19.05.2021

Aus der Rechtsprechung

 

Rechtsprechungsüberblick

Nachfolgende Texte wurden in ähnlicher Form in der InsbürO - einer Zeitschrift für die Insolvenzpraxis - veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint im Carl Heymanns Verlag, Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Unsere Mitarbeiterin Michaela Heyn ist Schriftleiterin und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.

 

Maiheft 2021

 

Restschuldbefreiungsverfahren

InsbürO 2021, 212 f.: Erteilung der Restschuldbefreiung

LG Frankfurt (Oder) (6. Zivilkammer), Urt. v. 20.01.2021 – 16 S 120/20, ZInsO 2021, … (rkr.)

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Es bleibt dahingestellt, ob eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO in der Person des Schuldners verwirklicht sein muss.

2. Vorrangig ist eine Abwägung nach Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmen.

 

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Der Erblasser hatte eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S.d. § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO begangen. Das klagende Land erbrachte Schadensersatzleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz, weshalb Ansprüche auf es übergingen. Die Beklagte ist Alleinerbin des Erblassers. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen meldete die Klägerin die Forderung zur Tabelle an. Die Beklagte widersprach dem geltend gemachten Rechtsgrund. Das AG Eberswalde hatte der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass gem. § 1922 BGB sämtliche Verbindlichkeiten auf den Erben übergehen. Dem folgt das LG Frankfurt/Oder im konkreten Fall nicht. Es lässt die Frage, ob die unerlaubte Handlung der Person des Schuldners verwirklicht werden muss, dahingestellt, weil jedenfalls eine verschärfte Haftung der Beklagten aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht komme. Inkonsequent ist die Entscheidung jedenfalls insoweit, als dass zunächst divergierende Auffassungen zu der Streitfrage festgestellt werden, eine Zulassung der Revision aber gleichwohl nicht erfolgt.

 

InsbürO 2021, 216: Keine Restschuldbefreiung durch Insolvenzplan

AG Göttingen, Beschl. v. 11.12.2020 - 74 IN 76/18, ZInsO 2021, 403 (rkr.)

Leitsätze des Gerichtes:

1. Die Erteilung der Restschuldbefreiung kann nur durch das Insolvenzgericht erfolgen, nicht aber durch einen Insolvenzplan.

2. Nach Bestätigung eines Insolvenzplans ist ein zusätzlicher Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig.

 

Aus der Begründung:

Der Plan enthält folgende Regelung: "Der Plan gilt nach Verteilung der Insolvenzmasse unter Einbeziehung der Zahlung durch die Ehefrau als erfüllt. Nach Anzeige der Verteilung des Abgeltungsbetrages wird dem Schuldner durch das Insolvenzgericht Göttingen vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt." Daraus folgt aber nicht, dass mit Rechtskraft des Insolvenzplanes die Restschuldbefreiung als erteilt gilt. … Die Erteilung der Restschuldbefreiung wirkt gem. § 301 Abs. 1 InsO gegenüber allen Insolvenzgläubigern, auch wenn sie ihre Forderung nicht angemeldet haben. Anders verhält es sich bei einem Insolvenzplanverfahren, in dem gem. §§ 259a, 259b InsO eine Nachmeldemöglichkeit binnen eines Jahres besteht. … Der Antrag ist … begründet gem. § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2. Alt. InsO. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger gelten als befriedigt im Rahmen der Regelungen im Insolvenzplan.

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Es gibt einen Aufsatz von Blankenburg (ZInsO 2015, 2211 ff.), der sich mit den auftretenden Problemen beschäftigt, wenn man eine Restschuldbefreiung durch einen (Teil)-Insolvenzplan erreichen möchte. Darin vertritt Blankenburg ebenfalls die Auffassung, dass eine originäre Restschuldbefreiung i.S.d. § 301 InsO aufgrund der Gesetzessystematik nicht in einem Insolvenzplan geregelt werden könne.

           

 

Unternehmensinsolvenzen

InsbürO 2021, 215: Betriebsstilllegung durch Insolvenzverwalter gegen Anweisung des Gerichtes

LG Kiel, Beschl. v. 04.01.2021 – 1 S 237/18, ZInsO 2021, 548 (rkr.)

Leitsätze des Bearbeiters:

Eine Betriebsstilllegung erfordert die Zustimmung des Insolvenzgerichts. Vom Schuldner getätigte Verpflichtungsgeschäfte im Eröffnungsverfahren sind auch ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam.

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Dieser Entscheidung liegt das klageabweisende Urteil des AG Rendsburg v. 21.09.2018 (45 C 53/18) zugrunde. Das LG Kiel bestätigt die Rechtsauffassung des AG Rendsburg. Darin geht es u.a. um zwei wesentliche Aspekte: Verpflichtungsgeschäfte des Schuldners bleiben im Eröffnungsverfahren auch ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Begründen kann der Schuldner allerdings nur Insolvenzforderungen gem.  § 38 InsO (Schröder in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2021, § 22 Rn. 92). Gläubigerbenachteiligende Verpflichtungsgeschäfte des Schuldners können nach Verfahrenseröffnung ggf. gem. §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Dies schied im vorliegenden Fall aus, weil der Schuldner ein Bargeschäft tätigte. Aber selbst wenn man dieses verneinen würde, hat das LG Kiel die Aufrechnungsmöglichkeit des Verkäufers bestätigt. Darüber hinaus bekräftigt das LG Kiel die Fortführungspflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Für eine Betriebseinstellung ist die gerichtliche Zustimmung erforderlich. Die Regelung ist zwar auf den starken vorläufigen Verwalter ausgerichtet, trifft aber nach einhelliger Meinung auch den schwachen vorläufigen Verwalter (s. u.a. Schröder in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2021, § 22 Rn. 46 f.).

 

InsbürO 2021, 216: (Un-)Wirksamkeit einer Stundung für ausstehende (Pflicht-)Beiträge für Genossenschaftsanteilen

LG Hamburg, Urt. v. 16.10.2020 – 322 O 162/20, ZInsO 2021, 153 (rkr.)

Leitsatz der ZInsO-Redaktion:

Wird über das Vermögen einer Genossenschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, fallen fällige, rückständige Pflichteinzahlungen der Genossen in die Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter eingefordert werden (im Anschluss an: BGH, [Hinweis-]Beschl. v. 16.03.2009 – II ZR 138/108, ZInsO 2009, 1211).

 

InsbürO 2021, 216: Anfechtbarkeit einer Entnahme von Guthaben auf einem Kapitalkonto eines Kommanditisten

BGH, Urt. v. 17.12.2020 - IX ZR 122/19, ZInsO 2021, 215

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Leitsatz des Gerichtes:

Die Entnahme von Guthaben auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten ist wie die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass das Guthaben keine Beteiligung des Kommanditisten, sondern schuldrechtliche Forderungen ausweist.

 

Aus der Begründung:

Rn. 11: Die Gewinnauszahlung an den Beklagten i.H.v. 250.000 € unterliegt als Rückführung einer einem Darlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung. … Rn. 26: Dafür, dass es sich bei dem Privatkonto um ein Forderungskonto handelt, welches eine schuldrechtliche Forderung des Beklagten ausweist, spricht auch die in § 10 Abs. 5 GV vorgesehene feste, gewinnunabhängige Verzinsung der Guthaben und der Schulden. … Rn. 27: Schließlich spricht der Ausweis der Privatkonten in den Bilanzen der Schuldnerin unter "Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern" für die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Qualifizierung der auf den Privatkonten ausgewiesenen Guthaben als schuldrechtliche Forderung des Beklagten. Rn. 28: Die von dem Beklagten auf seinem Privatkonto für die Dauer von mehr als 8 Monaten stehen gelassene Gewinnforderung gegen die Schuldnerin entspricht wirtschaftlich einem Darlehen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

    

InsbürO 2021, 216 f.: Kommanditistenhaftung für Masseverbindlichkeiten

BGH, Urt. v. 28.01.2021 – IX ZR 54/20, ZInsO 2021, 516

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Leitsätze des Gerichts:

1. Schuldner der Masseverbindlichkeiten ist der Insolvenzschuldner.

2. Der Kommanditist haftet in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft für Masseverbindlichkeiten, welche von der Insolvenzschuldnerin begründet worden sind.

3.  Die persönliche Haftung des Gesellschafters für Masseverbindlichkeiten in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft scheidet grds. nicht bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen aus (Aufgabe von BGH, Urt. v. 24.09.2009 – IX ZR 234/07, …).

 

Aus der Begründung:

Rn. 14: … Die insolvenzrechtliche Einordnung der Gewerbesteuerforderung als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung hat keinen Einfluss darauf, dass es sich bei der Steuerverbindlichkeit um eine Verbindlichkeit der Schuldnerin und damit der Kommanditgesellschaft handelt. … Die Eigenschaft als Masseverbindlichkeit begründet keine besondere Qualität der Forderung, sondern betrifft ihre Einordnung in einem konkreten Insolvenzverfahren und ihre Durchsetzbarkeit (…). … Rn. 20: … Daher trifft den Schuldner für Steuerforderungen aus der Zeit einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung, die von § 55 Abs. 4 InsO kraft Gesetzes zu Masseverbindlichkeiten erklärt werden, eine uneingeschränkte Nachhaftung, weil das Verwaltungs- und Verfügungsrecht für die die Steuerforderungen begründenden Rechtshandlungen beim Schuldner liegt (…). … Rn. 28: … Soweit eine teleologische Reduktion des § 128 HGB erwogen wird, stützt sich diese Überlegung darauf, dass mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter der Gesellschafter die Möglichkeit verliert, Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen (…). Diese Gründe treffen auf Verbindlichkeiten, welche die Gesellschaft selbst begründet, nicht zu. … Rn. 29: … Der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Verwalter tritt nicht an die Stelle des Schuldners, sondern an seine Seite (…). Ein Zustimmungsvorbehalt ändert nichts daran, dass die Gesellschafter Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen können.

                     

 

Insolvenzplanverfahren

InsbürO 2021, 271: Verfassungsbeschwerde wg. Fehler im Freigabeverfahren bei Planbestätigung

BVerfG, Beschl. v. 28.10.2020 – 2 BvR 765/20, ZInsO 2020, 2601

Aus der Begründung:

Rn. 54: Gemäß § 253 Abs. 4 Satz 1 InsO ist Voraussetzung für die unverzügliche Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den der Insolvenzplan bestätigt worden ist, dass das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen. Rn. 61: … Der Gläubiger einer vormerkungsgesicherten Forderung ist … weder der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger noch der Gruppe der Insolvenzgläubiger zuzurechnen. Das Schrifttum vertritt deshalb, …, einhellig die Auffassung, dass Rechte eines Gläubigers, dem gem. § 106 InsO ein vormerkungsgesicherter Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks zusteht, nicht zwangsweise, also ohne Zustimmung des betroffenen Gläubigers durch einen "Zwangsvergleich", den Regelungen eines Insolvenzplans unterworfen werden können (…). … Rn. 63: Da das Landgericht keiner dieser Rechtsfragen auch nur ansatzweise nachgegangen ist, hat es sich jeder Grundlage begeben für die Bewertung, ob ein schwerer oder jedenfalls ein offensichtlicher Rechtsverstoß i.S.d. § 253 Abs. 4 Satz 2 InsO vorliegt.

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Regelung des § 253 Abs. 4 Satz 1 InsO wird als Freigabeverfahren bezeichnet, weil ein Landgericht über den Planvollzug – also die Freigabe – entscheiden kann. Eine weitere Entscheidung zu dieser Thematik ist unter dem AZ: 2 BvR 764/20 ergangen.

 

InsbürO 2021, 217: Voraussetzung für erfolgreiche Beschwerde gegen Planbestätigung

LG Köln, Beschl. v. 17.12.2020 – 1 T 440/20 70a IN, ZInsO 2021, 218 (rkr.)

 

Aus der Begründung:

Ausweislich der Plandarstellungen erwartet den Beschwerdeführer bei Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens eine Quote von 0,0 %; er würde also mit seiner Forderung vollständig ausfallen. Soweit der Beschwerdeführer hierzu vorträgt, dass sich bei Durchführung eines Dual-Track-Prozesses „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine höhere Insolvenzquote als die durch den Insolvenzplan vorgesehene Quote von 1 % erzielen ließe, handelt es sich um eine Mutmaßung des Beschwerdeführers ohne jede Tatsachen-grundlage. … Hingegen erfordert § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO darüber hinaus sogar mehr als eine substanziierte Darlegung, nämlich eine Glaubhaftmachung.

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die geforderte Glaubhaftmachung der Schlechterstellung entspricht der BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 17.07.2014 – IX ZB 13/14 Rn. 24, InsbürO 2014, 530 = ZInsO 2021, 1552).

 

 

Anfechtungsrecht

InsbürO 2021, 211: Anfechtbarkeit einer vorinsolvenzlichen Honorarvereinbarung

AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 12.11.2020 – 910 C 130/20, ZInsO 2020, 2727

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO greift nicht ein, wenn eine vor Insolvenzeröffnung getroffene Honorarvereinbarung mangels Unterzeichnung unwirksam ist.

2. Der Gegenstandswert für einen außergerichtlichen Einigungsversuch i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestimmt sich nicht nach dem Betrag der Verbindlichkeiten, sondern nach einem Wert von 4.000 €.

 

Anmerkung RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen:

Erbringt der Schuldner vor Insolvenzantragstellung noch Leistungen, sind nach Eröffnung des Verfahrens Anfechtungsansprüche gem. §§ 129 ff. InsO zu prüfen. Im vorliegenden Fall bejaht das Gericht die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Ob ausnahmsweise eine Anfechtung wegen Vorliegen eines Bargeschäftes i.S.d. § 142 InsO vorlag, war nicht zu prüfen, da keine wirksame Honorarvereinbarung vorlag. Folglich ist der Beklagte verpflichtet, die empfangene Leistung gem. § 143 Abs. 1 InsO an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Der klagende Insolvenzverwalter setzt davon die Beratungsgebühr nach dem RVG ab. Dabei liegt er einen Gegenstandswert von 4.000 € zu Grunde (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 09.02.2009 – 86 T 76/09 Rn. 6, ZInsO 2009, 1172) und nicht den Betrag der Verbindlichkeiten (so LG Hamburg, Urt. v. 25.10.2010 – 318 O 113/10). Die Berufung ist anhängig beim LG Hamburg: 305 S 75/20.

 

InsbürO 2021, 217 f.: Zur Verjährungsfrage bei Anfechtung gem. § 135 Abs. 2 InsO wg. Bürgschaftsbefreiung

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.09.2020 – I-12 U 1/20, ZInsO 2021, 161

Aus der Begründung:

4.1. … Für die Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 InsO lässt der gesetzlich geregelte Fall (§§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO) es … ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 16, …). … 4.3. … Da der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit verwertet, kann der Insolvenzverwalter trotz seiner umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) weder den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse abwenden (BGH, Urt. v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 20, …), noch eine den Gesellschafter begünstigende Disposition wie das Verjährenlassen verhindern. Es widerspräche der Wertung des Gesetzgebers, wenn derartige Dispositionen zulasten der Masse gingen, indem sie auch im Innenverhältnis Wirkung entfalten würden. … 5. … Die Verjährungsfrist des § 146 InsO beginnt … mit dem Freiwerden der Gesellschaftersicherheit aufgrund der Verwertung der Gesellschaftssicherheit zu laufen. …

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Revision wurde nicht zugelassen. Insbesondere die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Fälligkeit und der Verjährung des Befreiungsanspruchs gem. § 257 Satz 1 BGB auf einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO sei nicht klärungsbedürftig. Es wurde jedoch Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt, die zum Zeitpunkt der Druckfreigabe unter dem AZ: IX ZR 201/20 anhängig war.

 

InsbürO 2021, 218: Zu Umbuchungen der Bank und den Anfechtungstatbeständen §§ 129, 133 InsO

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.09.2020 – I-12 U 33/20, ZInsO 2021, 560 (rkr.)

Aus der Begründung:

Belastet eine Bank das Konto des Schuldners mit Gebühren oder mit Kreditraten, fehlt es … an der für § 133 InsO erforderlichen Rechtshandlung des Schuldners, da die Bank die Belastung selbst veranlasst (BGH, Beschl. v. 27.03.2008 – IX ZR 29/07, Rn. 5; …). … Werden – … – Zahlungen des Schuldners von einem debitorischen auf ein anderes, bei derselben Bank geführtes ebenfalls debitorisches Konto gebucht, liegt eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) nur vor, wenn das Konto, dessen Schuldenstand durch die Umbuchung verringert wurde, über schlechtere Sicherungen verfügte als das Konto, dessen Schuldenstand dadurch erhöht wurde (BGH, Beschl. v. 10.07.2008 – IX ZR 142/07, Rn. 2).

 

InsbürO 2021, 218: Maßgeblicher Zeitpunkt für Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO bei Beteiligung eines Leistungsmittlers

BGH, Urt. v. 28.01.2021 – IX ZR 64/20, ZInsO 2021, 554

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Zwei von drei Leitsätzen des Gerichts:

1. Die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung treten ein, wenn eine Rechtsposition begründet wird, die ohne Anfechtung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste; auf den Eintritt einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kommt es nicht an.

2. Wird eine mittelbare Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger angefochten, die in der Weise bewirkt worden ist, dass ein Geldbetrag auf das Konto einer Zwischenperson überwiesen wurde und diese den Betrag an den Leistungsempfänger durch Überweisung weitergeleitet hat, ist die Wertstellung auf dem Konto des Leistungsempfängers der für die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung maßgebliche Zeitpunkt.

 

Aus der Begründung:

Rn. 22: Wird eine mittelbare Zuwendung … dadurch bewirkt, dass der Schuldner Gelder an den Leistungsmittler überträgt, die bestimmungsgemäß an einen seiner Gläubiger weitergeleitet werden sollen, kommen zwei Zeitpunkte in Betracht - der Eingang der Gelder beim Leistungsmittler oder deren Weiterleitung an den Gläubiger. Welches der maßgebliche Zeitpunkt ist, hat der BGH noch nicht ausdrücklich entschieden (vgl. aber BGH, Urt. v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, … Rn. 28). … Rn. 23: Im Schrifttum wird ersichtlich einhellig auf den Zeitpunkt des Eingangs der Gelder beim Leistungsmittler abgestellt (…). Rn. 24: Diese Auffassung trifft nicht zu. … Rn. 26: … Soweit der BGH in der Vergangenheit für den nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt auch auf den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung abgestellt hat, betraf dies Fälle, in denen die Begründung der Rechtsposition und der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung zusammenfielen (…).

 

InsbürO 2021, 218: Maßgeblicher Zeitpunkt der Leistung bei Anfechtung nach § 134 InsO

BGH, Urt. v. 17.12.2020 - IX ZR 205/19, ZInsO 2021, 396

(IX. Senat = u.a. zuständig für Insolvenzrecht)

Amtliche Leitsätze:

1. Werden sämtliche Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung an ein Kreditinstitut zur Sicherung einer fremden Darlehensschuld abgetreten, ist die Zuwendung der Sicherheit an den persönlichen Schuldner mit der Abtretung vorgenommen.

2. Erlässt der spätere Insolvenzschuldner eine künftige Forderung, ist die Zuwendung des Forderungserlasses mit Abschluss des Erlassvertrags vorgenommen.

 

Zum Sachverhalt:

Der Ehemann der Insolvenzschuldnerin schloss eine Lebensversicherung ab und setzte seine Ehefrau zunächst als bezugsberechtigt ein. Zur Absicherung eines später aufgenommenen Darlehens durch die Insolvenzschuldnerin widerrief er die Bezugsberechtigung und trat sämtliche Ansprüche an das Kreditinstitut ab, das 2007 Geld aus der Lebensversicherung bezog. 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangt vom Kreditinstitut Rückzahlung.

 

Aus der Begründung:

Rn. 9: Die Zuwendung der Sicherheit durch den Schuldner für den durch das Kreditinstitut der Beklagten gewährten Kredit ist nicht nach § 134 Abs. 1, § 129 InsO anfechtbar. Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, die innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Die Leistung ist vorliegend … bereits im Jahr 2001 und somit außerhalb des Vierjahreszeitraums vorgenommen worden. … Rn. 16: Die dem Kreditinstitut abgetretenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sind bedingte Ansprüche, welche diesem mit der Abtretung eine gesicherte Rechtsposition gewährt haben. Bei einer Lebensversicherung ist der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags begründet, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls. Der Versicherer schuldet die vertragliche Leistung im Versicherungsfall mit Abschluss des Versicherungsvertrags (BGH, Beschl. v. 20.12.2018 - IX ZB 8/17 … Rn. 13). … Rn. 32: Sollten die Eheleute über einen möglichen Regressanspruch bereits bei Gewährung der Sicherheit im Jahr 2001 einen Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB vereinbart haben, …, könnte darin zwar eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Beklagte gem. § 134 Abs. 1 InsO liegen. Gleichwohl würde ein Rückgewähranspruch … ausscheiden, weil die unentgeltliche Leistung außerhalb des Vierjahreszeitraums erfolgt wäre.

 

 

Vergütungsrecht

InsbürO 2021, 219: Korrektur der Gerichtskosten nach erfolgter Nachtragsverteilung

OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2020 – 25 W 233/20,ZInsO 2021, 349 (rkr.)

Leitsatz des Gerichts:

Wird bei der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bereits ausdrücklich die Nachtragsverteilung wegen einer mit Sicherheit zu erwartenden Masseforderung (hier Steuerrückerstattung) angeordnet, ist der Wert der Forderung bei der Bemessung des Wertes der Insolvenzmasse i.R.v. § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berücksichtigen. Ein etwaig bereits ergangener Kostenansatz ohne Berücksichtigung dieser Forderung kann nach § 20 Abs. 1 GKG korrigiert werden.

 

Aus der Begründung:

Der ursprüngliche Kostenansatz … war unrichtig, weil er den … zu erwartenden Einkommensteuererstattungsanspruch der Masse … nicht berücksichtigte. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Nachtragsverteilungsverfahren um ein gesondertes Verfahren und nicht um die Fortsetzung des ursprünglichen Insolvenzverfahrens handelt, für welches es keinen eigenen Gebührentatbestand im GKG gibt (…). … Diese Bewertung widerspricht auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, dass der Wert der Insolvenzmasse für die Gerichtsgebühren (§ 58 GKG) und die Insolvenzverwaltervergütung (§ 63 InsO) nach gleichen Grundsätzen bestimmt werden (…). … Auch wenn es daher zweckmäßig erscheint, den sicher erwarteten Massezufluss bereits im Rahmen der Schlussrechnung und des Vergütungsantrags zu berücksichtigen, ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, so zu verfahren (…). … Dies gilt auch, obwohl die Höhe der betreffenden Steuererstattung Ende 2019 noch nicht konkret feststand. Sie hätte ggf. auch geschätzt werden können, … Dem Kosten- und Vergütungssystem ist damit weder eine Schätzung noch ggf. eine nachträgliche Berichtigung der betreffenden Grundlage fremd.

 

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Die Entscheidung dürfte für die Insolvenzbüros interessant sein, denn es wird die Möglichkeit aufgezeigt, eine Forderung der Masse, die mit Sicherheit zu erwarten sei, als Teil der Insolvenzmasse bereits zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens im Vergütungsantrag zu berücksichtigen. Dies ist üblicherweise z.B. die zu erwartende Erstattung der Umsatzsteuer aus der beantragten Verwaltervergütung (BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13 Rn. 8 ff. m.w.N., InsbürO 2015, 254, ZInsO 2015, 711), weil sie konkret berechnet werden kann. Für die Realisierung einer Einkommensteuererstattung im Wege der Nachtragsverteilung wird häufig erst nach tatsächlicher Vereinnahmung ein gesonderter Vergütungsantrag gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV gestellt, in dem nach der BGH-Rechtsprechung der Wert der nachträglich zu verteilenden Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage dient (Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 294/05 in ZInsO 2006, 1205). Dabei werden als Regelsatz für die Nachtragsverteilung 25 % der Regelvergütung nach § 2 InsVV angesehen. Daraus ergibt sich i.d.R. eine geringere Vergütung, als wenn die Wert der Forderung schon im ursprünglichen Vergütungsantrag berücksichtigt worden wäre. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn noch der erste Vergütungssatz von 40 % im ersten Vergütungsantrag anzuwenden ist. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Entscheidung sollte man ggf. darüber nachdenken, mögliche Einkommensteuererstattungen bei der Beantragung einer Nachtragsverteilung in ihrer zu erwartenden Höhe konkreter zu ermitteln, um sichere Annahmen begründen und belegen zu können und insoweit bereits eine Berücksichtigung im Vergütungsantrag für das eröffnete Verfahren zu bewirken.

 

 

Vollstreckungsrecht

InsbürO 2021, 219: Pfändbarkeit einer Internet-Domain

BFH, Urt. v. 15.09.2020 – VII R 42/18, ZInsO 2021, 252

(VII. Senat = u.a. zuständig für allgemeines Abgabenrecht)

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber einer Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Haupt- und Nebenansprüche kann als ein anderes Vermögensrecht nach § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein (Bestätigung des Senatsurteils vom 20.06.2017 – VII R 27/15, … BStBl. II 2017, 1035).

2. Die Vergabestelle als Vertragspartner des mit dem Domaininhaber geschlossenen Domainvertrags ist Drittschuldner i.S.d. § 309 Abs. 1 AO und damit nach § 316 AO erklärungspflichtig (…).

3. Der Umfang des Arrestatoriums muss nicht nur für die unmittelbar Beteiligten (Vollstreckungsbehörde, Vollstreckungsschuldner, Drittschuldner), sondern mit Rücksicht auf die allgemeine Rechts- und Verkehrssicherheit auch für andere Personen, insbesondere für andere Gläubiger, eindeutig und mit Sicherheit zu erkennen sein.

 

Aus der Begründung:

Rn. 22: Das mit der Pfändungsverfügung angeordnete Leistungsverbot verstößt … gegen das in § 119 Abs. 1 AO enthaltene Gebot, wonach ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. … Rn. 24: § 309 Abs. 1 AO, auf den § 321 Abs. 1 AO verweist, verlangt nach seinem Wortlaut u.a. das an den Drittschuldner gerichtete Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Arrestatorium). … Rn. 25: Wie der Senat bereits … entschieden hat, hätte die Anordnung eines Zahlungsverbots im Streitfall keinen Sinn ergeben, weil es sich nicht um die Pfändung einer Geldforderung handelt (…). … Rn. 30: Das FG hat das Leistungsverbot dahingehend ausgelegt, dass es sich nur auf die Unterlassung solcher Handlungen beziehen sollte, die dazu führen würden, dass der Gegenstand der Pfändung beeinträchtigt bzw. dessen Verwertung erschwert oder unmöglich gemacht werden würde. … Für die Klägerin sei ohne weiteres erkennbar gewesen, dass dem FA nicht daran gelegen sein konnte, den Pfändungsgegenstand zu vernichten. Daraus schloss das FG, dass der Hauptanspruch auf Aufrechterhaltung der Registrierung nicht erfasst sein sollte. … Rn. 33: … Soweit das FA im Klageverfahren dargelegt hat, dass die Dekonnektierung (= Auflösung der Verbindung) nicht gefordert worden sei, ergibt sich dies weder aus der Pfändungsverfügung noch aus der Einspruchsentscheidung.

 

 

Allgemeines

InsbürO 2021, 213 ff.: Aufhebung der P-Konto-Verstrickung durch Pfändungsaussetzung

BGH, Beschl. v. 19.11.2020 - IX ZB 14/20, WKRS 2020, 59428

Leitsätze des Bearbeiters:

Die Verstrickung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners durch eine vor Insolvenzeröffnung ausgebrachte Pfändung kann während des eröffneten Insolvenzverfahrens im Wege einer Aussetzung der Pfändung durch das Insolvenzgericht beseitigt werden. Die Entscheidung des BGH vom 02.12.2015 - VII ZB 42/14 - steht dem nicht entgegen.

 

Anmerkung RA Kai Henning, Dortmund:

Diese Entscheidung des BGH hat eine hohe praktische Bedeutung, da sie den scheinbaren Widerspruch zwischen Entscheidungen des 7. und 9. Zivilsenats zur Frage der Behandlung alter, vor Insolvenzeröffnung ausgebrachter Pfändungen des Guthabens auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners auflöst. Diese Pfändungen können nun auf entsprechenden Antrag durch das Insolvenzgericht ausgesetzt werden. Zur Aussetzung auf Schuldnerantrag und in der Restschuldbefreiungszeit hat sich der BGH wegen der allein vom Insolvenzverwalter zu einer Pfändung im eröffneten Verfahren eingelegten Beschwerde nicht äußern können.

Bei einer vor Insolvenzeröffnung ausgebrachten Pfändung des Guthabens auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners ergibt sich nach Insolvenzeröffnung nunmehr folgende Lage: Fällt die Pfändung des Kontos unter die Rückschlagsperre des § 88 InsO, ist sie anfechtbar nach §§ 129 ff. InsO oder ist sie nach Insolvenzeröffnung erfolgt, beantragt der Insolvenzverwalter die Aufhebung der Pfändung als unzulässig. Zuständig ist ebenfalls das Insolvenzgericht nach § 89 Abs. 3 InsO (vgl. AG Göttingen, Beschl. 26.10.2018 - 74 IK 155/18, InsbürO 2019, 100). Funktionell zuständig ist der Richter gem. § 20 Nr. 17 RPflG. Ist die Pfändung insolvenzrechtlich nicht angreifbar, beantragt der Insolvenzverwalter im Wege der Erinnerung, die Pfändung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens auszusetzen.

Auch dem Schuldner wird im eröffneten Verfahren ein Antragsrecht nicht abzusprechen sein, wenn die vor Insolvenzeröffnung ausgebrachte Pfändung in seine Rechte eingreift, er also ein Rechtsschutzbedürfnis hat. Der Treuhänder in der Restschuldbefreiungszeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann schon wegen der ihm übertragenen begrenzten Aufgaben nicht zur Antragstellung berechtigt sein. Dem Schuldner steht aber die Durchsetzung des Vollstreckungsverbots aus § 294 Abs. 1 InsO zu. Zuständig ist das Vollstreckungsgericht (vgl. AG Remscheid, Beschl. 17.12.2019 -13 M 2520/19, InsbürO 2020, 491 = ZInsO 2020, 2225).

 

InsbürO 2021, 220: Aufhebung der unzulässigen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger durch das Insolvenzgericht

LG Lübeck, Beschl. v. 14.09.2020 – 7 T 206/20, ZInsO 2020, 2438 (rkr.)

Aus der Begründung:

Der Beschluss führt … deshalb zur Aufhebung, weil die Bestellung des gemeinsamen Vertreters der Gläubiger nach § 19 Abs. 2 SchVG (= Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen) nicht in die Zuständigkeit des AG fällt. In § 19 Abs. 2 SchVG heißt es: „Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht bestellt worden ist." In dieser Regelung ist also formuliert, dass die Gläubiger den gemeinsamen Vertreter bestellen. Dem AG ist eine solche Befugnis nicht eingeräumt. … Demgegenüber hat das AG im angefochtenen Beschluss die Bestellung von Rechtsanwalt … tenoriert. Es hat also eine eigene Bestellungsentscheidung getroffen und nicht eine Bestellung der Gläubigerversammlung in Bezug genommen. … Das AG wird eine "neue erste" Gläubigerversammlung i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO einzuberufen haben.

                  

Anmerkung Insolvenzsachbearbeiterin Michaela Heyn, Ahlen:

Hintergrund dieses Vorgehens des Insolvenzgerichtes war, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie dem Vorschlag eines Anleihegläubigers im April 2020 gefolgt und die Abstimmung i.S.d. § 19 Abs. 2 SchVG ohne Versammlung i.S.d. § 18 SchVG beschlossen wurde. Die Entscheidung wird hier nur in aller Kürze wiedergegeben. Es stecken eine Vielzahl anderer Aspekte darin, die Borowski in einem ZInsO-Beitrag erörtert, bspw. die (fehlende) Überprüfbarkeit von Beschlüssen der nachrangigen Anleihegläubiger – ein weiterer Harmonisierungsbedarf zwischen SchVG und InsO (ZInsO 2020, 2457 ff. – Heft 47/2020).

 

 

                

 

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