17.07.2020

Aus der Rechtsprechung

Rechtsprechungsüberblick

 

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

Juli 2020

 

Eigenverwaltung

InsbürO 2020, 295 f.: Vermögensschadenshaftpflichtversicherung beim vorläufigen Sachwalter 

AG Hannover, Beschl. v. 29.04.2020 – 905 IN 168/20 -1, ZInsO 2020, 1099 (rkr.)

Leitsätze des Bearbeiters: 

1. Es bleibt dahingestellt, ob allein eine Betriebsfortführung für die Kostenerstattungsfähigkeit einer zusätzlichen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung genügt. 

2. Jedenfalls beim vorläufigen Sachwalter ist eine substantiierte Darlegung von Gründen erforderlich, weshalb es trotz seines eingeschränkten Aufgabenkreises einer Zusatzversicherung bedarf.

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Der Beschluss zeigt zunächst die Voraussetzungen aus, unter denen bei einer Betriebsfortführung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter ein besonderes Haftungsrisiko mit der Folge der Ersatzfähigkeit der Kosten einer zusätzlichen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung bejaht werden können. Bei der Ersatzfähigkeit im Rahmen der Tätigkeit eines vorläufigen Sachwalters sind aber wegen dessen eingeschränkten Wirkungskreises strengere Anforderungen zu stellen. Dazu ist es nötig, dass diese dem Insolvenzgericht im Antrag substantiiert dargelegt werden. Da es daran mangelte, war der Antrag auf Vorschuss zurückzuweisen. Dem (vorläufigen) Sachwalter bleibt die Möglichkeit, im Rahmen des (endgültigen) Vergütungsantrages noch nachzubessern.

 

 

Einkommen

InsbürO 2020, 301: Bestimmung des pfändbaren Teils von verschleiertem Arbeitseinkommen bei Tätigkeit im Familienbetrieb

OLG Dresden, Endurt. v. 19.11.2019 – 4 U 1186/19, ZInsO 2020, 562

Aus der Begründung:

§ 850 h Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt für den Fall, dass der Schuldner einem Dritten in einem ständigen Dienstverhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung leistet, im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt. … Auch verschleiertes Arbeitseinkommen i.S.v. § 850h Abs. 2 ZPO, der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anwendbar ist, gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse (vgl. BAG 16.05.2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 40 m.w.N.). … Aus dieser Regelung des Gesetzes ergibt sich, dass zunächst die übliche Vergütung für die Dienste, die der Schuldner leistet, ermittelt werden muss. Ist die "übliche Vergütung" gefunden, so muss das zwischen Arbeitgeber und Schuldner vereinbarte Arbeitsentgelt damit verglichen und festgestellt werden, ob der Schuldner gegen eine "unverhältnismäßig geringe" Vergütung arbeitet. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann das Gericht eine angemessene Vergütung festsetzen. … Der beweisbelastete Kläger hat … den Beweis nicht führen können, dass das vom Landgericht … für die Tätigkeit des Schuldners als angemessene Vergütung angesetzte Bruttoentgelt einen pfändbaren Betrag erreicht. … Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil (= Privatnutzung des Firmen-PKWs) ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen Arbeitseinkommens, nicht auch bei der Ermittlung des höheren pfändbaren fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urt. v. 23.04.2008 - 10 AZR 168/07 Rn. 21, m.w.N. …). … Da einer solchen Internetrecherche (= Ladenöffnungszeiten) auch veraltete Daten zugrunde liegen können, steht bereits nicht fest, dass das Ladengeschäft der Beklagten tatsächlich regelmäßig samstags geöffnet hat. Insbesondere ist aber nicht nachgewiesen, dass gerade der Schuldner diese weiteren Ladenöffnungszeiten abdeckt. … Der Kläger hat nicht nachweisen können, dass für die vom Schuldner für die Beklagte erbrachte Tätigkeit jedenfalls im hier streitgegenständlichen Zeitraum eine höhere Vergütung üblich und daher angemessen wäre. … Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Drittschuldners soll … verhindern, dass Betriebe, die nur durch (kostenarme) familiäre Mitarbeit aufrechterhalten werden, infolge der nach § 850h Abs. 2 ZPO fingierten Vergütung ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit verlieren (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 23. April 2009 - 11 Sa 97/08 Rn. 38 - 39, …). … Auf der Grundlage dieser Annahmen (Mindestlohn) ergeben sich für die Vergütung des Schuldners zwar Bruttoentgelte, die deutlich über dem vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelt liegen. Es liegt eine unangemessene Vergütung des Schuldners vor, die im Ergebnis jedoch nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Zahlung von verschleiertem Arbeitseinkommen an die Insolvenzmasse führt. … Freibeträge für Kinder können von dieser fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird (= Anmerkung der Schriftleitung: Einer von drei Leitsätzen, wegen der Begründung dazu am Ende der Entscheidung, auch erst hier aufgeführt).

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es wird wieder einmal deutlich, wie schwer es ist, einen Zahlungsanspruch gegen einen Drittschuldner durchzusetzen, wenn ein verschleiertes Einkommen beim Schuldner vorliegt. Über die aufgetretenen Probleme und damit im Ergebnis erfolglose Geltendmachung hatte vor kurzem Moderegger in InsbürO 2020, 76 (Ausgabe 2/2020) berichtet. Vorstehend werden die einzelnen Aspekte des Vorgehens noch einmal hervorgehoben: Ermittlung und Nachweis eines höheren fiktiven Einkommens, Vergleich mit dem tatsächlichen Einkommen, Ermittlung des pfändbaren Betrages, wobei geldwerte Vorteile beim fiktiven Einkommen nicht zu berücksichtigen sind und Ermittlung, ob tatsächlich Unterhalt geleistet wird. Es darf an dieser Stelle auch noch einmal auf die vierteilige Beitragsreihe zum Thema „Verschleiertes Einkommen“ verwiesen werden, der Sie vielleicht für die etwaige Geltendmachung von möglichen Ansprüchen weitere Hinweise entnehmen können: Arend/Tenbergen, InsbürO 2018, 212, 252, 332 und 461.

 

 

Anfechtungsrecht

InsbürO 2020, 301 f.: Masseschmälerung bei Einzahlung von Vorschüssen auf debitorisches Konto

BGH, Urt. v. 11.02.2020 – II ZR 427/18, ZInsO 2020, 779

(II. Senat = u.a. zuständig für Gesellschaftsrecht)

Einer von zwei Leitsätzen des Gerichts:

Die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt unabhängig davon, ob die auf Vorauszahlung gerichtete Forderung der Gesellschaft zu Gunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung.

Zum Sachverhalt:

Es geht um Vorauszahlungen für Charterreisen, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten (Geschäftsführers der Komplementärin der Schuldnerin) nicht zur Masse gelangt wären. Hätte der Beklagte nach Eintritt der Insolvenzreife sofort Insolvenzantrag gestellt, hätte ein möglicherweise entstandener Vorschussanspruch der Schuldnerin jedenfalls dann entfallen müssen, wenn sicher sei, dass die geschuldete Gegenleistung, also die Durchführung der Flüge, nicht mehr erbracht werde.

Aus der Begründung:

Rn. 15: Wird eine Forderung der Gesellschaft auf ein debitorisches (= überzogenes) Konto eingezogen, wird der künftigen Insolvenzmasse zugunsten der kontoführenden Bank die Forderung gegen den Drittschuldner entzogen. … Rn. 21: … Die gegen die organschaftlichen Vertreter gerichteten Ansprüche gem. § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB sind nicht auf Ersatz eines der Gesellschaft entstandenen Schadens gerichtet, sondern auf die Erstattung derjenigen Mittel, die aus dem Vermögen der Gesellschaft abgeflossen sind (BGH …), mithin einen "Ersatzanspruch eigener Art" begründen (vgl. BGH …). Damit ist es für den Inhalt des Anspruchs nicht erheblich, wie sich die Vermögenslage der Gesellschaft darstellen würde, wenn der organschaftliche Vertreter pflichtgemäß gehandelt hätte (…).

 

 

Insolvenzplanverfahren

InsbürO 2020, 302: Zur Frage der Gruppenänderung im Erörterungstermin

AG Düsseldorf, Beschl. v. 08.10.2019 – 513 IK 220/17, ZInsO 2020, 425 (rkr.)

Aus der Begründung:

Der vom Schuldner vorgelegte Insolvenzplan sieht eine Gruppe vor, … Im Abstimmungstermin v. … haben die Gläubiger Nr. 1, 3, 4 und 5 für den Plan gestimmt. Die Gläubigerin Nr. 2 hat gegen den Plan gestimmt. Damit hat zwar die Kopfmehrheit dem Plan zugestimmt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO), nicht jedoch die gleichfalls erforderliche Summenmehrheit (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO). … Die vom Schuldner vorgenommene Änderung des Plans im Erörterungstermin fällt jedoch nicht mehr unter die Vorschrift des § 240 InsO. … In welchem Umfang im Einzelnen noch Änderungen des Plans im Erörterungstermin vorgenommen werden können, ist streitig und bislang höchstrichterlich nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht dahin gehend, dass lediglich "einzelne Regelungen" geändert werden können, wobei der Kern des ursprünglichen Insolvenzplans erhalten bleiben müsse, ohne dass jedoch hinreichend Klarheit besteht, was hierunter zu verstehen ist (…). … Für die vorliegend gegebene Situation der Erweiterung des Plans um zwei neue Gruppen werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. … Nach hiesiger Auffassung fällt die Gruppenbildung unter den Kernbereich des Plans, die insoweit im Erörterungstermin nicht mehr abänderbar ist. Denn die Gruppenbildung ist i.V.m. dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) das maßgebliche Instrument, um die Annahme eines Insolvenzplans beeinflussen zu können. … Denn auch wenn man davon ausgeht, dass eine Änderung der Gruppenstruktur zulässig ist, ist weiter bei der Bildung fakultativer Gruppen die Regelung des § 222 Abs. 2 InsO zu beachten (…). … Fehlen solche Erläuterungen, verstößt ein Plan gegen § 222 Abs. 2 InsO und ist im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzuweisen (BGH, Beschl. v. 07.05.2015 – IX ZB 75/14, … Rn. 10). Nichts anderes kann dann im Erörterungstermin gelten, wenn ein entsprechender geänderter, aber unzulässiger Plan, zu Protokoll erklärt wird.                  

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Gegen die Entscheidung hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde mit Beschluss vom 20.12.2019 zurückgewiesen (LG Düsseldorf: 25 T 665/19 in ZInsO 2020, 840). Das LG Düsseldorf verweist in seinem Beschluss auf die ausführlich begründete Entscheidung des AG zum Umfang des § 240 ZPO, die frei von Rechtsfehlern sei, und bestätigt, dass der Übergang in weitere Gruppen als eine den Kernbereich des Insolvenzplans beruhende Planänderung anzusehen sei.

 

InsbürO 2020, 302: Anfechtung einer Rückzahlung im Dreieckverhältnis als Gesellschafterdarlehen

BGH, Urt. v. 27.02.2020 – IX ZR 337/18, ZInsO 2020, 834

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Amtlicher Leitsatz:

Gewährt ein außenstehender Dritter einem Gesellschafter der späteren Insolvenzschuldnerin und dessen Ehefrau ein Darlehen, welches der Gesellschafter zur Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft verwendet, ist die Rückzahlung des Darlehens an den Dritten durch die Gesellschaft dem Dritten gegenüber nicht als Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar.

Aus der Begründung:

Rn. 8:Der Beklagte (= Dritte) hatte keinerlei Einfluss auf die Entschließungen der Schuldnerin. Rn. 9: Der Vorwurf einer Umgehung von Anfechtungstatbeständen eröffnet für sich genommen nicht den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. … Selbst wenn der Beklagte den Darlehensvertrag unmittelbar mit der Schuldnerin geschlossen hätte, wäre die Rückzahlung des Darlehensbetrages im Jahr vor dem Eröffnungsantrag nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar gewesen. Der Beklagte war und ist nicht Gesellschafter der Schuldnerin und steht einem solchen auch nicht gleich.

 

 

Insolvenztabelle

InsbürO 2020, 302: Insolvenzrechtliche Einordnung einer Abfindungsforderung des vorinsolvenzlich ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH & Co KG

BGH, Urt. v. 28.01.2020 – II ZR 10/19, ZInsO 2020, 659

Einer von zwei amtlichen Leitsätzen:

Die Abfindungsforderung eines vor der Insolvenz ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH & Co. KG, deren Auszahlung gegen das Kapitalerhaltungsgebot der §§ 30, 31 GmbHG analog verstoßen würde, ist erst bei der Schlussverteilung nach § 199 InsO zu berücksichtigen.

Aus der Begründung:

Rn. 66: Das Gebot der Erhaltung des Stammkapitals nach § 30 Abs. 1 GmbHG greift zum Schutz sämtlicher, d.h. auch gem. § 39 Abs. 1 InsO nachrangig zu befriedigender Insolvenzgläubiger der GmbH. Aufgrund dieser kapitalrechtlichen Bindung ist der Abfindungsanspruch - … - auch mit den Ansprüchen nachrangiger Insolvenzgläubiger nicht gleichrangig, da er auch zu deren Befriedigung die Erhaltung des Stammkapitals nicht beeinträchtigen darf. Der Gesellschafter ist daher, soweit sein Abfindungsanspruch dieser kapitalerhaltungsrechtlichen Bindung unterliegt, trotz seines Ausscheidens weiterhin wie ein noch an der Gesellschaft beteiligter Gesellschafter zu behandeln und entsprechend der Vorschrift des § 199 InsO derart als nachrangig einzustufen, dass ihm eine Befriedigungsmöglichkeit lediglich im Rang nach den nachrangigen Forderungen des § 39 Abs. 1 InsO zuerkannt werden kann (vgl. BGH …). Rn. 67: Danach steht dem Kläger nicht nur kein Anspruch auf Feststellung seiner Abfindungsforderung für sein Ausscheiden aus der Schuldnerin als einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle zu. Vielmehr hätte seine Feststellungsklage insgesamt abgewiesen werden müssen. 

 

InsbürO 2020, 303: Verzinsung bei einer Kapitalisierung übergegangener Rentenansprüche zum Insolvenzstichtag

ArbG Reutlingen, 08.01.2020 - 7 Ca 251/19, ZInsO 2020, 794

Leitsätze des Gerichtes:

  • Der Wert der auf den Träger der Insolvenzsicherung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergegangenen Betriebsrentenansprüche ist gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 BetrAVG, § 45 InsO zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzen. Der Vorteil, der durch die Vorfälligkeit der Betriebsrentenansprüche entsteht, ist durch Abzinsung der Beträge auszugleichen.​​​​​​​
  • Bei wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, verweist § 46 S. 2 InsO auf § 45 S. 1 InsO und nicht auf § 41 Abs. 2 InsO. Der gesetzliche Zinssatz nach § 41 Abs. 2 InsO ist im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung des Vorteils, welcher durch die Vorfälligkeit der auf den Träger der Insolvenzsicherung nach § 9 Abs. 2 BetrAVG übergegangenen Betriebsrentenansprüche entsteht, nicht zugrunde zu legen.
  •  Im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung scheidet die Nutzung eines starren Zinssatzes aus.
  • Der Zinssatz nach § 253 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 HGB erweist sich als am geeignetsten und angemessen zur Schätzung der Forderung.

 

Zum Hintergrund:

Im Rahmen der Bewertung der Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersvorsorge wurden die Heubeck-Richttafeln verwendet und ein Abzinsungssatz von 3,74 % zugrunde gelegt. Bei dem Zinssatz von 3,74 % handelt es sich um den Zinssatz gem. § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB (Stand Oktober 2017). Zwischen den Parteien besteht einzig Streit darüber, ob bei der Bewertung der auf den Kläger übergegangenen Forderungen dieser Zinssatz oder der gesetzliche Zinssatz nach § 41 InsO i.H.v. 4 % zugrunde zu legen ist.

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Berufung wurde wg. grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und auch eingelegt. Das Verfahren ist beim LAG Baden-Württemberg unter dem AZ: 15 Sa 2/20 anhängig.

 

InsbürO 2020, 303: Kosten eines Strafverfahrens nur bei Verfahrensabschluss vor Insolvenzeröffnung Insolvenzforderung

OLG Celle, Beschl. v. 10.02.2020 - 2 Ws 43/20, ZInsO 2020, 603 (rkr.)

Amtlicher Leitsatz:

  • Die Zahlungsverpflichtung des Kostenschuldners im Strafverfahren entsteht erst durch die Kostengrundentscheidung unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Rechtskraft (Anschluss: KG Berlin, Beschl. v. 16.03.2015 - 1 Ws 8/15 …)
  • Die von dem Verurteilten zu tragenden Kosten für die Vorbereitung der öffentlichen Klage stellen deshalb selbst dann keine Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO dar, wenn diese bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verurteilten begründet wurden.

              

 Aus der Begründung:

Begründet i.S.d. § 38 InsO ist ein Vermögensanspruch dann, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits abgeschlossen war (BGH, Beschl. v. 07.04.2005 - IX ZB 129/03, …). … Selbst wenn - …- in dem Zeitpunkt, in dem die Staatsanwaltschaft kostenpflichtige Ermittlungen in Auftrag gibt, der Beschuldigte namentlich bekannt ist, hängt dessen spätere Zahlungsverpflichtung alleine vom Ausgang des Strafverfahrens ab; ergeben die Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht, so ist das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen mit der Folge, dass das Land … die Kosten für die in Auftrag gegebenen Ermittlungen trägt. Die Annahme, dem Land … stünde bereits zu diesem Zeitpunkt eine gesicherte Rückzahlungsforderung gegen den Beschuldigten zu, würde im Übrigen der im Strafverfahren geltenden Unschuldsvermutung eklatant zuwiderlaufen.

 

InsbürO 2020, 303 f.: (Kein) Recht auf nachträgliches gerichtliches Prüfungsverfahren bzgl. einzelner Insolvenzforderung

LG Würzburg, Beschl. v. 04.03.02020 – 3 T 344/20 (rkr.)

Aus der Begründung:

Das der sofortigen Beschwerde implizite Begehren auf „Anweisung“ des Insolvenzgerichts zur Bestimmung eines solchen Termins geht von vornherein ins Leere, da insoweit entgegen den pauschalen Ausführungen des Beschwerdeführers, selbst eine Zurückstellung eines besonderen Prüfungstermins bis zum Schlussverteilungstermin rechtlich nicht zu beanstanden wäre, sondern allenfalls rein tatsächlich nicht geboten.Die sofortige Beschwerde trägt weder durch Bezugnahme auf die früheren Ausführungen des Gläubigers noch in der Beschwerdebegründung selbst, … auch keinerlei Umstände oder Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gar vorsätzliche sittenwidrige und nur auf Schädigung des konkreten Gläubigers abzielende „Verschleppung“ vor. Es muss vom Gläubiger – wie auch von jedem beliebigen Dritten – nach den unmissverständlichen Vorgaben des Gesetzgebers hingenommen werden, dass zum Zwecke einer möglichst umfassenden und alle Beteiligteninteressen bestmöglich befriedigenden Abwicklung einer (Unternehmens-)Insolvenz Prüfungsvorgänge im Einzelnen nicht mit der denkbar schnellstmöglichen Erledigung einhergehen. 

 

             

Vertragsverhältnisse

InsbürO 2020, 304: Rechtsfolgen der Bestätigung einer unwirksamen Kündigung 

OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2019 - 18 U 19/19, ZInsO 2020, 836 (rkr.)

Amtlicher Leitsatz:

Nimmt der Vermieter entgegen § 112 Nr. 1 InsO eine Kündigung vor, ist diese nichtig; eine vom Insolvenzverwalter auf diese Kündigung erklärte "Bestätigung" führt nicht ohne weiteres zur Beendigung des Mietverhältnisses ex nunc oder gar rückwirkend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, sondern nur dann, wenn diese Bestätigung als Angebot an den Vermieter auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung anzusehen und wenn diese durch den Vermieter angenommen worden ist.

Aus der Begründung:

Da es nichts "zu bestätigen gab", weil die Kündigungen des Klägers (= Vermieter) vom … einseitige Gestaltungserklärungen darstellten, die wegen § 112 InsO unwirksam waren, und weil sie auch nicht als Angebote an den Schuldner auf Vertragsaufhebung verstanden werden konnten (BGH WuM 1981, S. 57; …), bedürfte das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung zunächst der Auslegung der "Bestätigung" als Angebot an den Kläger auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung und ferner einer Annahmeerklärung oder jedenfalls eines entsprechend zu deutenden Verhaltens des Klägers. …Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht.

        

 

Vergütungsrecht

InsbürO 2020, 296 ff.: Kürzung der Mindestvergütung in einem Verbraucherinsolvenzverfahren möglich

BGH, Beschl. v. 12.03.2020 - IX ZB 33/18, ZInsO 2020, 1156

Leitsatz des Bearbeiters:

Auch die Mindestvergütung nach § 13 InsVV kann gem. § 3 Abs. 2 e) InsVV gekürzt werden.

 

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:

Nachdem der 9. Zivilsenat des BGH bereits die Kürzung der aus § 2 Abs. 2 InsVV folgenden Mindestvergütung für zulässig erklärt hat (Beschl.  v.14.12.2017 - IX ZB 101/15, InsbürO 2018, 152 = ZInsO 2018, 350), stimmt er nun auch einer Kürzung der Mindestvergütung nach § 13 InsVV zu. Die Kürzung der Mindestvergütung muss aber - so der BGH - auf Ausnamefälle beschränkt bleiben, also auf die ganz einfachen der sowieso schon einfachen Verfahren. Den Maßstab setzt § 3 Abs. 2 e) InsVV, nach dem die Kürzung erfolgen kann, wenn „die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist“.

Der BGH gibt in seiner Entscheidungsbegründung den Insolvenzverwaltern den Hinweis, aufwändige Ermittlungen oder andere Schwierigkeiten in einem scheinbar einfachen Verfahren auch tatsächlich darzulegen, um eine Kürzung zu vermeiden. Des Weiteren betont der BGH, dass auch der Insolvenzverwalter, der überwiegend in massearmen Verfahren beauftragt wird, eine auskömmliche Vergütung erreichen muss. Dies wird aber nur mit einer sehr „schlanken“ Bearbeitungsweise und einer einfachen Büroorganisation des Verwalters zu erreichen sein. Eine solche Bearbeitungsweise sollten die Insolvenzgerichte dann aber auch bei einer so geringen Vergütung akzeptieren.

 

InsbürO 2020, 304: Keine Monierung der verzögerten Beschlussfassung über beantragte Vergütung im Rahmen der sofortigen Beschwerde

BGH, Beschl. v. 12.03.2020 - IX ZB 68/18

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Amtlicher Leitsatz:

Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen die Ablehnung seines Vergütungsantrags ist unzulässig, wenn der Beschwerdeantrag ausschließlich auf die Feststellung einer rechtswidrigen Verfahrensverzögerung gerichtet ist.

Aus der Begründung:

Rn. 1: Den Antrag auf Festsetzung der Vergütung hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 13.04.2018 mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einer vollständigen und nachvollziehbaren Schlussrechnung nebst Schlussbericht. … Rn. 7: Der Beteiligte verfolgte mit der sofortigen Beschwerde nicht das Ziel, dass unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung seinem Vergütungsantrag vom 29.04.2015 entsprochen werde, sondern er wollte die Fehlerhaftigkeit der Verfahrensführung aufgrund des Zeitablaufs bis zur Entscheidung über seinen Antrag festgestellt wissen. …  Rn. 8: Die vom Beteiligten möglicherweise begehrte Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (§ 198 Abs. 4 GVG), kann im Übrigen nur im Rahmen einer Klage auf Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG beim zuständigen Oberlandesgericht (§ 201 Abs. 1 GVG) erreicht werden.

                     

 

Allgemeines

InsbürO 2020, 294 f.: Gerichtliche Entscheidung wg. Corona ohne mündliche Verhandlung

AG Hagen, Beschl. v. 09.04.2020 – 10 IN 170/19

Leitsatz des Bearbeiters: 

Während der Corona – Pandemie können Verfahren auch dann schriftlich durchgeführt werden, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 InsO nicht vorliegen.

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Die Corona – Pandemie hat (zunächst) zu einem weitgehenden Erliegen der Gerichtstätigkeit auch und gerade bei der Durchführung mündlicher Termine geführt. Die InsO bietet in § 5 Abs. 2 InsO die Möglichkeit der schriftlichen Verfahrensdurchführung. Allerdings ist streitig, wann die Vermögensverhältnisse überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder der Höhe der Verbindlichkeiten als gering anzusehen sind. Der vorliegende Beschluss geht darauf nicht weiter ein, sondern bejaht grds. die Möglichkeit einer schriftlichen Durchführung. Gegen die Anordnung des Rechtspflegers besteht gem. § 11 Abs. 2 RPflG die Möglichkeit der sofortigen Erinnerung, über die der Abteilungsrichter abschließend entscheidet. In diesem Kontext steht die Entscheidung, in der der Rechtspfleger der Erinnerung nicht abhilft und sie mit Begründung dem Insolvenzrichter vorlegt. Inzwischen haben auch andere Insolvenzgerichte ebenso entschieden, wie z. B. das AG Hamburg (Beschl. v. 27.04.2020 - 67 g IN 52/20). Das Gericht zieht eine Parallele zum Absehen von Anhörungen in betreuungsrechtlichen Verfahren (§§ 270 Abs. 4, 319 Abs. 3, 420 Abs. 2 FamG).

 

InsbürO 2020, 298 ff.: Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfen

LG Köln, Beschl. v. 23.04.2020 - 39 T 57/20, ZInsO 2020, 1028

Leitsatz des Bearbeiters:

Eine finanzielle Hilfe nach dem Soforthilfeprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen („NRW-Soforthilfe 2020“) ist unpfändbar gem. § 765a ZPO.

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:

Der Beschluss des LG Köln ist die erste veröffentliche Entscheidung eines Beschwerdegerichts der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Pfändbarkeit der Corona-Soforthilfe. Das Landgericht leitet die festgestellte Unpfändbarkeit aus § 765a ZPO her. Dies mag dogmatisch zweifelhaft sein (vgl. Ahrens, NZI 20, 494, 495), gibt der Praxis aber bei der Stellung von Schutzanträgen auch zu einem eingerichteten Pfändungsschutzkonto eine weitere Argumentationshilfe. Wer zur Begründung der Unpfändbarkeit allein auf § 851 ZPO und damit auf die Unübertragbarkeit des Anspruchs auf die Soforthilfe abstellt (so z.B. FG Münster, Beschl. 13.05.2020 - 1 V 1286/20 AO, WKRS 2020, 18985 und Ahrens, a.a.O.), begegnet dem Problem, dass § 851 ZPO in § 850k Abs. 4 ZPO nicht aufgeführt wird. Die Auflistung in § 850k Abs. 4 ZPO wird zwar für nicht abschließend gehalten (Ahrens, a.a.O.; Henning/Lackmann/Rein/Richter, Privatinsolvenz § 850k ZPO Rn. 74) und auch der BGH hat bspw. bei Anwendung des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO nicht nur auf die dort aufgezählten, sondern auch auf weitere Schutzvorschriften abgestellt, aber dies muss den zuständigen Rechtsanwendern nach Stellung der Schutzanträge oft erst aufwändig vermittelt werden. Ungeklärt bleibt auch nach der Entscheidung des LG Köln, wofür die Soforthilfe verwendet werden darf. Der Schuldner hat mit seinem Schutzantrag die Freistellung der Soforthilfe zur Sicherung seines Lebensunterhalts beantragt, das LG hat dem Antrag stattgegeben. Andererseits betonen öffentliche Stellen (bspw. die Landesregierung NRW in einer Pressemitteilung vom 12.05.2020), es sei Wille der Bundesregierung, dass die Soforthilfen nur für betriebliche Sach- und Finanzaufwendungen und nicht für den Lebensunterhalt genutzt werden. Die Landesregierung NRW hat diese Unsicherheit zumindest für Empfänger der Soforthilfe in NRW insoweit beseitigt, als dass sie mit der angegebenen Presseerklärung mitgeteilt hat, dass von der erhaltenen Soforthilfe 2.000 € für den Lebensunterhalt verwendet werden dürfen.