (rkr.)

Leitsätze des Bearbeiters:

1.    Ein erhebliches Vollstreckungsrisiko kann zur Unzumutbarkeit der Aufbringung der Kosten führen (§ 116 S.1 Nr. 1 ZPO).

2.    Eine mutwillige Rechtsverfolgung i.S.d. § 116 S. 1 Nr. 1 und S. 2 ZPO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht schon dann vor, wenn der Erfolg einer Zwangsvollstreckung ungewiss ist. Erforderlich ist vielmehr, dass aus einem Urteil dauerhaft nicht vollstreckt werden kann.

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage eines Insolvenzverwalters ist das Vollstreckungsrisiko doppelt zu berücksichtigen: Je höher das Vollstreckungsrisiko ist, desto eher ist Unzumutbarkeit zu bejahen. Ein hohes Vollstreckungsrisiko führt aber nur in seltenen Ausnahmefällen zur Versagung der Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Zutreffend merkt das KG an, das bei einem wirtschaftlich wenig aussichtsreichem Prozess die Chancen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sogar steigen können.


InsbürO 2021, 136: Gegenstandswert für (erfolglosen) Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung

LG Bamberg, Beschl. v. 22. 9. 2020 – 3 T 85/20, ZInsO 2020, 2240 (rkr.)

Aus der Begründung:
Geht es … um die Bescheidung des vom Gläubiger erfolglos betriebenen Versagungsantragsverfahrens, so ist als Ausgangsbetrag für die Gegenstandswertfestsetzung die Forderung des Gläubigers, von dessen Haftung der Schuldner durch die Restschuldbefreiung frei werden würde, festzustellen, wobei im Einzelfall diese Gläubigerforderung herabzusetzen sein kann, wenn absehbar ist, dass der Schuldner die Forderung ohnehin niemals vollständig erfüllen wird (vgl. …).