19.01.2022

News aus der Branche

News aus der Branche

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

Januar 2022: InsbürO 2022, 2 - 7

 

Gesetzliche Änderungen

Inkrafttreten des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes

Mit Wirkung zum 01.01.2022 treten die überwiegenden Regelungen des Gerichtsvollzieherschutzgesetzes in Kraft. Über die Auswirkungen im Insolvenzverfahren hatte Schermer im Septemberheft der InsbürO berichtet. So wurde u.a. § 811 ZPO („Unpfändbare Sachen“) neugefasst und an die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten angepasst. Diese Regelung ist über § 36 Abs. 1 InsO auch im Insolvenzverfahren anwendbar. In § 850a Nr. 4 ZPO wurde die Pfändungsgrenze für die Weihnachtsvergütung angehoben und beträgt nunmehr die Hälfte des Freibetrages gem. § 850c Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 ZPO ohne die bisherige Begrenzung auf 500 EUR. Auch die Pfändungsfreibeträge für die Alterssicherung und die Sterbegeldversicherung wurden erhöht. Kritik hat die weitere Änderung in § 36 Abs. 2 InsO erfahren, durch die der Pfändungsschutz eines selbständigen Schuldners zunächst beschränkt wird, indem der Insolvenzbeschlag erweitert wird, jedoch in § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO eine Rückausnahme verankert ist. Nähere Informationen dazu finden Sie in dem vorgenannten Aufsatz oder in der Kritik vom BAKinso, über die wir im Augustheft berichtet hatten.

 

Änderungen im elektronischen Rechtsverkehr

Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 wurde eine Neuregelung für den Zivilprozess in § 130d ZPO geschaffen, die die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Anwälte vorsieht, d.h. die ein Gerichtsverfahren betreffenden Dokumente sind danach ausschließlich elektronisch einzureichen. Hierfür steht das beA zur Verfügung und ist im Alltag der Anwaltskanzleien bereits zum Standard geworden, obwohl bisher lediglich eine passive Nutzung galt. Nach Art. 26 Nr. 7 des vorgenannten Gesetzes aus dem Jahre 2013 tritt diese Regelung in § 130d ZPO zum 01.01.2022 in Kraft. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass auch die Insolvenzgerichte von dieser Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs bereits Gebrauch gemacht und unterschiedliche Anforderungen an die Insolvenzbüros zur Übersendung von Dokumenten im Insolvenzverfahren gestellt haben. So werden tlw. Berichte bereits elektronisch angefordert und es soll auch erste Gerichte geben, die die Buchhaltung des Sonderkontos elektronisch und nicht mehr anhand der Papierbelege prüfen. Vermutlich wird sich diese digitale Veränderung im Zivilprozess auch im Insolvenzverfahrenauswirken. Dies vor allem auch deshalb, weil Schwartz und Meyer in einem ZInsO-Beitrag darauf hinweisen, dass Anträge bspw. nach §§ 850c Abs. 6 ZPO, 850e Nr. 2 ZPO oder Versagungsanträge nach § 298 Abs. 1 Satz 1 InsO sowie Vergütungsanträge von § 130d Satz 1 ZPO als einer der dort genannten Dokumentenart erfasst werden. Die vorgenannten Autoren raten dazu, die Handhabung mit den Insolvenzgerichten abzustimmen.

Gleichzeitig treten zum 01.01.2022 auch die Regelungen für das Elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) in Kraft. Hierüber hatten wir im Novemberheft der InsbürO berichtet. Dieses kann bspw. auch von Insolvenzverwaltern genutzt werden, die keine Anwaltszulassung haben und damit das beA nicht nutzen können. Das eBO bietet insoweit einen sicheren Übertragungsweg. Eine Verpflichtung zur Führung eines elektronischen Postfaches besteht für die Insolvenzverwalter aber nach derzeitigen Regelung gem. § 173 ZPO n. F. nicht, denn diese sind in der dortigen Auflistung und auch in der dazugehörigen Gesetzesbegründung nicht genannt, was der VID u.a. kritisiert hatte. Eine elektronische Zustellung von Dokumenten durch das Gericht erfordert daher nach der Regelung in § 173 Abs. 4 ZPO n.F. die Zustimmung des Betroffenen für das jeweilige Verfahren. Wenn es zu einem elektronischen Rechtsverkehr i.S.v. § 173 ZPO n.F. kommt, dann ist bspw. § 175 ZPO n.F. zu beachten, der die Zustellung von Schriftstücken gegen Empfangsbekenntnis regelt. Danach sind EBs per Telekopie – also bspw. per Telefax – oder als elektronisches Dokument zurückzusenden. Die Rücksendung per Post scheidet dann offenbar aus, was insoweit also eine geänderte Handhabung im Alltag bedeuten würde.

 

Mögliche gesetzliche Änderungen

Regelungen im Koalitionsvertrag zum Insolvenzrecht

Am 24.11.2021 haben die Ampelparteien (SPD, Grüne und FDP) ihren Koalitionsvertrag vorgestellt und Anfang Dez. unterzeichnet. Darin sind folgende Themen mit Interesse für das Insolvenzbüro zu finden:

  • Gründungsförderung: Nach dem alten Koalitionsvertrag aus 2018 sollten Hürden für den Gründungsprozess abgebaut und Anpassungen im Insolvenzrecht geprüft werden (Zeile 1851 auf S. 42). Nunmehr soll die Gründung von Gesellschaften erleichtert werden, indem Mittel des Bundes zur Schaffung einer Gründungsinfrastruktur bereitgestellt (S. 21) und die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts vorangetrieben werde (S. 111). Ein Bezug zum Insolvenzrecht ist nicht mehr zu finden.
  • Insolvenzschutz der Altersvorsorge für Selbständige: Einführung einer Pflicht zur insolvenz- und pfändungssicheren Altersvorsorge mit Wahlfreiheit (S. 75),
  • Abbau von Unterschieden im Insolvenzrecht, Steuer-, Verbraucherschutz-, Aufsichts- und Gesellschaftsrecht auf der Ebene der EU (S. 169)
  • Ausbau der Schuldner- und Insolvenzberatung (S. 112),
  • Digitalisierung: Es gab ein Eckpunktepapier des VID vom 31.07.2018 zum Insolvenzverfahren 4.0. Im Koalitionsvertrag aus 2018 wurde zumindest die „Wirtschaft 4.0.“ genannt (Zeile 2506 auf S. 56). Diese ausdrückliche Formulierung fehlt im neuen Koalitionsvertrag. Auf S. 66 heißt es zunächst allgemein, dass man eine moderne Arbeitswelt gestalten möchte. Sodann findet man eine Vielzahl von digitalen Projekten in den verschiedensten Bereichen. So sollen Gerichtsverfahren schneller und effizienter werden: Verhandlungen sollen online durchführbar werden (S. 106).
  • Staateninsolvenzverfahren: Unterstützung einer Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren (S. 152).

Offene Vorhaben aus dem alten Koalitionsvertrag der großen Koalition im Bereich des Insolvenzrechtes werden dagegen bedauerlicherweise nicht genannt. So waren damals u.a. folgende Projekte enthalten:

  • Regelung von gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Berufszulassung und -ausübung von Insolvenzverwalter/innen sowie Sachwalter/innen (Zeile 6195 auf S. 131), wobei die Justizministerkonferenz im Nov. 2021 ein Ersuchen an das BMJV gestellt hat, worüber wir nachfolgend berichten.
  • Bauträgerinsolvenz (u.a. wirksame Absicherung des Erwerbers eines Bauträgerobjekts für den Fall der Insolvenz des Bauträgers) (Zeile 5840 auf S. 125).

Wir werden also in nächster Zeit hoffentlich näheres über das Voranschreiten dieser vorstehend genannten Projekte berichten können. Den Koalitionsvertrag können Sie in vollständiger Fassung von 178 Seiten auf der jeweiligen Homepage der Parteien finden.

 

Beschlüsse der Justizministerkonferenz

Im Nov. 2021 fand die Justizminister*innenkonferenz statt, die zwei Mal im Jahr stattfindet und an der auch die Bundesjustizministerin regelmäßig als Gast teilnimmt. Dieses Mal wurden drei Beschlüsse mit insolvenzrechtlichem Bezug gefasst, die möglicherweise für die Einleitung von Gesetzgebungsverfahren sorgen. Hierbei handelt es sich um folgende Themen, zu denen jeweils ein paar prägende Sätze aus den Beschlüssen inhaltlich wiedergegeben werden:

  • Verbesserter Gläubigerschutz im Insolvenzverfahren, TOP I.7.:

Die Justizminister/innen der Länder sind zu der Auffassung gelangt, dass die InsO ein nationales „Forum Shopping“ des Insolvenzschuldners nicht hinreichend wirksam regelt. Hierdurch kann die Verwirklichung der von der InsO geschützten Gläubigerrechte beeinträchtigt und die Teilhabe der Gläubiger am Insolvenzverfahren behindert werden. Sie bitten deshalb die Bundesjustizministerin, die Problematik eingehend zu betrachten und ggf. einen Regelungsvorschlag vorzulegen, mit dem die Gläubigerrechte vor den Gefahren einer strategischen Wahl des örtlich zuständigen Insolvenzgerichts besser geschützt würden.

  • Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter/innen“, TOP I.6.:

Die Justizminister/innen teilen die Einschätzung, dass die derzeitige Rechtslage, nach der es grds. dem/der einzelnen Insolvenzrichter/in obliegt, eine eigene Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter/innen zu erstellen und zu pflegen, zu einem unbefriedigenden, durch Uneinheitlichkeit geprägten Zustand geführt hat. Sie sehen insofern gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die Justizminister/innen stimmen den von der Arbeitsgruppe erzielten Ergebnissen insbesondere darin zu, dass eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine behördliche Stelle geführt werden sollte. Sie bitten die Bundesjustizministerin, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.

  • Insolvenzantragspflicht in Fällen von Naturkatastrophen - TOP I.12.:

Die Vorschrift des § 15a InsO zur Insolvenzantragspflicht trägt der Sondersituation infolge von Naturkatastrophen nicht hinreichend Rechnung. Die Justizminister/innen bitten die Bundesjustizministerin, eine allgemeine, für alle künftigen Fälle geltende, dauerhafte Regelung zur Insolvenzantragspflicht in Fällen von Naturkatastrophen vorzuschlagen, die ein kurzfristiges und regelmäßig mit Rückwirkung versehenes Eingreifen des Bundesgesetzgebers im Einzelfall entbehrlich macht und für alle Beteiligten mehr Klarheit und Rechtssicherheit schafft.

Wer die vollständigen Inhalte dieser drei oder auch der darüber hinausgehenden Beschlüsse in anderen Bereichen einsehen möchte, kann dies über das Justizportal von NRW unter www.justiz.nrw.de tun: Mit dem Suchbegriff „Beschlüsse der Justizministerkonferenz“ werden u.a. die Beschlüsse aus 2021 und insoweit auch diejenigen von der Herbstkonferenz angezeigt. Wer nur die drei vorgenannten Beschlüsse einsehen möchte, findet diese über die Homepage des BAKinso unter www.bak-inso.de  Aktuelles  Nov. 2021. Sie sind dort verlinkt.

 

 

BMF-Schreiben

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Mit BMF-Schreiben vom 01.11.2021 ist der AEAO mit einer Vielzahl von insolvenzrechtlichen Themen geändert worden. Mit dem Suchbegriff „Insolvenz“ erhält man in dem 13-seitigen Schreiben 40 Treffer, vor allem ab Ziff. 15. So werden bspw. die neuen Regelungen aus dem SanInsFoG bzgl. der Eigenverwaltung eingearbeitet (z.B. Nr. 15i). Es finden sich darüber hinaus Regelungen zur Erhaltung eines bei Eröffnung bestehenden Aufrechnungsrechtes auch nach rechtskräftigem Insolvenzplan (Nr. 15g) oder eine Regelung für den Insolvenzverwalter als Bekanntgabeadressaten (Nr. 15c). Um einen konkreten Überblick zu bekommen, lohnt sich ein Einblick in die Seiten 9 – 13. Das BMF-Schreiben kann über www.bundesfinanzministerium.de  Service   Publikation  BMF-Schreiben  01.11.2021 abgerufen werden.

 

Keine vorherige Zustimmung des BMF bei Billigkeitsmaßnahmen in Restrukturierung oder Insolvenz

Das BMF hat am 02.11.2021 mit einem BMF-Schreiben bekanntgegeben, bei welcher Festsetzung oder Erhebung von Steuern, die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, die vorherige Zustimmung des BMF erforderlich sei, so bspw. bei Erlassen nach § 227 AO, wenn der Betrag, der erlassen (erstattet, angerechnet) werden soll, 200.000 € übersteige. Unter Ziff. II wird dagegen erläutert, wann eine solche Zustimmung nicht einzuholen sei, nämlich wenn einem Restrukturierungsplan oder außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zugestimmt werden solle, eine Billigkeitsmaßnahme über Insolvenzforderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren oder im Regelinsolvenzverfahren gewährt werde oder die Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 222 oder 227 AO durch BMF-Schreiben allgemein angeordnet oder durch eine im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlichte BFH-Entscheidung vorgegeben sei. Das BMF-Schreiben ist über www.bundesfinanzministerium.de  Service   Publikation  BMF-Schreiben  02.11.2021 abrufbar.

 

Digitaler Fortschritt bei der steuerlichen Aufbewahrung von Unterlagen

§ 14b UStG enthält Regelungen zur Aufbewahrung von Rechnungen. Im Umsatzsteueranwendungserlass (= UStAE) ist mit BMF-Schreiben vom 16.11.2021 in Abschnitt 14b.1 der Abs. 1 Satz 2 wie folgt geändert worden: „Soweit der Unternehmer Rechnungen mithilfe elektronischer oder computergestützter Kassensysteme oder Registrierkassen erteilt, ist es hinsichtlich der erteilten Rechnungen i.S.d. § 33 UStDV ausreichend,  wenn  ein  Doppel  der  Ausgangsrechnung  (Kassenbeleg) aus den unveränderbaren digitalen Aufzeichnungen reproduziert werden kann, die auch die übrigen Anforderungen der GoBD (vgl. BMF-Schreiben vom 28.11.2019, BStBl. I S. 1269) erfüllen, insbesondere die Vollständigkeit, Richtigkeit und Zeitgerechtigkeit der Erfassung (s. auch § 146 Abs. 1 und 4 AO).“ Diese Grundsätze seien auf alle offenen Fälle anzuwenden, wobei nicht beanstandet werde, wenn für Zeiträume bis 31.12.2021 die Aufbewahrungspflicht nach der alten Regelung erfüllt werde. Das BMF-Schreiben können Sie über www.bundesfinanzministerium.de   Service    Publikation   BMF-Schreiben   16.11.2021 einsehen.

 

 

Für den Praxisalltag des Insolvenzbüros

Erhöhte Entfernungspauschale

Mit BMF-Schreiben vom 18.11.2021 wurden die sich aus dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht ergebenden Änderungen bei der Entfernungspauschale veröffentlicht. Danach wird die Entfernungspauschale ab dem Jahr 2021 um 5 Cent auf 0,35 € und ab dem Jahr 2024 um weitere 3 Cent auf 0,38 € angehoben. Die Anhebung gilt erst ab dem 21. Entfernungskilometer und ist bis zum Jahr 2026 befristet. In dem 23-seitigen Informationsschreiben werden auch die Kosten aus der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder aus Fahrgemeinschaften und viele weitere Aspekte mehr angesprochen. Insbesondere werden eine Vielzahl von Berechnungsbeispielen gegeben. Für die Insolvenzbüros ist die erhöhte Entfernungspauschale in den zu fertigenden Einkommensteuererklärungen bzw. in den Berechnungen dazu, ob sich denn überhaupt ein Guthaben ergeben würde, zu berücksichtigen, denn diese gilt bereits ab dem Kalenderjahr 2021. Das BMF-Schreiben können Sie über www.bundesfinanzministerium.de   Service    Publikation   BMF-Schreiben   18.11.2021 abrufen.

 

Merkblatt zur Steuerklassenwahl

Das BMF hat mit Schreiben vom 09.11.2021 das neue „Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2022 bei Ehegatten oder Lebenspartnern, die beide Arbeitnehmer sind" veröffentlicht. Es soll Ehepartnern die Steuerklassenwahl erleichtern und gibt weitere Hinweise. Die Insolvenzbüros haben bei der Prüfung der pfändbaren Einkommensanteile jeweils auch einen Blick auf Steuerklassenwahl der Schuldner/innen zu werfen und bei einer zu Ungunsten der Insolvenzmassegewählten Steuerklasse auf eine Änderung hinzuwirken. Um den betroffenen Schuldnern die Thematik näher zu bringen, könnte man dieses Merkblatt mit versenden oder auf den entsprechenden Link beim Bundesfinanzministerium verweisen. Wenn ein Schuldner die Steuerklasse trotz berechtigter Gründe nicht wechselt, ist er so zu stellen, als hätte er die „richtige“ Steuerklasse gewählt, d. h. der Arbeitgeber ist nach einem gerichtlichen Beschluss auf Antrag des Insolvenzverwalters oder Treuhänders verpflichtet, eine fiktive Berechnung erstellen. Das ist für keinen der Beteiligten wünschenswert, so dass eine erfolgversprechende Aufklärung des Schuldners Vorrang haben sollte. Das Merkblatt ist über www.bundesfinanzministerium.de  Suchfunktion „Merkblatt Steuerklassenwahl“ zu finden. Dort erscheint dann auch das Merkblatt für das Vorjahr.

 

Erhöhung der Sozialleistungen zum 01.01.2022

Wie jedes Jahr berichten wir kurz über die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB XII und die Ergänzung der Anlage zu § 28 SGB XII. Ab dem 01.01.2022 steigen die Regelsätze für Empfänger von Sozialleistungen um 0,76 % bspw. von 446 € auf 449 € für Alleinstehende bzw. Alleinerziehende. Kleinkinder bis 5 Jahre bzw. bis 13 Jahre erhalten monatlich 2 €, Jugendliche bis 17 Jahre 3 € mehr als bisher. Diese ist mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2022 (= RBSFV 2022) festgelegt worden. Für Insolvenzsachbearbeiter/innen ist der Anstieg der Regelsätze für den möglichen Wegfall einer Unterhaltspflicht aufgrund eines eigenen Einkommens der unterhaltsberechtigten Person und damit für einen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO von Bedeutung. Vorhandene Musteranträge müssten entsprechend angepasst werden. Zur näheren Berechnung für die jeweiligen Anträge sei auf die Beiträge in der Fußnote verwiesen. Eine Pressemitteilung zu dieser Fortschreibung ist unter ww.bmas.de  Presse   Pressemitteilungen > 15.09.2021 zu finden.  Darin wird u.a. ergänzend ausgeführt: „Die höhere Preisentwicklung der Monate ab Juli 2021 kann aus statistischen Gründen nicht mitberücksichtigt werden. Sie wird in die Fortschreibung für das Jahr 2023 eingehen.“        

 

Appell zur Stärkung der Schuldnerberatung

Die Bundearbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. hatte sich am 27.10.2021 an die Ampelparteien gewandt und angesichts der Prognose über einen deutlichen Anstieg der Beratungsanfragen darauf hingewiesen, dass es jetzt Zeit sei zu handeln, die notwendigen Strukturen für eine starke Schuldnerberatung zu schaffen. Die Ampelparteien hatten im Wahlkampf unterschiedliche Vorschläge zu dieser Thematik unterbreitet. Die Insolvenzbüros kennen die Problematik: Eine gute Beratung und Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens durch die Schuldnerberatungsstellen führt nicht nur zu einer Entlastung der Insolvenzbüros in Bezug auf die Kenntnis von Rechten und Pflichten der Schuldner/innen, sondern vor allem auch zu mitarbeitenden Schuldner/innen, die sodann die Restschuldbefreiung leichter erlangen. Die Pressemitteilung ist unter www.bag-sb.de  Fachverband  Positionen  Okt. 21: „Soziale Schuldnerberatung stärken“ abrufbar. Dort findet man auch die Antworten der Parteien im Überblick. Am 24.11.2021 folgte dann eine weitere Pressemitteilung der BAG-SB, nachdem die Ampel-Parteien ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hatten, denn darin heißt es: „Wir wollen die Schuldner und Insolvenzberatung ausbauen." Dazu führt die BAG-SB aus: „Zwar handelt es sich nur um einen Satz, aber die Bundesregierung setzt damit ein enorm wichtiges und erfreuliches Signal für überschuldete Menschen!" Auch diese Meldung können Sie über die vorstehend genannte Homepage finden.

 

 

Neues von (insolvenzrechtlichen) Verbänden

Umfrage aus Bayern zur Modernisierung des Insolvenzrechtes

Das Bayerische Staatsministerium hat im Okt. 2021 in einem 11-seitigen Rundschreiben an alle Justizministerien de Länder darüber berichtet, dass es derzeit prüfe, wie der Personaleinsatz und die Organisation an den Insolvenzgerichten - unabhängig von einer Konzentration - effektiver gestaltet werden könne. Bei der Eruierung möglicher Optimierungs- und Effektivierungspotentiale seien auch Vorschläge für Rechtsänderungen aufgetreten, die in dem Rundschreiben im Hinblick auf die betroffenen bundesrechtlichen Regelungen zur Diskussion gestellt werden sollen. Hierbei handelt es sich – auszugsweise und nur stichpunktartig – um die nachfolgend aufgelisteten Themen. Der BAKinso hat hierzu im Nov. 2021 Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass er vor dem Hintergrund schon erwarteter weiterer Gesetzesänderungen, u.a. durch die Harmonisierungsinitiative der Europäischen Kommission, keine dringende Notwendigkeit für weitere Änderungsinitiativen erkenne. Die Insolvenz- und die neuen Restrukturierungsgerichte seien mit der Umsetzung der gesetzlichen Änderungen, u.a. durch das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und durch das SanInsFoG derzeit ausreichend belastet. Der BAKinso hat dennoch zu den 16 einzelnen Themenbereichen Stellung bezogen, die nachfolgend ebenfalls auszugsweise und stichpunktartig wiedergegeben wird, wodurch Sie die einzelnen Änderungsvorschläge verbunden mit einem Gegenargument besser einordnen können.

  • Einführung einheitlicher Antrags- und Verzeichnis-Formulare auch in IN-Verfahren (Nr. 1)

(BAKinso: Versuche des BMJV dazu bisher gescheitert, weil verschiedene Konstellationen des Regelinsolvenzverfahrens sich nicht in einen Vordruck integrieren lassen, der dann noch „handhabbar“ sei)

  • Übertragung der IK-Verfahren auf die Rechtspfleger (Nr. 2)

(BAKinso: Vorschlag hat eine lange Historie und überwiegend i.d. Praxis Ablehnung erfahren wg. verfassungsrechtlicher Bedenken)

  • Schriftliche Verfahrensführung (= Ausweitung der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO) (Nr. 3)

(BAKinsO: Vorschlag geht an Notwendigkeiten der insolvenzgerichtlichen Praxis und den – steigenden - Anforderungen nach Gläubigerpartizipation vorbei; derzeitige Regelung gibt genügend Spielraum)

  • Straffung des Verfahrensablaufs bei Restschuldbefreiung (ggf. Verzicht auf Berichtstermin, Anmeldungen erst zum Schlusstermin) (Nr. 5)

(BAKinso: Vorschlag geht von falschen Voraussetzungen aus: Verfahren laufen „kurz“ durch, unproblematisch; Gegenteil: asymmetrisch (§ 300a InsO), Freigabeerklärungen u.a.; Verschiebung der Forderungsprüfung wirke nicht verfahrensverkürzend)

  • Belehrungen bei Anmeldung deliktischer Forderungen (Übertragung auf den Insolvenzverwalter) (Nr. 6)

(BAKinso: Neutralität des Verwalters würde durchbrochen, Belehrungsnachweis für Rechtskraftvoraussetzung schwierig)

  • Auslagerung der Ansprüche aus unerlaubter Handlung (raus aus der InsO, Klärung durch Zivilgerichte) (Nr. 8)

(BAKinso: nicht immer Widersprüche seitens der Schuldner, häufig Feststellung durch Insolvenzgerichte, Zivilgerichte müssten aber alle Ansprüche bearbeiten, außerdem keine Rechtssicherheit für Schuldner während des Verfahrens)

  • Beschränkung nachträglicher Forderungsanmeldungen nach § 177 InsO (zeitliche Grenze zur Vermeidung vieler nachträglicher Prüfungstermine) (Nr. 9)

(BAKinso: Vorschlag wurde in der Vergangenheit schon mehrfach diskutiert, zeitliche Grenze für Ausfallforderungen schwierig, ggf. Kappungsgrenze analog § 259b InsO für übrige Forderungen, wünschenswert: zeitliche Klärung für Forderungsrücknahme oder Widerruf einer solchen Rücknahme)

  • Zulassung von Insolvenzplänen (Bedingung: Quotenerhöhung von mindestens 5 % oder Zustimmungserklärungen von 50 % der Gläubiger) (Nr. 10)

(BAKinso: Handhabung u.a. aus Schuldenbereinigungsverfahren gem. § 309 Abs. 1 InsO bekannt, Regelung wird begrüßt, aber Nachweis über Gläubigerbefassung mit Plan erforderlich und Begrenzung der wiederholten schuldnerseitigen Vorlage sinnvoll)

  • Verstoß gegen Obliegenheiten nach § 296 InsO (eigenes Recht des Insolvenzverwalters oder Treuhänders zur Stellung eines Versagungsantrages) (Nr. 13)

(BAKinso: Gefährdung der Neutralität des Insolvenzverwalters/Treuhänders, Begrenzung des Gesetzgebers zu Recht auf § 298 InsO)

  • Entfall der Verstrickung von Gesetzes wegen (Wegfall des Erfordernisses der Beschlussfassung durch das Insolvenzgericht zur Beseitigung der öffentlich-rechtlichen Verstrickung) (Nr. 15)

(BAKinso: Rangverlust für Gläubiger durch automatischen Wegfall wird für nicht sachgerecht gehalten, aber Klärung der Zuständigkeitsfrage für Aussetzung (Vollstreckungsgericht, Insolvenzrichter, Insolvenzrechtspfleger?) könnte erwogen werden)

  • Änderungen im Recht des Pfändungsschutzkontos (Nr. 16), u.a.:

(BAKinso: Wirkungen und die gerichtliche Praxis mit dem neuen PkoFoG abwarten)

  • gesetzliche Regelung zum Quellenschutz = Freigabe der vom Arbeitgeber eingehenden Zahlungen

(BAKinso: Massegenerierende Kontrolle ggf. doch pfändbarer Beträge würde verunmöglicht werden)

  • Erteilung einer Bescheinigung nach § 903 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Insolvenzverwalter

(BAKinso: würde zu einem Vergütungszuschlagsanspruch führen, damit ggf. über § 4 InsO staatskassenbelastend)

  • Freigabemöglichkeit von auf Pfändungsschutzkonten eingehenden unpfändbaren Beträgen durch den Insolvenzverwalter

(BAKinso: nach § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO n.F. i.d.F. PKoFo grds. keine Freigabe von P-Konten erforderlich)

Wer das Rundschreiben aus Bayern und die 11-seitige Stellungnahme des BAKinso in vollständiger Fassung lesen möchte, kann dies über www.bak-inso.de  Aktuelles  Nov. 2021 tun. Dort sind beide Dokumente im PDF-Format hinterlegt.

 

Unterstützung des Transformationsprozesses der Wirtschaft durch das Insolvenzrecht

Der VID hat mit einer Pressemitteilung vom 04.11.2021 darüber informiert, dass er den voraussichtlichen Koalitionspartnern eine Reihe von Anregungen übermittelt habe, wie das Insolvenzrecht den Transformationsprozess der Wirtschaft unterstützen könne. So heißt es in der Meldung auszugsweise: „Mit der Insolvenz und der Neuordnung einzelner Unternehmen oder ganzer Branchen sind … auch Chancen des Neuanfangs eröffnet. Diese Chancen können nur genutzt werden, wenn Insolvenzen nicht mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und finanziellen Mitteln vermieden werden. Denn Insolvenzvermeidung ist nicht gleichzusetzen mit einer nachhaltigen Sanierung des Unternehmens. … Das deutsche Restrukturierungs- und Insolvenzrecht ist ein modernes Instrument zur Bewahrung zukunftsfähiger Unternehmen und Arbeitsplätze. Es ermöglicht zugleich aber auch die Freisetzung unproduktiv gewordener Kapazitäten. Diese Ausrichtung macht es besonders geeignet zur Begleitung der anstehenden Transformation. Es verbindet den Schutz von Gläubigern mit der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen zugunsten einer wirtschaftlich tragfähigen Fortführung betroffener Unternehmen.  …“ Auch der Deutsche Insolvenzverwalterkongress habe diese Ideen aufgegriffen. Die vollständige Meldung können Sie über www.vid.de  Presse  Pressemitteilungen  04.11.2021 einsehen.

 

Vergabe Uhlenbruck-Preis 2021

Der vom VID verliehene Uhlenbruck-Preis ist am 05.11.2021 an Herrn Dr. Ivan B. Labusga vergeben worden. Seine Dissertation mit dem Titel „Insolvenzanfechtung von Austauschgeschäften“ wurde am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan Felix Hoffmann an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg gefertigt. Darin werde untersucht, welche Rechtsfolgen die Gegenleistung zu erwarten habe, wenn die angefochtene Leistung zurückzugewähren sei. Dr. Labusga plädiere bei § 144 Abs. 2 S. 1 InsO für einen Perspektivwechsel in Form einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung. Zur Auswahl der Jury wurde erläutert: „Nach Auffassung der Jury war es nur eine Frage der Zeit, bis die aktuell zu § 15b InsO geführte Diskussion, welche Gegenleistungen Zahlungen kompensieren können, aus Anlass von § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO ins Recht der Anfechtungsfolgen „herüberschwappt“ … Herr Dr. Labusga hat eine erste Rechtsfolgenstruktur geschaffen, mit der Unstimmigkeiten aufgrund systematischer und wirtschaftlich widersprüchlicher Ergebnisse der bislang herrschenden Meinungen in Einklang mit den bestehenden Vorschriften zu beseitigen sind …“ Die vollständige Pressemeldung zu dieser Preisverleihung finden Sie über www.vid.de  Presse  Pressemitteilungen  05.11.2021

 

 

Statistik

Insolvenzentwicklung laut Bundesstatistikamt im Nov. 2021

Das Statistische Bundesamt (DESTATIS) hat mit der Meldung vom 12.11.2021 (Nr. 516) – der Letzten vor der Druckfreigabe – mitgeteilt, dass die Zahlung der beantragten Regelinsolvenzverfahren im Okt. 2021 mit -29,2 % knapp ein Drittel niedriger war als im Vormonat September, in dem die Zahlen zuletzt um ca. 6 % gestiegen waren. Im Vergleich zum Okt. 2019 beträgt die Differenz -39,2 %. Bei den Unternehmensinsolvenzen wurde im August 2021 ein rückläufiger Trend von -2,1 % im Vergleich zum August 2020 ermittelt. Im Vergleich zum August 2019 ergibt sich eine Differenz von -36,7 %. Die Verbraucherinsolvenzverfahren hätten sich dagegen im August 2021 gegenüber dem Vorjahresmonat – also August 2020 – mit + 217,7 % mehr als verdreifacht. Sie können die vollständige Pressemitteilung über www.destatis.de  Presse  Pressemitteilungen einsehen.