17.03.2021

News aus der Branche


News aus der Branche

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.


März 2021: InsbürO 2021, 102 - 105


Gesetzliche Änderungen

Erneute Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Nach einer Pressemitteilung vom 20.01.2021 hat die Bundesregierung die vom BMJV vorgelegte Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD beschlossen, der eine Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) vorsieht. Danach soll die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.04.2021 verlängert werden. Die Verlängerung solle den Schuldnern zugutekommen, die einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen hätten und deren Auszahlung noch ausstehe. Voraussetzung sei grds., dass die Hilfe bis zum 28.02.2021 beantragt werden und die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet sei. Auf die tatsächliche Antragstellung komme es jedoch ausnahmsweise nicht an, wenn eine Beantragung der Hilfen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bis zum 28.02.2021 nicht möglich sei. In diesen Fällen solle auf die Antragsberechtigung abgestellt werden. Wie schon bisher gelte die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur, wenn die Krise des Unternehmens pandemiebedingt sei, mit einer Auszahlung der Hilfen zu rechnen sei und hierdurch eine Überlebenschance für das Unternehmen bestehe. Wenn ein Unternehmen von einem Insolvenzantrag absähe, obwohl die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorliegen würden, handele die Geschäftsleitung pflichtwidrig. Dies könne sowohl eine Haftung als auch eine Strafbarkeit der Geschäftsleitung begründen. Daran solle auch weiterhin festgehalten werden. Die neuen Regelungen gelten bereits ab dem 01.02.2021 und schließen sich damit nahtlos an die bis Ende Januar 2021 geltenden Regelungen an. Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, ist es schon März und Sie haben vermutlich schon Kenntnis von dieser Regelung, die am … im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2021, Teil 1 – Nr. … v. …, S. …)  veröffentlicht wurde. Der Vollständigkeit halber möchten wir diese Information aber dennoch hier aufnehmen. Sie ist erst nach Druckfreigabe des Februarheftes bekannt geworden. Wer neben der Gesetzesänderung im Bundesgesetzblatt noch die vorgenannte Pressemitteilung und die Formulierungshilfe einsehen möchte, findet diese über www.bmjv.de > Suchbegriff „Aussetzung Insolvenzantragspflicht“: Treffer vom 20.01.2021. Auszüge aus Stellungnahmen zu dieser Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht werden nachfolgend unter der Rubrik „Neues von (insolvenzrechtlichen) Verbänden“ vorgestellt. Einen erweiterten Überblick über die erfolgte Anhörung von Sachverständigen ist über www.bundestag.de > Ausschüsse > Finanzen > Öffentliche Anhörung > 25.01.2021 möglich. Dort sind alle gehörten Sachverständigen und ihre Stellungnahmen zusammengefasst. Und abschließend sei erläutert, dass auch der Bundesrat am 18.01.2021 in einer begleitenden Entschließung die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gefordert hatte. Dazu führte er u.a. aus: „Es wäre eine unbillige Härte, wenn Firmen zum 01.02.2021 einen Insolvenzantrag stellen müssten, obwohl sie eigentlich Anspruch auf staatliche Hilfeleistungen hätten – z. B. die so genannten November- und Dezemberhilfen oder die Überbrückungshilfe III, die momentan noch gar nicht beantragt werden kann.“ Die Information finden Sie über www.bundesrat.de > Plenum > in Bundesratkompakt oder im Protokoll der 999. Sitzung.

Teil-Synopse zum SansInsFoG

Wir hatten Ihnen im letzten Heft die Teil-Synopse zum SanInsFoG versprochen (InsbürO 2021, 54), die wir wegen ihres Umfangs und Gewichts leider nicht mehr dem Februarheft beifügen konnten. Diese finden Sie nunmehr als Beilage zu diesem Heft. Darin werden die alten und neuen Regelungen aus denjenigen Gesetzen gegenübergestellt, die für die Insolvenzsachbearbeitung von Bedeutung sind: InsO, InsVV, InsStatG, COVInsAG und SGB III. Außerdem werden jeweils Erläuterungen zum Hintergrund der Änderungen gegeben. Die neuen Regelungen in den anderen Gesetzen werden in Kürze thematisch angesprochen.


 

Gesetzgebungsverfahren

Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

Im Dezember 2020 ist der Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten veröffentlicht worden. Darin heißt es auf Seite 1: „Der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten wird ausgebaut, indem die digitalen Zugangsmöglichkeiten zu den Gerichten erweitert werden. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, privatrechtliche Organisationen und Verbände sowie andere professionelle Verfahrensbeteiligte erhalten die Möglichkeit, möglichst kostenneutralüber ein neues besonderes elektronisches Postfach mit den Gerichten auf sicherem Wege zu kommunizieren. Dafür wird ein sogenanntes besonderes elektronisches Bürger und Organisationenpostfach (kurz: eBO) geschaffen. Das eBO ermöglicht sowohl den schriftformersetzenden Versand elektronischer Dokumente an die Gerichte sowie die Zusendung elektronischer Dokumente durch die Gerichte an die Postfachinhaber.“ Den Entwurf finden Sie über www.bmjv.de > Service > Aktuelle Gesetzgebungsverfahren. Dort ist auch eine Vielzahl von Stellungnahmen aufgelistet, die Sie einsehen können. Auch der VID hat eine solche abgegeben. Darin wird auszugsweise folgendes ausgeführt: „Mit § 173 Abs. 2 ZPO RefE soll die Einrichtung des in Abs. 1 der Vorschrift geforderten sicheren Übermittlungswegs für Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige Personen verpflichtend werden, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Mit Rücksicht auf die Zahl der Insolvenzverfahren und den Umfang der dort an Insolvenzgerichte zu übermittelnden Dokumente überrascht die fehlende ausdrückliche Erwähnung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern, für die nur über die Verweisungsnorm des § 4 InsO angenommen werden kann, dass sie zum Kreis derjenigen Personen gehören, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Eine entsprechende Ergänzung des § 173 Abs. 2 ZPO RefE ist geboten, um Zweifel an der Einbeziehung von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern auszuschließen, die auch von der Begründung des RefE nicht beseitigt werden. … Die Forderungsanmeldung kann nach § 174 Abs. 4 Satz 1 InsO auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen (…). … Die … offene Frage einer sicheren Identifizierung der Anmelder wird in der aktuellen Kommentarliteratur sehr unterschiedlich beantwortet. Das Meinungsspektrum reicht von § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz) über § 130a ZPO (ggf. mit Wahlrecht des Verwalters) bis zu einfacher E-Mail-Anmeldung, ggf. mit dem Hinweis, dass der Aussteller zweifelsfrei feststellbar sein müsse (aber ohne Hinweis, welche Anforderungen an die Identifikation zu stellen sind, wer sie zu prüfen hat und ggf. mit welchen Folgen). Eine klarstellende Ergänzung des § 174 Abs. 4 InsO, evtl. durch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 ERVV RefE, ist deshalb dringend geboten. …“ Die vollständige 5-seitige Stellungnahme ist über www.vid.de > Gesetzgebung > Stellungnahmen > 13.01.2021 abrufbar.
 

Digitalisierungsrichtlinie: Abruf von gesellschaftlichen Daten wird leichter

Ebenfalls im Dezember 2020 wurde ein Referentenentwurf zur Digitalisierungsrichtlinie vorgestellt. In der dazugehörigen Pressemitteilung des BMJV heißt es dazu: „Die Digitalisierungsrichtlinie dient insgesamt dem Zweck, durch den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren die Gründung von Gesellschaften und die Errichtung von Zweigniederlassungen europaweit grenzüberschreitend zu vereinfachen, um diese Verfahren im Hinblick auf die Kosten und die Zeit effizienter zu gestalten. Dazu enthält die Richtlinie eine Reihe von Regelungen, insbesondere die Verpflichtung zur Einführung der Online-Gründung der GmbH, zu Online-Verfahren bei Registeranmeldungen für Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen, zur Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen im Handels- und Unternehmensregister sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über das Europäische System der Registervernetzung. …  Da die Richtlinie zudem eine sehr umfassende kostenlose Zugänglichmachung von Registerinformationen über das Europäische System der Registervernetzung erfordert, soll zukünftig für den Abruf von Daten aus dem Handelsregister oder von Dokumenten, die zum Register eingereicht wurden, generell auf die Erhebung von Abrufgebühren verzichtet werden. Zur Vereinheitlichung soll dies auch für das Vereins-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister gelten.“ Insolvenzbüros rufen immer wieder Daten aus dem Handelsregister ab, so bspw. im Rahmen der Ausschüttung, um herauszufinden, was aus Gläubigern von angemeldeten Forderungen bei langer Verfahrensdauer geworden ist oder um Gesellschafter zu ermitteln. Dieses Gesetz resultiert aus der erforderlichen Umsetzung einer europäischen Richtlinie (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80), die eigentlich bis zum 01.08.2021 erfolgt sein soll. Deutschland hat von der Option zur Verlängerung um ein Jahr Gebrauch gemacht. Der sich ergebende praktische Vorteil für die Praxis wird also offenbar noch ein wenig auf sich warten lassen. Wir werden darauf zurückkommen. Wer einen Blick in den Entwurf werden möchte, kann diesen über www.bmjv.de finden.

 


BMF-Schreiben

Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wurde zum 31.12.2020 und am 20.01.2021 geändert. Im ersten Fall wurde im insolvenzrechtlichen Zusammenhang die Rechtsprechung des BFH im Urteil v. 18.09.2019 (XI R 19/17, InsbürO 2020, 216 = ZInsO 2020, 305) in den Abschnitt 15.2d Abs. 1 eingearbeitet. In der Entscheidung ging es um das Recht auf Vorsteuerabzug, das der Insolvenzmasse zustehe, wenn der Insolvenzverwalter die Masse wirksam verpflichtet habe. Es wäre zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter Verträge als Partei kraft Amtes „im Rahmen der Verwaltung“ mit Wirkung und zu Lasten der Masse abschließe oder die Leistung persönlich beziehe. Die weiteren Änderungen in 2021 regeln die Anwendung des § 251 AO (= Vollstreckbare Verwaltungsakte). Sie betreffen die Themen „Unterbrechungswirkung (analog § 240 ZPO) im Steuerfestsetzungsverfahren, im Rechtsbehelfsverfahren und beim Lauf der Rechtsbehelfsfristen (4.1.2) und bei nicht bestandskräftigen und nicht angefochtenen Steuerbescheiden (5.3.1.2.1), die Änderung von zur Insolvenztabelle festgestellten Steuerforderungen (5.3.5), das insolvenzfreie Vermögen (7.) und die Aufrechnungsmöglichkeit (8.)“. Die entsprechenden BMF-Schreiben vom 15.12.2020 und 22.01.2021 können Sie unter www.bundesfinanzministerium.de > Service > Publikationen > BMF-Schreiben einsehen.



Für den Praxisalltag des Insolvenzbüros

Überarbeiteter Kontenrahmen SKR-InsO ab 2021

Wir berichteten im Novemberheft der InsbürO über den überarbeiteten Kontenrahmen SKR-InsO (InsbürO 2020, 426, 430). Er ist seit dem 01.02.2021 unter der Bezeichnung SKR 01-2021 freigeschaltet. Begleitend wurde ein Forum/einen Chat initiiert, in dem sich Praktiker austauschen können. Die damalige Meldung des BAKinso als Mitglied in der Arbeitsgruppe SKR-InsO finden Sie über www.bakinso.de > Aktuelles > September 2020. Erläuterungen zum neuen Kontenrahmen und zum Forum finden Sie über www.skrinso.de. Weitere Informationen, insbesondere auch zu vorgenommenen Änderungen sind über www.vid.de > Der Verband > Qualitätsstandards > „Einheitlicher Kontenrahmen SKR-InsO“ abrufbar.


Zur Konzentration der Insolvenzgerichte

Mit dem SanInsFoG ist in Art. 1 das StaRUG neu geschaffen worden. § 34 StaRUG regelt, dass für Entscheidungen in Restrukturierungssachen das AG, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, als Restrukturierungsgericht für den Bezirk des OLG ausschließlich zuständig ist. Ist dieses AG nicht für Regelinsolvenzsachen zuständig, so ist das AG zuständig, das für Regelinsolvenzsachen am Sitz des OLG zuständig ist. In Abs. 2 folgt eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen, eine abweichende Zuständigkeitszuweisung vorzunehmen. Es gibt in Deutschland 24 OLG-Bezirke. Damit wird es also 24 Restrukturierungsgerichte geben. Zum Vergleich: Es gibt ca. 180 Insolvenzgerichte in Deutschland. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die Zuständigkeitskonzentration auf der Ebene der Bezirke der OLGs und die einheitliche Zuständigkeit für Restrukturierungssachen und Unternehmensinsolvenzverfahren die nachhaltige Ausbildung und Fortentwicklung der Kompetenzen und Expertise fördert, die erforderlich sei, um eine sachgerechte, professionelle, effiziente und ihrer rechtlichen sowie wirtschaftlichen Komplexität gerecht werdende Bearbeitung von Restrukturierungssachen zu gewährleisten. Es hat in diesem Zusammenhang auch eine Änderung in InsO gegeben. So wurde in § 3 InsO (= Örtliche Zuständigkeit) ein neuer Abs. 2 geschaffen, nach dem das Gericht örtlich zuständig ist, das als Restrukturierungsgericht für Maßnahmen zuständig war, wenn der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gem. § 29 StaRUG in Anspruch genommen hat. Damit kann die Zuständigkeit für ein Insolvenzverfahren also abweichend von der bisherigen Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand oder dem Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nunmehr bei einem anderen Gericht liegen. Hierauf ist ggf. in künftigen Gutachten zu achten, wenn zur Frage der Zuständigkeiten Ausführungen gemacht werden.
Im Regierungsentwurf des SanInsFoG vom 09.11.2020 war in Art. 5 noch eine Änderung in § 2 InsO-E vorgesehen. Danach sollte u.a. die bisher in § 2 Abs. 2 InsO vorhandene Ermächtigung der Landesregierungen, zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen, entfallen, was zur Folge gehabt hätte, dass nur noch höchstens ein Insolvenzgericht je Landgerichtsbezirk zuständig sei und damit eine Konzentration der Insolvenzgerichte bedeutet hätte. Diese Einschränkung ist aber aufgrund der Empfehlung des Bundesrates gestrichen worden. Dazu wurde u.a. ausgeführt: „Weshalb die erworbenen Fachkenntnisse nicht auch weiterhin an denselben Insolvenzgerichten nutzbringend verwendet werden sollen, kann nicht nachvollzogen werden. Das gilt umso mehr, als im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie allgemein mit einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gerechnet wird. Gerade in dieser Zeit ist es von besonderer Bedeutung, bei den Insolvenzgerichten auf bewährte Strukturen zurückgreifen zu können. … Bei einem Wegfall der kleineren Insolvenzgerichte bestünde die Gefahr eines Verdrängungswettbewerbs zugunsten der in den größeren Städten ansässigen und bei den dortigen Insolvenzgerichten bereits bekannten überregional tätigen Großverwalterbüros und zulasten der regionalen Insolvenzverwalter. Insgesamt sind bei Wegfall der zusätzlichen Insolvenzgerichte erhebliche negative Auswirkungen auf die Standortattraktivität, den ländlichen Raum, den Zugriff auf qualifiziertes Personal, die Gebäudeversorgung, die Erreichbarkeit der Justiz und die Bürgernähe zu besorgen, welche im Vergleich zu den angenommenen Vorteilen einer Konzentration deutlich überwiegen.“




Neues von (insolvenzrechtlichen) Verbänden

Gravenbrucher Kreis zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantrags-pflicht: Nur begrenzt fortsetzen

Der Gravenbrucher Kreis hat eine Stellungnahme als Sachverständiger zur öffentlichen Anhörung am 25.01.2021 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages abgegeben und veröffentlicht. Darin heißt es auszugsweise: „Die Formulierungshilfe … für die Verlängerung des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen ist kritisch zu betrachten, sofern sie im Wesentlichen auf eine Privilegierung von öffentlichen Gläubigern, insbesondere von Finanzbehörden und Krankenkassen, abzielt. … Wenn … hauptsächlich versucht werden sollte, solche Stundungen – gemeint sind Zahlungen auf solche Stundungen – vor etwaigen späteren Insolvenzanfechtungen zu retten, erfolgt hiermit eine Privilegierung öffentlicher Gläubiger zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger, die mit Inkrafttreten der InsO im Jahr 1999 endgültig abgeschafft werden sollte. Ein solche Wiedereinführung von Vorrechten durch die Hintertür ist strikt abzulehnen. … Jedoch ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in vielen Fällen nur eine „Beruhigungspille“. Eine weitere (uneingeschränkte) Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht würde die Wirtschaft in Narkose halten, allein die wirtschaftlichen Probleme verschieben und erhebliche Risiken für die Volkswirtschaft bergen. … Deshalb sollte eine weitere Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht lediglich für einen engbegrenzten sowie kleinen Kreis von Schuldnern und nur für einen überschaubaren Verlängerungszeitraum letztmalig erfolgen. … Schließlich steht der Schutz der übrigen Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs vor zahlungsunfähigen Unternehmen in Frage. … Die vielen unbestimmten und daher auslegungsfähigen Rechtsbegriffe sind für Geschäftsleiter (und auch deren Berater) schwer einschätzbar. … Zugleich werden die Unsicherheiten zu umfangreichen, langjährigen Streitigkeiten führen, und zwar darüber, ob die Voraussetzungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Einzelfall überhaupt vorgelegen haben, um den Geschäftsleiter bzw. seine D&O-Versicherung in Anspruch zu nehmen. … Der Kreis der Berechtigten für staatliche Hilfsleistungen sollte auch solche Unternehmen umfassen, für die ein Insolvenzverfahren unvermeidlich ist, und zwar auch für Zeiträume, die vor Einleitung des Insolvenzverfahrens liegen. Wenn ein Kranker in ambulanter Behandlung ein Medikament beanspruchen kann, dann sollte dem Patienten auf der Intensivstation dieses nicht verwehrt werden. … Mit § 6 COVInsAG hat der Gesetzgeber im Zuge des … (SanInsFoG) den Zugang zum Schutzschirmverfahren erleichtert und damit bereits einen ersten Schritt zur Schaffung eines Corona-Schutzschirms gemacht. … Nunmehr sollte der Gesetzgeber jedoch nicht stehen bleiben, sondern die Chance nutzen, beschränkt für die Zeit der Corona-Pandemie einen echten Corona-Schutzschirm zu regeln, der in der jetzigen Krisenlage einen veritablen Mehrwert bietet. Deshalb wird vorgeschlagen, dass die Stellung des Sachwalters flexibilisiert wird. … Überdies sollte das Insolvenzgericht die Schutzfrist zur Planvorlage von drei auf bis zu sechs Monate verlängern können, wenn der Schuldner mit Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters die Verlängerung der Frist beantragt. Eine Verlängerung der Schutzfrist auf sechs Monate würde dem Unternehmen die erforderliche Zeit geben, die angesichts der derzeitigen schweren Krise für eine erfolgreiche Restrukturierung gebraucht wird. …“ Die vollständige 5-seitige Stellungnahme können Sie über www.gravenbrucher-kreis.de > Aktuelles einsehen.
 

VID zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Augenmerk auf die öffentliche Kommunikation

Der VID hatte ebenfalls wie vorstehend der Gravenbrucher Kreis Gelegenheit zur Stellungnahme bei der Anhörung am 25.01.2021. Er spricht sich auch gegen das Fiskusprivileg gem. der vorgesehenen Änderungen in der Formulierungshilfe aus. Hilfreich ist in der 9-seitigen Stellungnahme vor allem der Überblick über die Entwicklung des COVInsAG seit März 2020. Die jetzt erfolgte Änderung stellt die Vierte in 10 Monaten dar. Der VID erläutert die einzelnen Regelungen und beabsichtigten Zielsetzungen und weist darauf hin, dass diese Veränderungen insbesondere im Bereich der Insolvenzantragspflichten eine Rechtslage geschaffen hätten, die für die meisten Antragspflichtigen ohne rechtliche Beratung kaum mehr zu durchschauen sei. Der VID greift des Weiteren auch auftretenden offenen Fragen zur aktuellen Änderung auf, so wie bspw. ob auch Hilfsanträge, die erst im März oder April 2021 gestellt werden, die Aussetzungswirkungen des § 1 Abs. 3 COVInsAG auslösen sollen oder ob eine bereits im Zeitraum zwischen dem 1.10.2020 und dem 31.12.2020 eingetretene Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit durch die Aussetzungen des § 1 Abs. 3 COVInsAG rückwirkend beseitigt werde. In der Schlussbemerkung heißt es auszugsweise: „Die vorgeschlagenen Regelungen zu einer weiteren Aussetzung von Insolvenzantragspflichten folgen dem in § 1 Abs. 3 COVInsAG angelegten Grundsatz. Dieser Grundsatz, der bei Aussicht auf hinreichende staatliche Hilfeleistung eine temporäre Aussetzung von Antragspflichten vorsieht, ist i.S.d. Vermeidung unnötiger Insolvenzverfahren zu begrüßen. Die Regelungen sollten aber an den oben aufgezeigten Stellen nochmals überarbeitet werden. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollte zudem ein besonderes Augenmerk auf die öffentliche Kommunikation der nun erneut komplizierteren Rechtslage gelegt werden. Die Frage nach der eigenen Antragspflicht wurde im Lauf der aktuellen COVID-19-Pandemie über mehrere Stationen der Gesetzgebung hinweg immer mehr zu einer Denksportaufgabe für die Betroffenen.“ Die vollständige Stellungnahme ist über www.vid.de > Gesetzgebung > 25.01.2021 zu finden.




Statistik

Im Dezember Trendwende bei eröffneten Regelinsolvenzverfahren

Nach einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) vom 11.01.2021 (Nr. 15/2021) gab es im letzten Oktober 31,9 % weniger Unternehmensinsolvenzen als im Oktober 2019. Bei der vorläufigen Zahl der eröffneten Regelinsolvenzen im Dezember deute sich dagegen eine neue Entwicklung an. Zwar läge, wie in den vorangegangenen Monaten des Jahres 2020, die vorläufige Zahl der eröffneten Regelinsolvenzen unter dem Vorjahreswert (-9 %). Allerdings sei sie im Vergleich zum Vormonat November 2020 um 18 % angestiegen. Dies stelle zusammen mit einem Anstieg um 5 % im November eine Abkehr vom bisherigen Verlauf stetig sinkender Verfahrenszahlen seit Beginn der Corona-Pandemie dar. Neben den Unternehmensinsolvenzen hätten 2 859 übrige Schuldner im Oktober 2020 Insolvenz angemeldet. Das seien 61,2 % weniger als im Vorjahresmonat. Darunter waren 1 857 Insolvenzanträge von Verbraucherinnen und Verbrauchern (-64,7 %) sowie 699 Insolvenzanträge von ehemals selbstständig Tätigen (-56,7 %). Dieser deutliche Rückgang sei auf das Gesetz zur schrittweisen Verkürzung der Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahre zurückzuführen, das Ende 2020 in Kraft getreten ist.